Im Entwurf des Gesetzes wird die Problemlage in Sachen Personal sehr treffend beschrieben: “Die Arbeit hat sich für viele Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege in den letzten Jahren sehr verdichtet. Die Folgen der gestiegenen Arbeitsbelastung sind unter anderem ein höherer Krankenstand und ein frühzeitiges Ausscheiden von Pflegekräften aus dem Beruf. Werden keine Gegenmaßnahmen eingeleitet, führt dies zu einer Verschärfung des Mangels an Pflegekräften und zu weiter steigenden Belastungen für die verbleibenden Kräfte.”
Personal sollte sich nach Aufwand aufstellen
Leider ziehen die Beteiligten aus dieser Problematik die falschen Schlüsse. Die ursprünglich gute Idee, dass das einzusetzende Personal sich nach dem Aufwand (weitestgehend also nach der Bettenbelegung) bemisst, wird durch diverse Änderungen des Gesetzestextes zunichte gemacht. Statt die beschriebenen Probleme zu entschärfen und für tatsächliche Entlastung zu sorgen, wird das Gesundheitswesen weiter den ökonomischen Zwängen untergeordnet. Zeit für diverse Änderungen des Entwurfs hat sich die Bundesregierung dabei reichlich gelassen. Der ursprüngliche Vorschlag für die Neuregelung wurde bereits im Januar 2020 veröffentlicht.
Mit der Einführung des Gesetzes soll dem Finanzminister nun die Mitbestimmung bei der Festlegung der Menge des Pflegepersonals für die Krankenhäuser ermöglicht werden. Alexander Bluhm, Regionalkoordinator der Region Südwest beim BochumerBund, positioniert sich dazu klar: “[…] Es ist ein Angriff auf unsere Profession, denn wie und wer pflegt, soll zukünftig die Kassenlage entscheiden, wir bewegen uns also von einer evidenzbasierten und am individuellen Bedarf orientierten Pflege hin zu staatlich verordneten Leistungsumfängen.”
Orientierung an der Sparpolitik der letzten Jahrzehnte
Anstatt langfristige Verbesserungen herbeizuführen, die auf Dauer die Stabilität des Gesundheitswesens und insbesondere des Pflegesektors setzen, orientiert man sich weiter an der misslungenen Sparpolitik der letzten 30 Jahre. Von den Mehrkosten, die Verbesserungen des Berufs natürlich mit sich bringen würde, ist im Gesetzesentwurf nun keine Rede mehr. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Aufstockung von 40.000 – 80.000 Pflegenden vor. Wie viele neue Stellen es durch dieses Gesetz geben wird, ist unklar.
Erst kürzlich hat eine Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen belegt, dass Pflegekräfte mit einer Arbeitszeit von bis zu 660.000 Vollzeitstellen dazu bewegt werden könnten, in die Branche zurückzukehren, wenn sich die Zustände bessern (Selbst nach sehr konservativen Schätzungen sind es noch 300.000 Vollzeitkräfte). Die wichtigsten Faktoren sind laut der Studie: erstens mehr Zeit für eine gute Pflege durch mehr Personal und zweitens eine höhere Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten.
Gesetz soll 2024 kommen
Dennoch werden solche Erkenntnisse im Sinne der deutschen Sparpolitik ignoriert und die Angestellten weiter an ihre Grenzen und darüber hinaus getrieben. Das Gesetz, das 2024 in Kraft treten soll, sieht stattdessen vor, jeder Patientin und jedem Patienten Minutenwerte zuzuordnen. Zeit für zwischenmenschliche Gespräche und zusätzliche Wege wird also weiter zurückgehen. Anhand dieser Werte kann die Besetzung dann ständig angeglichen werden. Dass beim aktuellen Personalmangel dadurch mehr Pflegende auf den Stationen arbeiten, ist schwer vorstellbar. Eine Angleichung nach unten wäre dann aber immer eine Möglichkeit.
Alles in allem klingt das Gesetz nach einer Änderung, ähnlich der Einführung der Fallpauschalen. Die Einführung dieser “DRGs” hat 2004 die Arbeitsbelastung in der Pflege massiv verschärft. Es gilt nun also umso mehr für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu kämpfen. Schließt euch Gewerkschaften an, unterschreibt Petitionen und sprecht Missstände an! Wir brauchen eine starke Lobby, die uns vertritt, denn ohne Widerspruch werden wir immer stärker ausgebeutet!
Von Niklas Kemper