Die Problematik durch die immer stärkere Verbreitung von multiresistenten Bakterien, gegen die Antibiotika keine Wirksamkeit zeigen, stellt die Forschung vor große Herausforderungen. Die sogenannten „Krankenhauskeime“ sind vor allem im klinischen Bereich häufig anzutreffen, einer der bekanntesten Keime ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, kurz MRSA. Gerade für Patienten in Kliniken, deren Immunsystem ohnehin bereits geschwächt ist, können diese multiresistenten Bakterien eine erhöhte Gefahr darstellen.
Nun hat ein Wissenschaftlerteam des Fachgebiets Biologische Chemie um Prof. Dr. Roderich Süßmuth von der TU Berlin, zusammen mit der französischen Firma Deinove, eine neue Klasse von Lipopeptid-Antibiotika entdeckt, die vielversprechende Aktivitäten gegen multiresistente Bakterien aufweist.
Die Forscher entdeckten Unerwartetes
Bei ihren Forschungsarbeiten haben die Wissenschaftler zunächst die Biosynthese des als „Microvionin“ genannten Moleküls nachgestellt und dabei eine unerwartete Entdeckung gemacht. Microvionin besteht aus einem Peptid- und einem Fettsäureteil, wobei drei der Aminosäuren so modifiziert werden, dass sich zwei Ringstrukturen ausbilden, es also „bizyklisch“ ist. Durch dieses charakteristische Strukturmerkmal mit einer Thioetherbrücke, lässt sich Microvionin den sogenannten Lanthipeptiden zuordnen, einer Klasse an ribosomal synthetisierten und posttranslational modifizierten Peptiden (kurz RiPPs).
In mehreren Versuchsreihen konnten die Wissenschaftler die Zyklisierung des Moleküls nachvollziehen und zeigen, dass dies durch die enge Kooperation von zwei Enzymen geschieht und so die Bildung von ungewollten Nebenprodukten verhindert wird. „Was uns zusätzlich interessiert, ist die ziemlich ungewöhnliche Fettsäuremodifikation. Hier scheinen zum ersten Mal bei ribosomal synthetisierten Peptiden zwei Biosynthesewege zusammen zu laufen, nämlich ribosomal synthetisierte Peptide und Polyketidsynthasen, deren Zusammenspiel so bisher nicht beobachtet wurde. Das ist für uns natürlich spannend und wird weiterhin intensiv erforscht“, erläutert Roderich Süßmuth.
Mehr als zehn potenzielle Kandidaten in der Natur für neue Antibiotika
Vor allem aufgrund der unerwarteten Struktur und Biosynthese wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob es noch weitere ähnliche Verbindungen in der Natur gibt. Bei dem sogenannten „Genome Mining“ werden bakterielle Genome mit dem Ziel analysiert, bestimmte Biosynthese-Gencluster entdecken zu können. Auch hier wurden die Wissenschaftler um Roderich Süßmuth fündig. Mehr als zehn potenzielle Kandidaten konnten identifiziert werden. Aus einem dieser Stämme wurde dann mit „Nocavionin“ ein weiteres verwandtes Molekül isoliert.
Dass sich die inzwischen „Lipolanthine“ getaufte Gruppe an Antibiotika bald noch weiter vergrößern wird, da ist sich Roderich Süßmuth sicher: „Wir versuchen natürlich nun auch die anderen Moleküle zu isolieren und dann auch Rückschlüsse zwischen der Struktur und Bioaktivität zu ermitteln. Außerdem ist auch die Aufklärung der verbleibenden Schritte der Biosynthese für uns sehr interessant. Zu guter Letzt hoffen wir auch die Entwicklung von Microvionin zu einem nutzbaren Medikament vorantreiben zu können. Wir stehen bei diesem Projekt ja gerade erst in den Startlöchern und ich bin gespannt wie es jetzt weitergeht.“
Die Ergebnisse des Forscherteams sind in der jüngsten Ausgabe der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht.
Quelle: idw