Genauso wie die Grunderkrankung COVID-19 selbst ist auch über Long Covid sehr wenig bekannt. Bisher gibt es noch keine studienbasierte belastbare Evidenz für eine Behandlung. Allerdings ist für die meisten Patienten eine völlige Wiederherstellung sehr wahrscheinlich.
Für die Patienten ist es sinnvoll, sich im ersten Schritt an ihre Hausarztpraxis zu wenden. Diese kann dann bei Bedarf Fachärzte hinzuziehen und die unterschiedlichen Therapien koordinieren. Dabei werden je nach Ausprägung der Symptomatik unterschiedliche Methoden gewählt.
Wichtig bei Long Covid: Pacing
Pacing beruht darauf, die eigenen körperlichen, aber auch psychischen Grenzen zu kennen und so die krankheitsbedingt geringe Energie sinnvoll einzusetzen. So können Erschöpfungszustände – die sogenannten Crashes – vermieden oder zumindest reduziert werden.
Für Long-Covid-Patienten kann es schwierig sein, Pacing zu erlernen. Hilfsmittel wie Herzfrequenzmesser – zum Beispiel ein Fitnesstracker – können eingesetzt werden, um aufzuzeigen, wo die individuelle Belastungsgrenze liegt. Auch das Führen eines Aktivitätstagebuches wird empfohlen. Wichtig ist dabei, nicht nur körperliche Symptome zu notieren, sondern auch die psychische und kognitive Belastung zu überwachen.
Die Schwierigkeit beim Pacing liegt in der Natur von Long Covid: Oft verspüren Patienten zwei oder drei Tage lang eine stetige Besserung, passen ihr Aktivitätslevel entsprechend an – danach folgt der Crash. Leider ist dieser Verlauf eher die Norm als die Ausnahme. Deshalb sollte die Devise immer lauten: Im Zweifelsfall lieber kürzer treten.
Gerade wenn es sich um eigentlich angenehme Aktivitäten wie ein Treffen mit Freunden handelt, sollte man nicht vergessen, das auch das Energie verbraucht. Falls man sich zu viel zugemutet hat, hilft nur eine Pause einzulegen und danach seine Aktivitäten wieder auf ein erreichbares Niveau zu reduzieren. Erst wenn man sich emotional und körperlich wieder stabil fühlt, sollte das Aktivitätsniveau langsam wieder gesteigert werden.
Doktor Google ist nicht immer hilfreich
Speziell für die psychische Gesundheit ist es wichtig, Ängste und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Therapie auszuräumen. Vielen Patienten hilft es, an ihrer Behandlung möglichst aktiv mitarbeiten. Das kann beispielsweise durch das Führen eines Tagebuchs oder über die Selbstüberwachung der Symptome mithilfe von Fitnesstrackern erfolgen.
Behandelnde Ärzte sollten den Patienten dabei unterstützen, sich auf ihre gesunden Aspekte zu konzentrieren. Also die Dinge, die sie nach wie vor gut können.
Besonders wichtig ist es auch, Patienten aufzuzeigen, wie Internetquellen zu bewerten sind: Denn die häufige Konsultation von Doktor Google kann die Erkrankung unnötig dramatisch erscheinen lassen und dazu führen, dass man sich nur noch auf die Symptome konzentriert.
Jedes Long-Covid-Symptom erfordert eine spezifische Therapie
Bei der Behandlung spezifischer Symptome müssen oft mehrere Fachärzte hinzugezogen werden. Wichtig ist es, eine Übermedikation zu vermeiden. So kann orales Kortison bei Atemnot helfen, wenn eine Obstruktion der Bronchien vorliegt. Oft verschwindet aber leichte Atemnot nach einigen Wochen von selbst. Die sogenannte 4711-Atemtechnik – 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden ausatmen, 11-mal wiederholen – kann eine gleichmäßige und nicht zu flache Atmung fördern und so bei Atemnot helfen.
Ein sehr häufiges Symptom ist die Leistungseinschränkung oder Fatigue. Auch hier ist die Prognose grundsätzlich gut insofern, dass nach spätestens drei Monaten die Leistungsfähigkeit wieder das Niveau vor der Erkrankung erreicht haben sollte. Gegen Erschöpfungszustände hilft das oben beschriebene Pacing und nicht zuletzt die Akzeptanz der eigenen Grenzen.
Einige Patienten profitieren von einer Trainingstherapie. Andere berichten von einer Verschlechterung nach körperlicher Anstrengung. Besonders in diesem Bereich sollte man also genau auf den eigenen Körper hören und im Zweifelsfall länger auf körperliche Anstrengungen verzichten.
Mit Riechtraining gegen eingeschränktem Geruchssinn
Für Patienten, deren Geruchssinn nach einer Infektion stark eingeschränkt ist, kann ein Riechtraining sinnvoll sein. Dabei riechen die Betroffenen mindesten zweimal täglich für je zwei Minuten an vier unterschiedlichen Duftölen. Das kann die Re-Organisation der Verbindungen der Riechnerven beschleunigen. Ein Riechtraining sollten mindestens ein halbes Jahr lang durchgeführt werden. Die benötigten Duftöle bekommt man rezeptfrei in vielen Drogerien.
Ein für die Betroffenen besonders unangenehmer Aspekt von Long Covid sind die psychischen Symptome. Viele Patienten erleben depressive Verstimmungen oder Ängste. Wichtig ist, zu erkennen, dass dies meist keine eigenständigen psychischen Erkrankungen sind, weshalb auch sie sich nach einigen Monaten von selbst bessern. Eine Behandlung mit Medikamenten wird nur unter bestimmten Umständen empfohlen.
Im Bereich der Long-Covid-Therapie werden oft auch Nahrungsergänzungsmittel oder homöopathische Mittel empfohlen. Belege für ihre Wirksamkeit fehlen bisher.
Quellen:
- www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020–027p_S1_Post_COVID_Long_COVID_2021-12.pdf
- www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Long-Covid-Mit-Training-und-Therapie-zurueck-ins-Leben,longcovid144.html
- link.springer.com/article/10.1007/s00508-021–01974‑0#Sec120