„Es wurde vor einigen Jahren anlässlich der Coronapandemie mal geklatscht, aber dann passierte nichts mehr. Das ist ein großes Problem. Das Thema Wertschätzung ist ganz bedeutend! Schaut euch an, was die Leute brauchen, das ist wichtiger denn je.“
Schon seit fast 20 Jahren berät die Kommunikationstrainerin Christine Kaiser als Coachin und Mediatorin mit dem Schwerpunkt Healthcare Einrichtungen aus dem Gesundheits- und Pflegesektor. Sie weiß: Wenn der Umgang miteinander und die Atmosphäre in der Einrichtung nicht stimmen, die Beschäftigten sich nicht wertgeschätzt fühlen, sind Kündigungen und eine hohe Fluktuation beim Personal die Folge.
„Und heute ist es nicht mehr so, dass man automatisch eine Loyalität zum Arbeitgeber aufbaut – wie das in früheren Jahrzehnten der Fall war, wo man sich stolz mit seiner Firma identifizierte.“
Im Rahmen der Winterakademie 2023 in Playa del Inglés auf Gran Canaria zeigte sie in ihrem Workshop „Konsequentes Vorgehen, maximale Wirkung! – Mitarbeiterbindung durch zielführende Kommunikation“, wie sich eine bessere kommunikative Atmosphäre in den Einrichtungen erreichen lässt.
Für die Generation Y, also die Geburtenjahrgänge ab Ende der 1980er-Jahre, gälten andere Werte als in der „Babyboomer“-Generation oder der auf diese folgenden „Generation X“. Die jungen Erwachsenen seien weniger materiell- und stärker werteorientiert und dächten weniger in Hierarchien.
Ein „Leben beim Arbeiten“ und Selbstverwirklichung, bei gleichzeitiger hoher Flexibilität und Bereitschaft zum Lernen, seien die Stichworte. Das sei zu begrüßen, so Kaiser. „Die Babyboomer haben das Burnout-Syndrom erst erfunden: Denn vor lauter Pflichtbewusstsein sind sie ständig über ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen hinausgegangen.“
Gerade bei der jüngeren Generation von Arbeitskräften sei Feedback, in konstruktiver Form, ganz wichtig.
Vier Farben stehen für die Charaktertypen
Vier grundsätzliche Charaktertypen ließen sich auf der Arbeit beobachten, die man mit Farben symbolisieren könne. Blau steht hierbei für den vorsichtigen, formalen, die Dinge besonnen und gründlich erledigenden Typen, Rot für den fordernden, entschlossenen, willensstarken Charakter.
Grün zeichnet einen mitfühlenden, geduldigen, entspannten und motivierenden Teamplayer-Typus dar, Gelb einen enthusiastischen, offenen, kreativen, aber auch sprunghaften Freigeist.
Bei einer Kleingruppen-Diskussion in der Runde hatten die Anwesenden die Aufgabe, sich selbst in eine der vier Kategorien einzusortieren. „Im Normalbetrieb auf der Arbeit bin ich anders als in Stress-Situationen, da treffen andere Aspekte auf mich zu“, so eine Teilnehmerin, die mit ihrer Rückmeldung Zustimmung erntete.
Jeder Charaktertyp, insistierte Kaiser, brauche eine andere Form der Wertschätzung, die gezielt auf ihre oder seine Stärken eingehe. Bei Kritik sei wichtig, die persönliche und berufliche Sichtweise nicht zu verwechseln. „Beispielsweise kann man sagen: Menschlich ist Dein Verhalten verständlich, aber in meiner Eigenschaft als Vorgesetzte geht das gar nicht, kann ich das nicht tolerieren.“
Wenn man andere Leute enttäusche oder verärgere, so die Coachin, habe das oft damit zu tun, dass man den Werten und Bedürfnissen des Gegenübers nicht Rechnung trage – die einen anderen Stellenwert haben könnten als bei einem selbst. „Ich zum Beispiel hatte früher nie einen großen Wert auf Pünktlichkeit gelegt.
Wenn ich da ware, war ich eben da und dachte, die anderen freuen sich darüber. Erst später realisierte ich, dass ich Werte von anderen damit verletze.“
Meist behandelten wir andere Menschen eben so, wie wir selbst sind, beziehungsweise behandelt werden wollten, oder wie wir unsere Rolle verstehen. „Wenn das Gegenüber jedoch etwas anderes benötigt, kann dies für Missverständnisse und Unstimmigkeiten sorgen.“
Wertschätzung: Jeder will sie, zu wenige geben sie
Eine beispielhafte Folge von verfehlter Kommunikation sei der Frust einer Pflegerin, die für den Fall eines Einspringens ständig von der Dienstleitung angerufen werde. „Denn diese Person denkt: Warum immer ich? Die Pflegedienstleitung wiederum denkt, diese Person kann ich anrufen, denn sie springt ja immer ein.“
Eine Senioreneinrichtung, die sie betreue, habe in Zusammenarbeit mit ihr einen anderen Weg gewählt: Dort gebe es eine rotierende, wechselnde Liste, wer im Vertretungsfall angerufen werde. Und man sollte auf keinen Fall vergessen, den Dank und die Wertschätzung fürs Einspringen zu übermitteln.
„Wir wollen alle Wertschätzung und brauchen sie auch, sind aber selbst so spärlich im Geben.“ Da hätten uns beispielsweise die US-Amerikaner etwas voraus – auch wenn die dortigen, massenhaft und enthusiastisch vorgetragenen Komplimente nicht immer buchstäblich zu interpretieren seien.