Bereits im Juni 2020 hat die Bundesregierung mit Plänen zum Aufbau einer „Nationalen Reserve Gesundheitsschutz“ reagiert und diese Ende November 2020 in einer Verlautbarung konkretisiert. An insgesamt 19 Standorten sollen künftig Lager entstehen, die ständig den Bedarf an überwiegend Schutzausrüstung, Schutzmasken, Beatmungsgeräten und Medikamenten des Gesundheitswesens und des Bundes für einen Monat vorhalten. Den Beschlüssen ist zu entnehmen, dass die Reserven vorrangig durch Material aus inländischer Produktion gespeist werden sollen und somit auch ein Anreiz für nationale Hersteller geboten wird. Weiterhin sollen auch die Einrichtungen im Gesundheitswesen selbst entsprechende eigene Vorkehrungen treffen.
Grundsätzlich gilt:
Reservelager sind dann erforderlich, wenn Quellen für die benötigten Produkte vom Ort des Bedarfs weit entfernt sind. Das trifft in der derzeitigen Beschaffungsweise im besonderen Maße auf die Versorgung mit persönlicher Schutzausrüstung wie Schutzmäntel und Masken zu, weil diese zu einem überwiegenden Teil aus Fertigungsbetrieben für Einwegartikel in Übersee bezogen werden. Es ist daher richtig, speziell im Gesundheitswesen globale Lieferketten soweit möglich mit regionalen Strukturen zu unterfüttern und dadurch unabhängig zu werden. Ohne regionale Produktion und Vorhaltung von geeigneten Schutzmaterialien besteht ein großes Sicherheitsdefizit.
Die gute Nachricht ist:
Diese regionalen Strukturen existieren bereits. Wäschereien als textile Vollversorger bieten für viele Schutzartikel Mehrweg-Alternativen – und zwar regional, mitten in Deutschland. Sie können Pandemiereserven mit wesentlich weniger Aufwand aufbauen. Solche textilen Kreislaufsysteme führen die Pandemie-Reserve dadurch integriert im Umlaufbestand. Typische Artikel dafür wären OP-Mäntel, OP-Abdeckungen und Schutzkittel für Intensivstationen.
2.000.000 Einweg-Kittel benötigen Rohstoffe und Lagerkapazitäten auf Zeit. Ein Mehrweg-Kreislauf benötigt dafür nur 20.000 Mehrweg-Schutzmäntel und einen regionalen Fachbetrieb.
Neben der regionalen Versorgungssicherheit steigert das Umdenken auf Kreislaufsysteme die Nachhaltigkeit und die Effizienz der Rohstoffe für die Textilien. So sind OP-Mäntel und andere textile Schutzkleidung ohne Qualitätsverlust bis zu 100-mal waschbar und also hygienisch rein für den Gebrauch im medizinischen, sterilen Bereich.
Ökologische und ökonomische Effizienz sichern
Ein Produkt, das wiederverwertbar sein kann, wie Schutzkleidung, muss nicht für eine einmalige Verwendung über 10.000 Seemeilen befördert werden und in riesigen Lagern altern. Stattdessen lassen sich die benötigten Reserven in Kreislaufsystemen von Anfang an aktiv nutzen. Die problemlose Integration in bereits vorhandene Logistikabläufe bietet einen zusätzlichen Synergieeffekt. Regionale textile Vollversorger müssen daher unbedingt Berücksichtigung in den Plänen des Gesundheitsministeriums finden.
Richtige Zeichen setzen
Aufgrund von mangelnden Kenntnissen oder Vorurteilen wird Einweg gegenüber Mehrweg noch immer ein Vorrang eingeräumt. Entgegen bestehender gesetzlicher Vorschriften zur Abfallvermeidung wächst der Anteil an Einwegmaterialien. Im OP-Bereich ist dieser zum Beispiel mittlerweile auf über 90 % angestiegen. Gesetzliche Vorschriften (zum Beispiel die Abfallhierarchie im Kreislaufwirtschaftsgesetz) werden schlicht ignoriert. Diese Entwicklung entgegen den politischen Zielsetzungen muss nicht nur, sondern sie kann auch umgedreht werden. Die Akteure im deutschen Gesundheitswesen, allen voran die Bundesregierung, haben bei der Entwicklung von Reservesystemen eine Chance erhalten, das richtige Zeichen zu setzen.