Das heiß umstrittene Verbot von Leiharbeit in der Pflege ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar – so sieht es zumindest der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags (WD).
In einer vor Kurzem veröffentlichten Ausarbeitung kam das Wissenschaftsteam zu dem Ergebnis, dass ein Verbot ein zu starker Eingriff in die im Grundgesetz garantierte freie Berufswahl darstellen würde.
Schlechterstellung der Stammbelegschaft nicht schwerwiegend genug
Die Forderung nach einem Verbot hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einem Positionspapier „als Ultima Ratio“ zur Diskussion gestellt, sollten andere Maßnahmen nicht greifen. In der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes werden die Hauptkritikpunkte beleuchtet: die Arbeitsbedingungen des Stammpersonals und die Personalkosten für die Einrichtungen.
Im Positionspapier der DKG heißt es:
„Während sich Leiharbeitnehmer immer häufiger Wunscharbeitszeiten zusichern lassen, muss die Stammbelegschaft die verbleibenden, teils unattraktiven Dienste an Wochenenden, Feiertagen und nachts überproportional häufig übernehmen, was die Arbeits-Lebens-Balance langfristig einschränkt und zu zusätzlichen Belastungen führt. Darüber hinaus müssen die angestellten Pflegekräfte und Ärzte die Einarbeitung der Zeitarbeitskräfte übernehmen. Das spaltet am Ende die Belegschaft und verschlechtert die Arbeitsbedingungen.“
Dieser Punkt ist laut der Ausarbeitung jedoch nicht ausreichend: Im Vergleich zu einem Verbot von Leiharbeitskräften im Baugewerbe und in der Fleischwirtschaft sei „weder die bloße Abwanderung von Pflegepersonal in die Leiharbeit noch die dadurch verursachte Verschlechterung von Arbeitsbedingungen beim Stammpersonal“ als eine erhebliche Störung des Teilarbeitsmarkts der Pflege anzusehen.
Auch durch die Leiharbeit verursachte „erhebliche Mängel bei der Einhaltung der arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Regelungen“ liege in der Pflege nicht vor. Das Fazit: „Ein sektorales Verbot der Leiharbeit in der Pflege dürfte daher nicht allein auf die Schlechterstellung der Stammbeschäftigten gegenüber den Leiharbeitskräften gestützt werden können.“
Hohe Kosten für Leiharbeit rechtfertigen kein Verbot
Kliniken und Pflegeeinrichtungen hatten auch die hohen Personalkosten kritisiert, die durch die Zeitarbeit entstehen und nur zum Teil weitergegeben werden können. Dazu die DKG:
„Leiharbeitskräfte sind deutlich teurer als festangestellte und tarifvertraglich entlohnte Mitarbeiter. Im Durchschnitt sind die Personalkosten für Leiharbeitskräfte doppelt so hoch wie für festangestellte Mitarbeiter. Teilweise wird sogar das Vierfache verlangt. Während die Kosten für Leiharbeit in den vergangenen Jahren in der Pflege explodiert sind, können diese zusätzlichen Leiharbeitskosten nicht mehr im Pflegebudget geltend gemacht werden.“
Auch das sieht der Wissenschaftliche Dienst nicht als hinreichende Begründung für ein Verbot an: „Die unbestritten hohen Kosten der Leiharbeit in der Pflege dürften aber für sich genommen als legitimes Ziel eines Leiharbeitsverbots in der Abwägung gegenüber dem damit verbundenen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit ebenfalls nicht für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ausreichen.“
Verbot keine Lösung für Fachkräftemangel
Ein weiteres Argument, dass häufig gegen den Einsatz von Leiharbeitskräften in der Pflege vorgebracht wird: Wenn die Arbeitsplätze bei den Zeitarbeitsfirmen wegfallen – oder zumindest keine besseren Arbeitsbedingungen mehr bieten als eine Festanstellung – würden die Pflegenden wieder in die Einrichtungen zurückkehren.
Der Wissenschaftliche Dienst weist dies allerdings ebenfalls zurück: „Die […] Studie des IW Köln, die vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. in Auftrag gegeben wurde, gelangt jedoch zu dem Ergebnis, dass lediglich 18,2 Prozent der 4.000 befragten Leiharbeitskräfte im Falle eines Verbots der Zeitarbeit in eine Festanstellung wechseln wolle. 55,1 Prozent hätten angegeben, in diesem Fall eine Beschäftigung in einem anderen Segment zu erwägen, und weitere 11,2 Prozent würden ihre Erwerbstätigkeit aufgeben. Mit Blick auf die Ergebnisse dieser Studie würde ein Verbot der Leiharbeit die mit ihr einhergehenden Probleme womöglich nicht lösen, sondern könnte die bestehenden Fachkräfteengpässe im Pflegebereich weiter verschärfen.“
„Weniger einschneidende Maßnahmen zur Beschränkung der Zeitarbeit“
Bevor ein Verbot beschlossen werden kann, müsse der Gesetzgeber weniger einschneidende Maßnahmen, zum Beispiel eine Quotenregelung, prüfen.
Auch das Anfang Juli 2023 in Kraft getretene Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetz (PUEG) sieht der wissenschaftliche Dienst als geeignet an, den Einsatz von Leiharbeitskräften in der Pflege zu reduzieren. Folgende Maßnahmen sind geplant:
- Personalpools und Springer: Den Einrichtungen soll ermöglicht werden, den Personalbedarf über eigene Personalpools zu decken. Auch Springerkräfte mit eigenem Dienstplan oder Springerdienste, die gleichmäßig auf alle Pflegefachkräfte im Team verteilt werden, sind möglich.
- Zuschläge: Springer, aber auch Stammkräfte, die kurzfristig Dienste übernehmen, dürfen finanzielle Zuschläge erhalten.
- Vermittlungsentgelte nur in Ausnahmefällen: Kosten für Leiharbeiter in der Langzeitpflege werden nur dann anerkannt, wenn sie nicht höher sind als die der Festangestellten. Vermittlungsentgelte werden nur in Ausnahmefällen anerkannt, bei denen „ein sachlicher Grund“ vorliegt.
- Leichtere Personalbeschaffung: Die Kosten für die Personalbeschaffung können bei den Pflegevergütungsverhandlungen berücksichtigt werden. Auch die Aufwendungen für die Anwerbung von Personal im Ausland – besonders für den Nachweis einer fairen Anwerbung – können berücksichtigt werden.
Die abschließende Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Maßnahmen zur Regulierung und Begrenzung der Leiharbeit in der Pflege sieht der Wissenschaftliche Dienst als alleinige Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts.
Diese hänge von der konkreten Ausgestaltung und der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs ab. Ein Verbot der Leiharbeit ist nach jetzigem Stand jedoch eher unwahrscheinlich.
3 Kommentare
Wie weit müssen Zeitarbeiter eingewiesen werden? Verpflichtung zu arbeitsplatzbezogenem Brandschutz, ‑Hygiene + ‑Arbeitssicherheit, sowie Geräteeinweisungen, stationsbezogene Abläufe + Pflegestandards, und und und. Geschätzte Zeit hierfür ca. 50–100 Std. Ist besonders bei einmalig/selten gebuchten Personen nicht möglich. Gleichzeitig macht man sich doch strafbar, wenn sie nicht eingewiesen werden? Was sagt die Rechtssprechung zu diesem Problem?
Da ich, Leiharbeiterin, immer wieder Berichte lese in denen geschrieben wird “ Leiharbeiter würden ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen“ möchte ich nu einmal aus der Praxis erzählen.
Es stimmt einige Zeitarbeiter legen Ihre Arbeitszeiten genau fest. Häufig aus dem Hintergrund des Familienlebens. Ein Beispiel der Partner ist ebenfalls Pfleger und es sind Kinder vorhanden. Also ein guter Grund um seine Arbeitszeiten festzulegen da die Versorgung des Kindes sonst nicht gewährleistet ist. Ich habe eigentlich keine zeitlichen Verpflichtungen und arbeite gerne nachts. Und auch gerne Feiertag oder an Wochenenden.
Was eben nicht berichtet wird ist das ich zum beispiel Nächte und Feiertage nicht arbeiten darf. Da die Leitungen der Stationen verbote bekommen. Leiharbeiter an Feiertagen Wochenenden und oder Nächte zu planen, da diese zu teuer sind. Selbst wenn das Stammpersonal sowie die Leiharbeiter sich dies wünschen gibt es hier von oben, entsprechende Anweisungen.
Das ist nur ein Beispiel über Infos aus der Leiharbeit die in den Medien etwas einseitig bedeutet dargestellt wird und auch Stimmung gemacht wird.
Zum Thema Vortbildungen..ich würde sehr gerne eine Vortbildung vor Ort machen bin aber als Leiharbeiter gezwungen alle meine Pflichtfortbildungen über Portale im Internet zu machen. Da Krankenhäuser ihre Fortbildungen größtenteils nur Stammpersonal bewilligen. Nichtmal auf Anfrage um eine z.b. Reanimationsfortbildung gegen eine Pauschale. Das sind die Druckmittel die von oben an die Leiharbeiter gegeben werden. Ob dies der Richtige Weg ist darf jeder selber mal überdenken. Und auch die Info das an Gehaltsanpassungen in KH gearbeitet wird stelle ich schwer in Frage. Wenn Festangestellte mit viel Erfahrung bei Fragen nach Gehaltserhöhung nicht gehalten werden. Sondern gehen gelassen werden, bzw ausgetauscht gegen Neueinsteiger mit niedrigerer Lohnstufe.
Die Pflegekräfte werden weiterhin kleingehalten, bloß nicht zu viel verdienen, bloß nicht flexibel arbeiten können,danke noch mal!