Leiharbeit
Ein Verbot der Leihar­beit würde wohl nicht zur Lösung des Fachkräf­te­man­gels beitra­gen. Bild: Monkey Business Images | Dreamstime.com

Das heiß umstrit­tene Verbot von Leihar­beit in der Pflege ist aus verfas­sungs­recht­li­chen Gründen nicht umsetz­bar – so sieht es zumin­dest der Wissen­schaft­li­che Dienst des Bundes­tags (WD).

In einer vor Kurzem veröf­fent­lich­ten Ausar­bei­tung kam das Wissen­schafts­team zu dem Ergeb­nis, dass ein Verbot ein zu starker Eingriff in die im Grund­ge­setz garan­tierte freie Berufs­wahl darstel­len würde.

Schlech­ter­stel­lung der Stamm­be­leg­schaft nicht schwer­wie­gend genug

Die Forde­rung nach einem Verbot hatte die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) in einem Positi­ons­pa­pier „als Ultima Ratio“ zur Diskus­sion gestellt, sollten andere Maßnah­men nicht greifen. In der Ausar­bei­tung des Wissen­schaft­li­chen Diens­tes werden die Haupt­kri­tik­punkte beleuch­tet: die Arbeits­be­din­gun­gen des Stamm­per­so­nals und die Perso­nal­kos­ten für die Einrich­tun­gen.

Im Positi­ons­pa­pier der DKG heißt es:

„Während sich Leihar­beit­neh­mer immer häufi­ger Wunsch­ar­beits­zei­ten zusichern lassen, muss die Stamm­be­leg­schaft die verblei­ben­den, teils unattrak­ti­ven Dienste an Wochen­en­den, Feier­ta­gen und nachts überpro­por­tio­nal häufig überneh­men, was die Arbeits-Lebens-Balance langfris­tig einschränkt und zu zusätz­li­chen Belas­tun­gen führt. Darüber hinaus müssen die angestell­ten Pflege­kräfte und Ärzte die Einar­bei­tung der Zeitar­beits­kräfte überneh­men. Das spaltet am Ende die Beleg­schaft und verschlech­tert die Arbeits­be­din­gun­gen.“

Dieser Punkt ist laut der Ausar­bei­tung jedoch nicht ausrei­chend: Im Vergleich zu einem Verbot von Leihar­beits­kräf­ten im Bauge­werbe und in der Fleisch­wirt­schaft sei „weder die bloße Abwan­de­rung von Pflege­per­so­nal in die Leihar­beit noch die dadurch verur­sachte Verschlech­te­rung von Arbeits­be­din­gun­gen beim Stamm­per­so­nal“ als eine erheb­li­che Störung des Teilar­beits­markts der Pflege anzuse­hen.

Auch durch die Leihar­beit verur­sachte „erheb­li­che Mängel bei der Einhal­tung der arbeits­recht­li­chen und arbeits­schutz­recht­li­chen Regelun­gen“ liege in der Pflege nicht vor. Das Fazit: „Ein sekto­ra­les Verbot der Leihar­beit in der Pflege dürfte daher nicht allein auf die Schlech­ter­stel­lung der Stamm­be­schäf­tig­ten gegen­über den Leihar­beits­kräf­ten gestützt werden können.“

Hohe Kosten für Leihar­beit recht­fer­ti­gen kein Verbot

Klini­ken und Pflege­ein­rich­tun­gen hatten auch die hohen Perso­nal­kos­ten kriti­siert, die durch die Zeitar­beit entste­hen und nur zum Teil weiter­ge­ge­ben werden können. Dazu die DKG:

„Leihar­beits­kräfte sind deutlich teurer als festan­ge­stellte und tarif­ver­trag­lich entlohnte Mitar­bei­ter. Im Durch­schnitt sind die Perso­nal­kos­ten für Leihar­beits­kräfte doppelt so hoch wie für festan­ge­stellte Mitar­bei­ter. Teilweise wird sogar das Vierfa­che verlangt. Während die Kosten für Leihar­beit in den vergan­ge­nen Jahren in der Pflege explo­diert sind, können diese zusätz­li­chen Leihar­beits­kos­ten nicht mehr im Pflege­bud­get geltend gemacht werden.“

Auch das sieht der Wissen­schaft­li­che Dienst nicht als hinrei­chende Begrün­dung für ein Verbot an: „Die unbestrit­ten hohen Kosten der Leihar­beit in der Pflege dürften aber für sich genom­men als legiti­mes Ziel eines Leihar­beits­ver­bots in der Abwägung gegen­über dem damit verbun­de­nen erheb­li­chen Eingriff in die Berufs­frei­heit ebenfalls nicht für eine verfas­sungs­recht­li­che Recht­fer­ti­gung ausrei­chen.“

Verbot keine Lösung für Fachkräf­te­man­gel

Ein weite­res Argument, dass häufig gegen den Einsatz von Leihar­beits­kräf­ten in der Pflege vorge­bracht wird: Wenn die Arbeits­plätze bei den Zeitar­beits­fir­men wegfal­len – oder zumin­dest keine besse­ren Arbeits­be­din­gun­gen mehr bieten als eine Festan­stel­lung – würden die Pflegen­den wieder in die Einrich­tun­gen zurück­keh­ren.

Der Wissen­schaft­li­che Dienst weist dies aller­dings ebenfalls zurück: „Die […] Studie des IW Köln, die vom Bundes­ar­beit­ge­ber­ver­band der Perso­nal­dienst­leis­ter e.V. und dem Inter­es­sen­ver­band Deutscher Zeitar­beits­un­ter­neh­men e.V. in Auftrag gegeben wurde, gelangt jedoch zu dem Ergeb­nis, dass ledig­lich 18,2 Prozent der 4.000 befrag­ten Leihar­beits­kräfte im Falle eines Verbots der Zeitar­beit in eine Festan­stel­lung wechseln wolle. 55,1 Prozent hätten angege­ben, in diesem Fall eine Beschäf­ti­gung in einem anderen Segment zu erwägen, und weitere 11,2 Prozent würden ihre Erwerbs­tä­tig­keit aufge­ben. Mit Blick auf die Ergeb­nisse dieser Studie würde ein Verbot der Leihar­beit die mit ihr einher­ge­hen­den Probleme womög­lich nicht lösen, sondern könnte die bestehen­den Fachkräf­te­eng­pässe im Pflege­be­reich weiter verschär­fen.“

„Weniger einschnei­dende Maßnah­men zur Beschrän­kung der Zeitar­beit“

Bevor ein Verbot beschlos­sen werden kann, müsse der Gesetz­ge­ber weniger einschnei­dende Maßnah­men, zum Beispiel eine Quoten­re­ge­lung, prüfen.

Auch das Anfang Juli 2023 in Kraft getre­tene Pflege­un­ter­stüt­zungs- und ‑entlas­tungs­ge­setz (PUEG) sieht der wissen­schaft­li­che Dienst als geeig­net an, den Einsatz von Leihar­beits­kräf­ten in der Pflege zu reduzie­ren. Folgende Maßnah­men sind geplant:

  • Perso­nal­pools und Sprin­ger: Den Einrich­tun­gen soll ermög­licht werden, den Perso­nal­be­darf über eigene Perso­nal­pools zu decken. Auch Sprin­ger­kräfte mit eigenem Dienst­plan oder Sprin­ger­dienste, die gleich­mä­ßig auf alle Pflege­fach­kräfte im Team verteilt werden, sind möglich.
  • Zuschläge: Sprin­ger, aber auch Stamm­kräfte, die kurzfris­tig Dienste überneh­men, dürfen finan­zi­elle Zuschläge erhal­ten.
  • Vermitt­lungs­ent­gelte nur in Ausnah­me­fäl­len: Kosten für Leihar­bei­ter in der Langzeit­pflege werden nur dann anerkannt, wenn sie nicht höher sind als die der Festan­ge­stell­ten. Vermitt­lungs­ent­gelte werden nur in Ausnah­me­fäl­len anerkannt, bei denen „ein sachli­cher Grund“ vorliegt.
  • Leich­tere Perso­nal­be­schaf­fung: Die Kosten für die Perso­nal­be­schaf­fung können bei den Pflege­ver­gü­tungs­ver­hand­lun­gen berück­sich­tigt werden. Auch die Aufwen­dun­gen für die Anwer­bung von Perso­nal im Ausland – beson­ders für den Nachweis einer fairen Anwer­bung – können berück­sich­tigt werden.

Die abschlie­ßende Beurtei­lung der Verfas­sungs­mä­ßig­keit gesetz­li­cher Maßnah­men zur Regulie­rung und Begren­zung der Leihar­beit in der Pflege sieht der Wissen­schaft­li­che Dienst als allei­nige Aufgabe des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts.

Diese hänge von der konkre­ten Ausge­stal­tung und der Schwere des damit verbun­de­nen Grund­rechts­ein­griffs ab. Ein Verbot der Leihar­beit ist nach jetzi­gem Stand jedoch eher unwahr­schein­lich.