Gerade noch hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) offiziell die Corona-Sommerwelle bestätigt. Doch bereits jetzt blicken viele Experten mit großer Sorge auf die darauffolgende Jahreszeit: Denn seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat uns bislang jeder Herbst einen neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen beschert.
Bei einer aktuell zunehmenden Inzidenz rückt die Vorbereitung auf den anstehenden Corona-Herbst umso mehr in den Fokus. Wo stehen wir aktuell?
Corona-Herbst: Unterschiedliche Szenarien sind denkbar
Der von der Bundesregierung einberufene Corona-Expertenrat hat in seiner 11. Stellungnahme vom 8. Juni 2022 drei mögliche Szenarien für den kommenden Herbst formuliert.
- Günstigstes Szenario: Es entsteht eine neue dominierende Corona-Mutante, die noch weniger krankheitserregend ist als Omikron. Sie ist ansteckender als die gegenwärtigen Formen, sorgt aber für kaum merkliche Symptome bei Geimpften oder Genesenen. Darüber hinaus bewirkt sie auch einen milderen Krankheitsverlauf bei Älteren. So werden Infektionsschutzmaßnahmen – ausgenommen für Risikogruppen – überflüssig. Gleichzeitig gibt es insbesondere bei Kindern einen Aufholeffekt im Bezug auf andere Atemwegserreger, die das Gesundheitswesen belasten. Durch das Tragen von Masken in Innenräumen kann die Entwicklung positiv beeinflusst werden.
- Basisszenario: Die Krankheitslast bleibt ähnlich wie bei den aktuell in Umlauf befindlichen Omikron-Varianten. Die Winterwelle verläuft in wechselnder Intensität über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten. Die Belastung der Intensivstationen bleibt moderat. Trotzdem können Arbeitsausfälle erneut das Tragen von Masken oder das Halten eines angemessenen Abstandes in Innenräumen erforderlich machen. Auch Kontaktreduktion und eine Obergrenze für Veranstaltungen sind eventuell notwendig.
- Ungünstiges Szenario: Es entsteht eine stark ansteckende Virus-Mutante mit einer erhöhten Krankheitsschwere, die für schwere Verläufe auch bei vollständig Geimpften sorgt. In der Folge wird das Gesundheitssystem stark belastet. Um eine Überlastung zu verhindern, sind Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht unvermeidlich. Die allgemeinen Schutzmaßnahmen können erst im Frühjahr 2023 wieder zurückgefahren werden.
Folgende Ziele müssen laut Expertenrat für den weiteren Verlauf der Pandemie im Corona-Herbst erreicht werden:
- Die Vermeidung schwerer Krankheits- und Todesfälle, insbesondere bei vulnerablen Gruppen.
- Die Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems.
- Die Vermeidung der Überlastung der kritischen Infrastruktur (KRITIS). Hierzu zählen die Bereiche Information, Kommunikation sowie die Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Gas und Öl.
- Die Vermeidung gesundheitlicher Spätfolgen. Hier ist insbesondere Long-COVID zu nennen.
Solide Datenerhebung als Grundlage
Maßgebliche Strategien zur Erreichung dieser Ziele sind frühzeitige Interventionen, gute Patientenversorgung und umfassende Kommunikation. Außerdem definierte der Expertenrat fünf Kernbereiche, die für den weiteren Verlauf der Pandemie essenziell sind. Dazu gehört die Datenerhebung, die eine angepasste Teststrategie beinhalten sollte.
Auch das Monitoring von Infektionsdynamik und Impfwirksamkeit gehört zu einer soliden Datenbasis, genauso wie eine sorgfältige Erfassung der Belastung des Gesundheitswesens. Alle Daten sollten weiterhin aufbereitet und analysiert werden, um als Grundlage für zukünftige Prognosen zu dienen.
Gute Kommunikation und Information wichtig
Aber auch eine gute Kommunikationsstrategie, sowohl im politischen als auch im gesundheitlichen Bereich, ist laut Expertenrat unerlässlich. Hier sollten Bund und Länder sich eng abstimmen. Informationen sollten gut zugänglich und auch für Laien verständlich aufbereitet sein.
Als kritisch gilt auch die Erhöhung der Impf- und Boosterquote. Impfungen sollten – zum Beispiel durch Impfteams vor Ort – niedrigschwellig angeboten werden.
Immer noch ist die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen in Deutschland hoch: Viele Menschen finden eine Maskenpflicht bei steigenden Infektionszahlen vernünftig.
Und immerhin 75 Prozent halten auch eine Auffrischungsimpfung für sinnvoll. Laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist eine Auffrischungsimpfung allerdings nach wie vor nicht allgemein empfehlenswert. Hier seien die Vorgaben der Ständigen Impfkommission (STIKO) absolut ausreichend.