Mann liegt mit Masern im Bett
Auch im Erwach­se­nen­al­ter kann man noch an Masern erkran­ken (Symbol­bild). Bild: Marco Di Bella/Playground AI

Eigent­lich hätte die Mensch­heit mit dem Impfstoff alle Mittel, um sie ein für alle Mal zum Verschwin­den zu bringen – doch Lücken im Impfschutz sorgen derzeit in Deutsch­land und Europa für einen sprung­haf­ten Anstieg der Masern­fälle.

So schla­gen die Weltge­sund­heits-Organi­sa­tion (WHO) und das UN-Kinder­hilfs­werk Unicef in einer gemein­sa­men Stellung­nahme Alarm: Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 seien in Europa offizi­ell 56.634 Fälle in 45 der 53 Länder der Europäi­schen Region gemel­det worden. In vier Fällen verlief die Erkran­kung tödlich. Damit wurde im ersten Quartal 2024 schon fast die Fallzahl des gesam­ten Vorjahrs erreicht (!), als 61.070 Fälle aus 41 Ländern gemel­det wurden. Laut der Auswer­tung [PDF] des Europäi­sches Zentrums für die Präven­tion und die Kontrolle von Krank­hei­ten (ECDC) liegt hierbei Rumänien mit 17.733 gemel­de­ten Infek­tio­nen (und 18 Todes­fäl­len) mit Stand von 7. Juli 2024 deutlich an der Spitze.

Masern hätten verhee­rende Auswir­kun­gen auf die Gesund­heit von Kindern, so die beiden Organi­sa­tio­nen. Mehr als die Hälfte der Erkrank­ten, meist kleine Kinder, müssten ins Kranken­haus. Die hohe Zahl der Kranken­haus­auf­ent­halte und die lang anhal­tende Schwä­chung des kindli­chen Immun­sys­tems machen die Kinder anfäl­li­ger für andere Infek­ti­ons­krank­hei­ten. „Schon ein einzi­ger Masern­fall sollte ein dringen­der Aufruf zum Handeln sein“, bemerkte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regio­nal­di­rek­tor für Europa. Die Masern sind also alles andere als eine „harmlose Kinder­krank­heit“, wie manche Leute sie einschät­zen.

Auch in Deutsch­land häufen sich die Masern­fälle: Am Beispiel Nordrhein-Westfa­len meldet der Kölner Stadt-Anzei­ger [Paywall] 223 Masern-Infek­tio­nen im laufen­den Jahr. Im Jahr 2023 hatte es ganz 15 Fälle gegeben, 2022 ganze zwei. Einen ähnli­chen Trend, wenn auch auf niedri­ge­rem Gesamt­ni­veau, gibt es in Baden-Württem­berg, wie der SWR meldet: Dort wurden, mit Stand von Mitte August, bislang 24 Fälle gemel­det, gegen­über fünf im Vorjahr und nur einem im Jahr 2022.

Masern sind eine hochin­fek­tiöse Krank­heit

Masern gelten aufgrund ihrer extrem leich­ten Übertrag­bar­keit (zum Beispiel Tröpf­chen­in­fek­tion) und der mögli­chen Kompli­ka­tio­nen als gefähr­lich: Eine Anste­ckung mit Masern­vi­ren führt bei nahezu 100 Prozent der (ungeimpf­ten) Kontakt­per­so­nen zu einer Infek­tion, in über 95 Prozent der Fälle zum Krank­heits­aus­bruch mit Sympto­men.

Eine infizierte Person würde ohne vorhan­de­nen Impfschutz in der Bevöl­ke­rung geschätzt rund 12 bis 18 andere Perso­nen anste­cken; damit sind die Masern eine der anste­ckends­ten Infek­ti­ons­krank­hei­ten überhaupt.

Typischer Krank­heits­ver­lauf bei Masern

Die Symptome einer aktiven Infek­tion sind dabei zunächst recht unspe­zi­fisch – sie ähneln erkäl­tungs- und grippe­ähn­li­chen Beschwer­den – und werden deshalb von vielen Betrof­fe­nen nicht richtig wahrge­nom­men oder verharm­lost. Im weite­ren Verlauf kann es zu einer Entzün­dung der Binde­haut­ent­zün­dung („rote Augen“) mit eintre­ten­der Licht­emp­find­lich­keit sowie zu einem Fieber kommen.

Nach drei bis fünf Tagen geht das Fieber zurück; die Betrof­fe­nen fühlen sich zumeist besser und glauben die vermeint­li­che Grippe oder Erkäl­tung überwun­den zu haben – doch das ist ein Trugschluss! Denn der bishe­rige Verlauf stellt nur das Vorsta­dium einer Masern­in­fek­tion dar; nach diesem schließt sich das Haupt­sta­dium mit dem für diese Infek­ti­ons­krank­heit typischem Hautaus­schlag an.

Hautausschlag durch Masern
Der für eine Masern­er­kran­kung typische Ausschlag. Bild: Dr. Heinz F. Eichenwald/CDC

Dieser tritt regel­mä­ßig zuerst hinter den Ohren auf. In der Folge bilden sich am ganzen Körper in unregel­mä­ßi­ger­weise weitere Ausschlags­herde, die im weite­ren Verlauf zu einer einzi­gen Fläche „verschmel­zen“. Mit dem Haupt­sta­dium kommt es auch zu einem neuer­li­chen (starkem) Fieber­schub, der von Fieber­krämp­fen beglei­tet sein kann.

Erst mit dem vollstän­di­gem Verschwin­den des Hautaus­schla­ges sinkt auch die Infek­ti­ons­ge­fahr, die von dem Betrof­fe­nen ausgeht.

Masern sind keines­falls harmlos

Im kollek­ti­ven Bewusst­sein der Indus­trie­na­tio­nen hat sich die Vorstel­lung verfes­tigt, bei den Masern handele es sich um eine harmlose Krank­heit, die zwar im Moment des Krank­heits­aus­bruchs äußerst unange­nehm ist, im Endergeb­nis aber völlig harmlos sei. Zwar ist es zutref­fend, dass die Virus­er­kran­kung meist problem­los ausheilt. Dennoch entwi­ckeln rund 20 Prozent der Betrof­fe­nen in den Indus­trie­na­tio­nen durch­aus Kompli­ka­tio­nen, die zum Teil schwer­wie­gend sind, wie zum Beispiel

  • Mittel­ohr­ent­zün­dung,
  • Pneumo­nie,
  • Infek­tion der oberen Atemwege (ähnlich dem Pseudo­krupp),
  • Menin­go­en­ze­pha­li­tis,
  • Hornhaut­ent­zün­dung (kann zur Erblin­dung führen).

Hierbei gilt: Je älter der Betrof­fene, desto schlim­mer ist der Krank­heits­ver­lauf und desto wahrschein­lich ist das Auftre­ten von Kompli­ka­tio­nen. Entzün­dun­gen im Bereich des Hirns und in den Lungen können dabei durch­aus tödlich enden.

Einen Impfstoff gibt es bereits sei 60 Jahren

Doch soweit muss es gar nicht erst kommen. Bereits seit 1963 existiert einen wirksa­men Impfstoff, er wird meist im Rahmen einer sogenann­ten MMR (Masern, Mumps, Röteln)-Kombinationsimpfung verab­reicht und gilt als gut verträg­lich.

Eine Impfquote von 95 Prozent in der Bevöl­ke­rung gilt im Falle von Masern gemein­hin als Schwelle zur sogenann­ten „Herden­im­mu­ni­tät“: Erreicht die Zahl der in der Bevöl­ke­rung Geimpf­ten diesen Wert, findet das Virus schlicht nicht mehr genug (ungeimpfte) Wirte, um sich verbrei­ten zu können. Die Herden­im­mu­ni­tät ist auch deshalb so wichtig, weil sie indirekt Perso­nen schützt, die sich aus gesund­heit­li­chen Gründen nicht selbst impfen lassen können.

Doch dieses Ziel ist weit entfernt: „Die bundes­weite Impfquote für die von der STIKO empfoh­lene zweite Masern­schutz­imp­fung bei Kindern im Alter von 24 Monaten steigt, lag für den Geburts­jahr­gang 2018 mit Stand vom 9. Dezem­ber 2021 aber weiter­hin nur bei 75,6 Prozent“, schreibt das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium. „Impflü­cken zeigen sich gegen­wär­tig auch bei Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen.“

Masernimpfung
Die Impfung erfolgt zumeist als MMR-Kombi­na­ti­ons­imp­fung.

Masern­schutz­ge­setz trat 2020 in Kraft

Dabei hat der Gesetz­ge­ber vor vier Jahren das Masern­schutz­ge­setz beschlos­sen. Dieses soll helfen , die Masern zum Verschwin­den zu bringen: Seit dem 1. März 2020 müssen Kinder ab dem ersten Lebens­jahr bei Aufnahme in den Kinder­gar­ten oder die Schule eine Masern­imp­fung nachwei­sen können, bezie­hungs­weise ein ärztli­ches Attest über eine bereits überstan­dene Masern­er­kran­kung. Gleiches gilt auch für die in der Schule Beschäf­tig­ten, sowie allge­mein für Mitar­bei­ter von Gemein­schafts- oder medizi­ni­schen Einrich­tun­gen. Die Nachweis­pflicht betrifft dabei sämtli­che Perso­nen, die nach 1970 geboren wurden.

Der Schul­be­such kann – wegen der höher gewich­te­ten Schul­pflicht – ungeimpf­ten Kindern zwar nicht verwehrt werden. Eltern riskie­ren jedoch eine Geldbuße von bis zu 2.500 Euro, wenn sie ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen. Gegen die Neure­ge­lung, die kurz vor dem Aufflam­men der Corona­pan­de­mie in Kraft trat, waren mehrere Perso­nen vor das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt gezogen, im August 2022 wiesen die Karls­ru­her Richter die Klage jedoch endgül­tig ab: Es handele sich um eine Ausrot­tungs­imp­fung, die zum Ziel habe, die Krank­heit endgül­tig zum Verschwin­den zu bringen. Dies recht­fer­tige den Eingriff in die persön­li­che Unver­sehrt­heit.

Angesichts der steigen­den Infek­ti­ons­zah­len rät der Hausärz­tin­nen- und Hausärz­te­ver­band Nordrhein vor den Gefah­ren einer Erkran­kung und rät noch nicht geimpf­ten Erwach­se­nen zur Impfung. Eine Übersicht mit weite­ren Infos hält die Unicef auf ihrer Website bereit.