Anonymus fragt: Meine Kolleginnen und ich setzen uns in der Freizeit mit Missständen in der Krankenhausversorgung auseinander. Nachdem wir in der Öffentlichkeit Informationsblätter verteilt hatten, wurde ich an meine Geheimhaltungs- und Treuepflichten gegenüber unserer Einrichtung erinnert. Die Geschäftsführung forderte mich auf, derartige Aktivitäten in der Zukunft zu unterlassen. Ist dieses Verlangen rechtmäßig?
Antwort der Redaktion: Grundsätzlich darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Weisungen für dessen außerdienstliches Verhalten erteilen. Sind die Meinungsäußerungen allerdings geeignet, das Ansehen des Arbeitgebers in der öffentlichen Wahrnehmung zu diskreditieren, kann dies einen Anspruch auf Unterlassung der ruf- und kreditschädigenden Äußerungen begründen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers korrespondiert eng mit der Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers und bezieht sich auch auf die Verbreitung von wahren Tatsachen. Eine genaue Begrenzung dieses Interessengebietes ist jedoch nur schwer vorzunehmen, denn regelmäßig findet eine Kollision mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung statt (Art. 5 Abs. 1 GG).
In der Praxis münden derartige Konflikte oftmals in einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht. In der Regel überragt in derartigen Streitigkeiten das Grundrecht der freien Meinungsäußerung die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers – jedenfalls solange die betrieblichen Arbeitsprozesse durch die Meinungsäußerungen der Arbeitnehmer nicht erheblich gestört sind. So entschied z.B. das ArbG Berlin, dass die Abmahnung einer Ärztin ungerechtfertigt gewesen ist, obwohl diese in zwei Fernsehsendungen die Behauptung vertrat, dass Patienten ihres Krankenhauses aus Kostengründen und wegen unzureichender Bettenkapazitäten „zu früh“ entlassen worden seien. Insoweit ist also die engagierte Stellungnahme der Ärztin durch Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt gewesen. In die Gesamtabwägung ist allerdings auch eingeflossen, dass das Krankenhaus nicht im Verhältnis zu anderen Krankenhäusern gezielt herabgesetzt werden sollte (ArbG Berlin NZA-RR 1997, S. 281).
Vor dem Hintergrund des Prozessrisikos ist anzuraten – auch wenn die Arbeitsgerichte traditionell arbeitnehmerfreundlich ausgerichtet sind –, dass auf allzu präzise Darstellungen, die darauf abzielen, ein einzelnes Haus in besonderem Maße zu schädigen, verzichtet werden sollte.