Pandemie
Wohin geht die Reise bei der nächs­ten Pande­mie? Bild: André Santana/Pixabay.com

Lektion 1: Deutsch­land muss sich digital weiter­ent­wi­ckeln

Ein Thema, dass gleich zu Beginn der Pande­mie schnell klar wurde: Die Digita­li­sie­rung in Deutsch­land ist unzurei­chend fortge­schrit­ten. Das Bundes­mi­nis­te­rium für Wirtschaft und Energie gibt in einem Gutach­ten von 2021 zu: „Deutsch­land ist sowohl beim Ausbau der digita­len Infra­struk­tur als auch beim Einsatz digita­ler Techno­lo­gien und Dienst­leis­tun­gen hinter viele andere OECD-Staaten zurück­ge­fal­len.“

Corona hat zwar einen Digita­li­sie­rungs­schub ausge­löst, von dem aller­dings in erster Linie Unter­neh­men profi­tiert haben: Viele Firmen haben für die nötige Ausstat­tung gesorgt, um das Tages­ge­schäft digital aufrecht­zu­er­hal­ten.

Aber gerade in Schulen, Gesund­heits­we­sen und öffent­li­cher Verwal­tung hat diese Umstel­lung kaum funktio­niert. Dadurch war beispiels­weise die Nachver­fol­gung von Infek­ti­ons­zah­len kompli­ziert und langwie­rig. Auch in den Schulen zeigten sich Mängel: Online-Video-Unter­richt fand nur spora­disch statt.

Ein Grund dafür ist der Daten­schutz, der in Deutsch­land eine deutlich größere Rolle spielt als in anderen Ländern. Gesund­heits­da­ten gelten als beson­ders sensi­bel, was digitale Innova­tion kompli­ziert macht.

Viele Maßnah­men wie die elektro­ni­sche Patien­ten­akte, das E‑Rezept oder Video­sprech­stun­den sind sind nach wie vor keine Selbst­ver­ständ­lich­keit – hier sind uns andere europäi­sche Länder weit voraus.

Auch die Infra­struk­tur ist in vielen Berei­chen nicht vorhan­den: Neben daten­schutz­kon­for­mer Software mangelt es in vielen Regio­nen immer noch an schnel­len Inter­net­zu­gän­gen.

Lektion 2: Liefer­ket­ten müssen gesichert werden

Lange war die Handels­po­li­tik geprägt von der Überzeu­gung, dass die Globa­li­sie­rung überwie­gend Vorteile bringt. Inter­na­tio­nale Handels­be­zie­hun­gen machten viele Dinge sehr viel günsti­ger.

In der Corona­krise zeigten sich dann die Nachteile: Medizi­ni­sche Schutz­klei­dung wurde knapp, da sie inzwi­schen nicht mehr in Deutsch­land produ­ziert wird. Auch die dringend benötig­ten FFP2-Masken hatten wochen­lange Liefer­zei­ten. Viele Indus­trie­be­triebe mussten die Produk­tion einstel­len, weil notwen­dige Materia­len aus dem Ausland ausblie­ben.

Zwar erholen sich die Liefer­ket­ten inzwi­schen wieder – trotz des Ukraine-Krieges, der auch für Engpässe gesorgt hat. Nach wie vor bestehen aller­dings Liefer­eng­pässe für viele Medika­mente, die in erster Linie durch eine deutli­che gestie­gene Nachfrage bei gleich­zei­tig gesun­ke­nem Angebot verur­sacht werden.

Deshalb hat das Kabinett Anfang April den Entwurf eines „Geset­zes zur Bekämp­fung von Liefer­eng­päs­sen bei patent­freien Arznei­mit­teln und zur Verbes­se­rung der Versor­gung mit Kinder­arz­nei­mit­teln“ beschlos­sen.

Lektion 3: Das Gesund­heits­we­sen muss wider­stands­fä­hi­ger werden

Das Gesund­heits­we­sen hatte während der Pande­mie mit vielen Proble­men zu kämpfen. Neben vermeid­ba­ren Proble­men durch mangelnde Digita­li­sie­rung und fehlende Schutz­aus­rüs­tung wurde vor allem die mangelnde Ausstat­tung des deutschen Gesund­heits­we­sens in Deutsch­land durch Corona beson­ders deutlich.

Ob Gesund­heits­äm­ter, Pflege­heime oder Kranken­häu­ser – überall fehlt es an Perso­nal, Ausstat­tung oder Geld für Renovie­run­gen. Man darf gespannt sein, ob im Rahmen der Kranken­haus­re­form hier zumin­dest die Klini­ken besser gestellt werden.

Auch die „Natio­nale Reserve Gesund­heits­schutz“ zur Sicher­stel­lung von genügend Medika­men­ten und Schutz­mit­teln für Krisen­la­gen, die bereits in der letzten Legis­la­tur­pe­ri­ode beschlos­sen wurde, muss weiter voran­ge­trie­ben werden.

Lektion 4: Soziale Ungleich­hei­ten müssen adres­siert werden

Neben Proble­men im Gesund­heits­we­sen sind auch soziale Ungleich­hei­ten durch die Pande­mie sicht­ba­rer gewor­den. Das zeigte sich in vielen Berei­chen: Menschen mit gerin­gem Einkom­men hatten deutlich mehr finan­zi­elle Einbu­ßen als solche mit höherem Einkom­men.

Die Ausgangs­be­schrän­kun­gen waren für Hausbe­sit­zer leich­ter zu ertra­gen als für Mieter in kleinen Wohnun­gen. Mütter übernah­men deutlich häufi­ger als Väter den Haupt­an­teil der zusätz­lich anfal­len­den Kinder­be­treu­ung.

Aber auch politi­sche Entschei­dun­gen führten dazu, dass sich viele Menschen vom Staat benach­tei­ligt fühlten. Sicher war die Rettung der Wirtschaft mit Milli­ar­den­be­trä­gen nicht falsch. Aller­dings gab es diese Hilfen nicht für Selbst­stän­dige. Während Kirchen­be­su­che weiter­hin erlaubt waren, mussten Kultur­ein­rich­tun­gen schlie­ßen.

Und viele Maßnah­men, die dem Schutz von älteren Menschen dienen sollten, haben praktisch dazu geführt, dass diese ihre Familien nicht mehr sehen durften. Hier muss sich die Politik für die Zukunft darüber Gedan­ken machen, wie sich mehr Menschen in Krisen­la­gen aufge­fan­gen fühlen – denn ohne Solida­ri­tät funktio­niert die beste Impfkam­pa­gne nicht.

Lektion 5: Wir brauchen eine Fehler­kul­tur

Der konstruk­tive Umgang mit den eigenen Fehlern gehört nicht zu den deutschen Stärken. Aber um für die nächste Pande­mie besser gerüs­tet zu sein, ist die Analyse der eigenen Fehler unumgäng­lich.

Ein Schritt in diese Richtung könnte die von der FDP-Fraktion im Bundes­tag gefor­derte Enquete-Kommis­sion sein, die die politi­schen Entschei­dun­gen während der Pande­mie aufar­bei­ten soll.

Andrew Ullmann, gesund­heits­po­li­ti­scher Sprecher der FDP-Fraktion, sieht die Notwen­dig­keit, Lehren aus der Pande­mie zu ziehen: „Wir werden weitere Pande­mien erleben. Darauf müssen wir uns vorbe­rei­ten. Die Enquete-Kommis­sion bietet die Möglich­keit, nach vorne schau­end im wissen­schaft­li­chen Austausch zu arbei­ten, Maßnah­men und Handeln zu bewer­ten und für kommende Ausnah­me­si­tua­tio­nen anzupas­sen.“