Der Einsatz von Zeitarbeitern im Pflegebereich wird seit Monaten diskutiert. Im Vorfeld der Pflegereform hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ein Verbot der Leiharbeit gefordert.
Verbände wie der Paritätische sprachen sich für eine stärkere Regulierung der Leiharbeit aus, da die besseren Arbeitsbedingungen – höhere Stundensätze, mehr Einfluss auf den Dienstplan – festangestellte Pflegekräfte benachteilige.
Auch Bochumer Bund und der Deutsche Pflegerat (DPR) wollen die Arbeitsbedingungen für die Stammbelegschaft verbessern: Ein Verbot ohne Alternativen sei nicht hilfreich.
Neue Regelungen für Leiharbeit
Das Gesetz zur Pflegereform geht den Weg der Regulierung, allerdings nicht so, wie von den Berufsverbänden gefordert. Zur Bewältigung der Personalnot gibt es vier Ansätze:
- Personalpools und Springer: Den Einrichtungen soll ermöglicht werden, den Personalbedarf über eigene Personalpools zu decken. Auch Springerkräfte mit eigenem Dienstplan oder Springerdienste, die gleichmäßig auf alle Pflegefachkräfte im Team verteilt werden, sind möglich.
- Zuschläge: Springer, aber auch Stammkräfte, die kurzfristig Dienste übernehmen, dürfen finanzielle Zuschläge erhalten.
- Vermittlungsentgelte nur in Ausnahmefällen: Kosten für Leiharbeiter in der Langzeitpflege werden nur dann anerkannt, wenn sie nicht höher sind als die der Festangestellten. Vermittlungsentgelte werden nur in Ausnahmefällen anerkannt, bei denen „ein sachlicher Grund“ vorliegt.
- Personalbeschaffung leichter: Die Kosten für die Personalbeschaffung können bei den Pflegevergütungsverhandlungen berücksichtigt werden. Auch die Aufwendungen für die Anwerbung von Personal im Ausland – besonders für den Nachweis einer fairen Anwerbung – können berücksichtigt werden.
So sollen laut Bundesgesundheitsministerium einerseits Pflegekräfte „zügig und spürbar“ entlastet und andererseits die Anzahl der Zeitarbeitskräfte reduziert werden. Ob das klappt, ist unklar.
Zwar verspricht das Gesetz eine Lösung für die Mehrkosten für die Rekrutierung von Personal aus dem Ausland, bei anderen Punkten ist jedoch die praktische Umsetzung fraglich.
Wie sollen die Einrichtungen „Springerpools“ besetzen, wenn die Fachkräfte schlicht nicht zur Verfügung stehen? Und wäre die drohende Insolvenz einer Einrichtung ein sachlicher Grund zur Übernahme der Vermittlungsgebühren bei Zeitarbeitskräften?
Hierzu schreibt das Bundesgesundheitsministerium: „Zu den möglichen sachlichen Gründen wird bis Ende 2023 von den Verbänden der Pflegekassen und der Leistungserbringer unter Beteiligung weiterer Akteure eine Bundesempfehlung erarbeitet. Damit soll auf eine einheitliche Umsetzung der Regelung hingewirkt werden.“
Leiharbeit: Weniger als 2 Prozent aller Beschäftigten
Das stimmt wenig optimistisch: Bereits jetzt müssen Heime schließen, da sie trotz der starken Nachfrage nach Pflegeplätzen nicht genug Personal haben, um alle Betten belegen zu können.
Dieser Trend wird sich nicht dadurch umkehren lassen, dass die Einrichtungen auf den Kosten sitzen bleiben. Abgesehen davon gilt die Kostengrenze für die Leiharbeit in Krankenhäusern bereits seit 2020 – das hat aber nicht dazu geführt, dass weniger Zeitarbeitskräfte in den Kliniken eingesetzt werden.
Im Gegenteil: Laut einem Positionspapier der DKG ist die Leiharbeit auf den Stationen „von der Ausnahme zum Regelfall“ geworden.
Dabei spielt die Leiharbeit de facto gar keine so große Rolle im Pflegebereich, wie die Diskussionen um das Thema vermuten lassen. Im Jahr 2021 gab es laut der Agentur für Arbeit in Deutschland 1,7 Millionen Pflegende. Im gleichen Jahr waren laut Statista insgesamt rund 25.200 Zeitarbeitnehmer im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege tätig.
Das ergibt einen Anteil von 1,4 Prozent Leiharbeitern im Pflegebereich. Die Empörung über die Zeitarbeitsfirmen, die sich auf Kosten von Stammpersonal und Steuerzahler bereichern, wirkt erstaunlich – gerade aus Richtung der Kliniken, die seit über zehn Jahren mit Hilfe von Tochtergesellschaften und Serviceanbietern Personalkosten sparen und nun das erste Mal erleben, dass der freie Markt bei einer gefragten Berufsgruppe nicht immer zu Gunsten des Arbeitgebers wirkt.
Grundsätzlich ist das gegenseitige Abwerben von Fachkräften zwischen Unternehmen völlig normal. Dramatisch wird diese Situation für Kliniken und Einrichtungen nur dadurch, dass sie selbst von den Pflegekassen und damit von den Regulierungen des Gesundheitswesens abhängig sind.
Diese Einschränkungen haben Personaldienstleister nicht: Sie könnten beispielsweise nach wie vor Pflegekräfte an private Seniorenheime vermitteln, deren Bewohner nicht auf die Zuschüsse der Pflegeversicherung angewiesen sind. Und so würde die Pflegereform genau den Zustand befördern, den sie eigentlich verhindern wollte: Dass sich nur noch vermögende Menschen eine Betreuung im Alter leisten können.
Pflegenotstand nicht kurzfristig lösbar
Es ist verständlich, dass die Stammbelegschaft in den Einrichtungen nicht glücklich darüber ist, dass Zeitarbeitskräfte die begehrtesten Schichten übernehmen, während sie selbst nachts und am Wochenende im Einsatz sind.
Aber die oft geforderter Lösung, die Arbeitsbedingungen der Zeitarbeitskräfte denen der Pflege anzupassen, kann keine Lösung sein. Pflegenachwuchskräfte für den leergefegten Arbeitsmarkt lassen sich nur mit besseren Arbeitsbedingungen gewinnen.
Fatal ist, dass niemand Geld ausgeben möchte. Die Pflegereform krankt an genau der mangelnden Finanzierung, die seit langem die Situation der Pflege prägt. Die Pflegeversicherung, die nie als Vollversorgung konzipiert war, macht seit Jahren Verluste im Milliardenbereich. Dem eigentlich geplanten Umbau der Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung hat sich die FDP mit Verweis auf die Schuldenbremse verweigert.
So dreht sich die Diskussion im Kreis: Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege erfordern mehr Personal und höhere Gehälter, Einrichtungen und Kliniken verlangen die Kostenübernahme vom Bund, der die nötigen Gelder nicht zur Verfügung stellt.
Selbst wenn Geld da wäre, sind Pflegefachkräfte nicht sofort verfügbar: Der schlechte Ruf der Branche lässt sich nicht von jetzt auf gleich ändern. Eine „zügige und spürbare“ Entlastung der Pflegenden ist unter diesen Umständen schwer vorstellbar.
Wie wir unter diesen Vorraussetzungen die Gesundheitsversorgung einer immer älter werdenden Gesellschaft stemmen wollen, ist eine Frage, die diese Reform nicht beantwortet.