Mit einem bissigen Beitrag über die Einführung der Landespflegekammer in Nordrhein-Westfalen hat der TV-Comedian Mario Barth in seiner Show eine Debatte über die berufsständischen Kammern ausgelöst. Die Pflegekammer, in der alle aktiven und ehemaligen Pflegekräfte verpflichtend Mitglied sein sollen, bringe für die Pflege nichts, sondern koste sie nur Geld. Eine entscheidende Verbesserung der Bedingungen in der Pflege könne sie dagegen nicht erreichen, so die Vorwürfe. Im Netz gibt es kontroverse Reaktionen auf die Sendung, die am 25. Mai auf RTL zu sehen war.
Kühler Empfang für die „Superpflegerin“
In der 50. Sendung seines Formats „Mario Barth deckt auf“ (Beitrag im zweiten von vier Blöcken, ab 11:30) schlüpft Moderatoren-Kollegin Lisa Feller in die Rolle einer „Superpflegerin“ im Super(wo)man-Kostüm. Die hochmotivierte Pflege-Einsteigerin will durch ihre Mitarbeit in einem Klinikum dabei helfen, die Bedingungen auf Station konkret zu verbessern. Doch kaum auf der Station angekommen, bekommt sie von einer kühl dargestellten Funktionärin erstmal ihren Aufnahmeantrag für die Pflegekammer unter die Nase gehalten. „Aber ich will doch nur helfen?!“ – „Nix da! Name, Anschrift, Kontodaten!“ bekommt sie kalt zurück.
Die Landespflegekammer Nordrhein-Westfalen konstituiert sich seit September 2020, als das Land NRW einen Errichtungsausschuss für das zukünftige Gremium einsetzte. Am 31. Oktober dieses Jahres sollen die ersten Wahlen stattfinden. Grundlage war eine repräsentative Umfrage unter mehr als 1500 Pflegenden, bei der 79 Prozent den Plänen zustimmten, eine Pflegekammer zu errichten. Bis 2027 übernimmt das Land NRW mit jährlich 6,1 Millionen Euro die Finanzierung der Kammer, danach sollen die Pflegenden durch ihre Kammerbeiträge die Arbeit selbst finanziell tragen.
„Die Pflegekammer des Schreckens“
Ein Kernpunkt der Kritik ist, dass die Landespflegekammer keine direkte Wirkung auf bessere Bedingungen wie mehr Gehalt und Flexibilität oder bessere Personalausstattung in den Stationen habe, und im Zweifelsfall auch gegen Mitglieder vorgehen könne, die berufliche Standards verletzen. „Sie denken vielleicht: Mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen, weniger Überstunden? Tja, Pustekuchen! Man macht ihnen bürokratisch das Leben schwer, und am Ende dürfen sie selbst, und wir, die Steuerzahler, dafür blechen“, folgert Feller. Weitere Kritikpunkte sind die erwähnte nur stichprobenartige statt generelle Befragung der Pflegekräfte zu einer zukünftigen Kammer und die Einbeziehung ehemaliger sowie pensionierter Pflegekräfte in die Beitragspflicht.
In Schleswig-Holstein und Niedersachsen hat es nach einer Urabstimmung der Pflegekräfte in den Ländern ein klares Votum für die Auflösung der Kammern gegeben, worauf der TV-Beitrag auch verweist. „Die Pflegekammer des Schreckens“, folgert Feller aus alledem. Weitere kritische Stimmen kommen am Rande einer Kundgebung der Gewerkschaft Verdi gegen die Pflegekammer-Einführung, sowie von einem SPD-Politiker. Immerhin kommt mit Gudrun Haase-Kolkowski, die im Errichtungsausschuss der Pflegekammer NRW sitzt, auch die Gegenseite zu Wort. Nach dem zehnminütigen Einspieler schließt sich eine Studiodebatte mit Mario Barth und seinen Gästen an.
Marc Raschke: „Nicht in ein paar Minuten in Comedyshow abzufrühstücken“
Die Reaktionen in den Sozialen Netzwerken ließen nicht lange auf sich warten – so etwa in den Facebook-Gruppen pro und contra Pflegekammer NRW (oder zu den Pflegekammern im Allgemeinen) sowie von Marc Raschke, einem Moderator und PR-/HR-Berater, der für diverse Gesundheitseinrichtungen tätig ist. Als einen „Schlag in die Fresse der Pflege“ habe er den Beitrag in der Mario-Barth-Show empfunden, berichtet er in seinem zehnminütigen Video-Statement. Es sei wichtig, mit der Pflegekammer eine berufsständische Stimme für die Pflege zu schaffen, die Ansprechpartnerin rund um Arbeitsbedingungen sei und der bislang organisatorisch zersplitterten Pflege endlich eine zentrale Stimme gebe. „Viermal größer als die Ärztekammer“ werde die neue Organisation, unter deren ersten Aufgaben es sei, endlich mal verbindlich festzustellen, wie viele Menschen überhaupt in NRW in der Pflege arbeiteten.
„Verdi repräsentiert die Pflege in NRW nicht“, kritisierte Raschke die Auswahl der Gewerkschaft als Stichwortgeber. Von Anfang an habe die Organisation in Gegnerschaft zu dem Kammersystem gestanden. Anders als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo Pflegende als erstes mit Gebührenbescheiden konfrontiert wurden, werde die Anschubfinanzierung durchs Land in NRW für ein differenzierteres Bild sorgen, ist er überzeugt. „Es sind wichtige Punkte, die man nicht mal so eben in einer Comedyshow in ein paar Minuten abfrühstücken kann.“
1 Kommentar
Der Beitrag bei Mario Barth entspricht den Fakten. Etliche Steuermillionen als Anschubfinanzierung für eine Pflegekammer, die die prekären Bedingungen in der Pflege nicht verbessern kann und dabei ist noch unklar, ab wann die Pflegekammer tatsächlich Mitgliedsbeitrag erheben wird. Auf der Seite des Errichtungsausschusses ist bereits von 2023 die Rede.
Nichtsdestotrotz, die Problematik in der Pflege ist nur zu lösen durch grundlegende Reformen, denn mehr Personal, was logischerweise zur Entlastung, besseren Arbeitsbedingungen und letztendlich für mehr Zeit für den zu Pflegenden und ergo zur Qualitätssicherung in der Pflege führt, muss auch finanziert werden. Diese Grundlage kann aber nur der Gesetzgeber schaffen.