Wertschätzung
Respekt als wesent­li­cher Teil einer umfang­rei­chen Wertschät­zung für die Mitar­bei­te­rIn­nen Bild: Gerd Altmann / Pixabay

Negati­vi­tät statt Wertschät­zung. Hohe Arbeits­be­las­tung, kaum Nachwuchs und immer mehr Kündi­gun­gen: Die Situa­tion in der Pflege ist seit Jahren angespannt. Die genann­ten Probleme stellen aber nur die Spitze des Eisbergs dar.

Die Mitar­bei­ten­den in der Pflege werden immer älter. Laut Statis­ti­schem Bundes­amt ist fast ein Drittel aller Pflegen­den zwischen 50 und 60 Jahren alt. Das erhöht den Ersatz­be­darf an Mitar­bei­ten­den drastisch. Zudem nimmt die Zahl der Teilzeit-Beschäf­tig­ten zu.

Hinzu kommt die große Heraus­for­de­rung, mit wenig Geld jeden Tag Arbeit im Inter­esse der Pflege­be­dürf­ti­gen zu leisten.

Bild der Pflege meist negativ

Gerade diese Probleme und belas­ten­den Arbeits­si­tua­tio­nen in der Pflege prägen die öffent­li­che Diskus­sion über den Beruf. Pflege­kräfte würden ihre Tätig­keit meist negativ darstel­len und dabei die eigene Exper­tise nicht ausrei­chend würdi­gen, glaubt das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit und hat deshalb eine neue Studie in Auftrag gegeben.

Die hat zum Ziel, Wertschät­zung, Selbst­wert­ge­fühl und Arbeits­zu­frie­den­heit für die Pflege­be­rufe zu fördern.

„Die gesell­schaft­li­che Wertschät­zung eines Berufs hängt stark von der Fähig­keit ab, eigenes Handeln und dafür benötigte Kompe­ten­zen in der Öffent­lich­keit zu beschrei­ben“, schreibt das Minis­te­rium in einer Presse­mit­tei­lung zur neuen Studie. Eine positive Selbst­dar­stel­lung komme deshalb nur selten vor.

So ist Außen­ste­hen­den kaum bekannt, welche Anfor­de­run­gen der Pflege­be­ruf stellt, wie komplex er ist und welche positi­ven Erleb­nisse Betei­ligte haben können.

Projekt­lei­ter der Studie, Prof. Dr. Klaus Müller von der Frank­furt Univer­sity of Applied Scien­ces, erklärt es im Inter­view mit dem Pflege­netz­werk Deutsch­land so: „Wenn ich sage ‚Ich begleite Menschen auf die Toilette‘, dann ist damit eine andere emotio­nale Schwin­gung verbun­den, als wenn ich sage ‚Ich ermög­li­che Menschen ein selbst­be­stimm­tes Leben.“

Wertschät­zung durch Kompe­tenz­kom­mu­ni­ka­tion

Die aktuelle Studie der Bundes­re­gie­rung zielt also vor allem darauf ab, den Beruf und die nötigen Kompe­ten­zen nach außen besser zu kommu­ni­zie­ren. Die zu Beginn des Artikels genann­ten Probleme werden dadurch zunächst nicht direkt verbes­sert. Trotz­dem glauben die Forschen­den, dass durch eine gute Kompe­tenz­kom­mu­ni­ka­tion der gesell­schaft­li­che Wert und die Sicht­bar­keit des Pflege­be­rufs geför­dert werden können.

Auch das Selbst­wert­ge­fühl der Pflege­kräfte werde gestei­gert, die so auch aktiver am öffent­li­chen Pflege­dis­kurs teilneh­men würden.

Die Studie läuft noch bis Ende April 2023. Erste Einbli­cke in die Ergeb­nisse liefert aber jetzt schon Prof. Dr. Michael Isfort vom Deutschen Insti­tut für angewandte Forschung (DIP), der ebenfalls an der Studie betei­ligt ist.

Im Inter­view mit dem Pflege­netz­werk Deutsch­land erklärt er, dass über 90 Prozent der befrag­ten Pflege­kräfte zurück­ge­mel­det hätten, dass sie sich im aktuel­len media­len Diskurs über die Pflege nicht vertre­ten fühlen.

„Die Chancen, die in dem Beruf stecken, werden gar nicht thema­ti­siert, die Arbeits­viel­falt, die wir eigent­lich haben, wird nicht sicht­bar“, erklärt er weiter. So sei die Kommu­ni­ka­tion letzt­lich das, worüber Pflegende die Wertschät­zung in ihrem Beruf erfah­ren.

Woraus ergibt sich Wertschät­zung?

Isfort hat mit seinem Forschungs­team am DIP in der Vergan­gen­heit noch weitere Punkte heraus­ar­bei­ten können, durch die sich Pflegende mit ihrer Arbeit besser fühlen. Im Projekt Pflege­Wert haben sie mehrere Anerken­nungs-Ebenen heraus­ge­ar­bei­tet:

  • Selbst­wert­schät­zung
  • Wertschät­zung durch Kundin­nen und Angehö­rige
  • Wertschät­zung durch Team und Vorge­setzte
  • Wertschät­zung als Bestand­teil der Organi­sa­ti­ons­struk­tur
  • Wertschät­zung durch Gesell­schaft und Umwelt

Um positive Gefühle und Zufrie­den­heit bei Pflege­kräf­ten nachhal­tig und dauer­haft zu erhöhen, sei es also notwen­dig, dass sie andau­ernd Wertschät­zung auf diesen Ebenen erfah­ren. Mit insge­samt sieben konkre­ten Handlun­gen können das vor allem Arbeit­ge­be­rin­nen und Arbeit­ge­ber umset­zen.

Auf Ebene der Selbst­wert­schät­zung sei es ratsam „Pflege-Erfolgs­be­spre­chun­gen“ zu halten und eine angemes­sene „Sprache in der Pflege“ zu finden. Dadurch solle der Blick auf gute Ergeb­nisse und geleis­tete Arbeit gelenkt werden. Die „gespürte“ Wertschät­zung werde so auch tatsäch­lich ausge­spro­chen.

Die Wertschät­zung durch Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner sowie Angehö­rige könne ein „wertschät­zen­des Rückmel­de­ma­nage­ment“ langfris­tig steigern.

Die Mitar­bei­ten­den sollen expli­zit über Dankschrei­ben, Spenden und Präsente infor­miert werden – norma­ler­weise geschehe das meist per Zufall. So werde vermie­den, dass Pflegende haupt­säch­lich negati­ves Feedback erfah­ren.

Konti­nu­ier­li­che Anerken­nung

Wertschät­zung durch Team und Vorge­setzte werde erreicht mit „Mitar­bei­ter­ent­wick­lungs­ge­sprä­chen“ und „wertschät­zen­dem Führen“. Lob von Führungs­kräf­ten solle dabei nicht nur spontan erfol­gen, sondern syste­ma­ti­siert in regel­mä­ßi­gen Gesprä­chen.

Es bringe aber nichts, verein­zelt Maßnah­men umzuset­zen. Die gesamte Organi­sa­ti­ons­kul­tur müsse diese Idee mittra­gen, damit so Wertschät­zung als Bestand­teil der Organi­sa­tion wahrge­nom­men werde.

Ein „wertschät­zen­den Gesund­heits­ma­nage­ment“ könne das umset­zen, in dem Mitar­bei­ten­den Entwick­lungs­mög­lich­kei­ten geboten und sie entspre­chend ihrer Fähig­kei­ten geför­dert werden.

Wichtig für die Pflegen­den sei aber nicht nur Feedback aus dem direk­ten Arbeits­um­feld, sondern auch, dass sie Respekt und Achtung durch Gesell­schaft und Umwelt erfah­ren.

So wünschen sich viele von Leitung und Führungs­kräf­ten, dass diese „Öffent­lich­keits­ar­beit“ leisten. Führungs­kräfte sollen sich so vor allem im regio­na­len Umfeld für eine Anerken­nung des Pflege­be­rufs und den guten Ruf der Einrich­tung einset­zen.