Durch das BMBF-Verbundprojekt MeSiB wird ein umfassendes Sicherheits- und Schutzkonzept für Pflegebedürftige, informell Pflegende und professionell Pflegende (Fachpflege) in der Heimbeatmung entwickelt. Dafür stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den kommenden drei Jahren insgesamt ca. zwei Millionen Euro bereit.
Laien müssen große Verantwortung übernehmen
Menschen aller Altersstufen können aus verschiedensten Ursachen auf langfristige künstliche Beatmung angewiesen sein. Insbesondere bei der häuslichen Pflege von Hochrisikopatienten ist der Umgang mit den Betroffenen und der Medizintechnik, wie etwa dem Beatmungsgerät, eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit. Gerade für Angehörige kann diese Situation zu erheblichen psychischen Belastungen führen. Denn sie leben nicht nur in ständiger Sorge um das Wohl des Kranken, sondern müssen auftretende Probleme rasch und zuverlässig erkennen und wissen, was im Notfall zu tun ist.
Dies wiederum hat zu Folge, dass sie als Laien in erheblichem Ausmaß Verantwortung für technische Abläufe und den Umgang mit dem notwendigen Equipment, aber auch für die Kommunikation mit Notärzten und Intensivpflegediensten übernehmen müssen. Die Belastung der Angehörigen nimmt noch zu, wenn sie bei unheilbar Kranken mit end-of-live-Situationen oder gar dem Wunsch nach Einstellung der Beatmung konfrontiert sind.
Statt Sicherheit unerwünschte Einblicke in den Alltag
Eine potenzielle Quelle für Belastung und Verunsicherung ist die Frage nach der Zuverlässigkeit der Beatmungsgeräte. Hier können IT-gestützte Sensortechnologien, die etwaige Fehlfunktionen zuverlässig erkennen und an eine Notfallzentrale melden, zur Entlastung der Angehörigen beitragen. Je nach Breite und Tiefe ihres Einsatzes können sogenannte Monitoring-Technologien (Beobachtungstechnologien) aber nicht nur Gerätefunktionen überwachen, sondern ganz allgemein Notfallsituationen in der Häuslichkeit erkennen.
Allerdings zeichnen sich hier Konflikte mit den Privatheits- und Intimitätsansprüchen von beatmeten Patienten und ihren Angehörigen ab: Sensoren in der eigenen Wohnung können zwar einerseits der Feststellung dienen, ob Patienten gemäß der etablierten täglichen Routine versorgt werden, andererseits aber erlauben sie auch tiefe und unter Umständen unerwünschte Einblicke in den Alltag der Mitbewohner und die verschiedensten häuslichen Abläufe.
Balance von Sicherheit und Privatsphäre
Schließlich drohen sehr ernsthafte ethische Konflikte beim Einsatz von Monitoring- Technologien in der Häuslichkeit von beatmeten Patienten auch dann, wenn diese Patienten keine Verlängerung ihrer Beatmungspflege mehr wünschen oder in die letzte Phase des Sterbeprozesses eingetreten sind. In diesem Falle muss die Sensorik entsprechend adaptiert werden, um keine fehlgeleiteten Alarme auszulösen.
Vor diesem Hintergrund nutzt das ethische Teilvorhaben der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald sozialempirische Erhebungsverfahren, um zum einen Art und Ausmaß der Belastung von pflegenden Angehörigen heimbeatmeter Patienten genauer zu evaluieren und zum anderen festzustellen, wie mit Hilfe von Monitoring-Technologien eine Balance von Sicherheit und Privatsphäre auf hohem Niveau erreicht werden kann.
Ergebnisse werden an die Entwicklungspartner zurückgemeldet
Zu diesen Aspekten liegen bislang kaum zuverlässige Daten vor. Das Greifswalder Projekt schließt diese Forschungslücke durch Einsatz eines innovativen Mixed-Methods-Ansatzes, der am Lehrstuhl für Systematische Theologie entwickelt und bereits erfolgreich in anderen Projekten eingesetzt wurde. Dieser Ansatz kombiniert in besonderer Weise quantitative und qualitative Erhebungsverfahren.
Die Ergebnisse des Greifswalder Projektes werden an die mit der Entwicklung und Implementierung geeigneter Sensortechnologien befassten MeSiB-Partner zurückgemeldet und fließen in die Konfiguration des gesamten soziotechnischen Arrangements ein. Zugleich bilden die Ergebnisse den methodischen Ausgangspunkt für die Entwicklung bedarfsgerechter Schulungskonzepte für pflegende Angehörige und Mitarbeiter von Intensivpflegediensten.
Quelle: idw