Lauterbach
Reform­vor­schläge von Lauter­bach und seiner Regie­rungs­kom­mis­sion: „Eine Revolu­tion!“ Bild: Deutscher Bundestag/Parlamentsfernsehen

Deutsche Kranken­häu­ser sollen ihre Patien­tin­nen und Patien­ten künftig mehr nach medizi­ni­schen und weniger nach wirtschaft­li­chen Krite­rien behan­deln.

Um dieses Ziel zu errei­chen, hat Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach umfas­sende Reform­vor­schläge vorge­stellt.

„Die Medizin wird wieder in den Vorder­grund der Thera­pie gestellt und folgt nicht die Ökono­mie“, versprach Lauter­bach. Aktuell hätten die Kranken­häu­ser massive Probleme. Bedingt durch die sogenann­ten Fallpau­scha­len, d.h. der Bezah­lung für Behand­lun­gen nach pauscha­len Sätzen.

Durch diese Art der Vergü­tung kämen die Klini­ken „in ein Hamster­rad“, das dazu verleite, möglichst viele Behand­lun­gen auf möglichst kosten­güns­tige Art durch­zu­füh­ren. In diesem System gebe es eine Tendenz zu billi­ger Medizin, erklärte Lauter­bach.

Die schwie­rige Lage in den Kinder­kli­ni­ken sei nur exempla­risch für das, was das Kranken­haus­sys­tem aktuell insge­samt erleide.

Drei neue Krite­rien

Die Regie­rungs­kom­mis­sion zur Kranken­haus­ver­sor­gung schlägt vor, Klini­ken statt­des­sen nach drei neuen Krite­rien zu honorie­ren:

  • Das erste Krite­rium sind die Vorhal­te­leis­tun­gen: Für Perso­nal, eine Notauf­nahme oder notwen­dige Medizin­tech­nik sollen demnach feste Beträge fließen.
  • Als zweites Krite­rium sollen die Kranken­häu­ser in drei verschie­dene Versor­gungs­stu­fen einge­teilt werden: Klini­ken für die Grund­ver­sor­gung, für Notfälle und grund­le­gende chirur­gi­sche Eingriffe, Klini­ken für die „Regel- und Schwer­punkt­ver­sor­gung“ mit weite­ren Leistun­gen und schließ­lich die Unikli­ni­ken für die „Maximal­ver­sor­gung“.
  • Das dritte Krite­rium sollen sogenannte Leistungs­grup­pen sein, denen die Fachab­tei­lun­gen von Kranken­häu­sern grob zugeteilt werden. Damit soll sicher­ge­stellt werden, dass nur solche Klini­ken bestimmte Behand­lun­gen abrech­nen können, die sich ausken­nen und ausrei­chend dafür ausge­stat­tet sind.

Der Koordi­na­tor der Regie­rungs­kom­mis­sion, Tom Bschor, warnte, dass die Kranken­haus­ver­sor­gung kolla­bie­ren werde, wenn nicht jetzt refor­miert werde – mit katastro­pha­len Konse­quen­zen.

Die Überver­sor­gung in bestimm­ten Berei­chen müsse ebenso gestoppt werden wie die Unter­ver­sor­gung in anderen, beispiels­weise in der Kinder­heil­kunde, so der langjäh­rige Chefarzt einer Berli­ner Klinik.

„So kann es nicht weiter­ge­hen“, sagte Bschor. Viele Babyboo­mer stünden vor der Rente, der Perso­nal­be­darf in Klini­ken sei hoch. Außer­dem seien in einer älter werden­den Gesell­schaft mehr Patien­tin­nen und Patien­ten zu erwar­ten.

Lauter­bach: Revolu­tion im System

Die geplante Reform solle einen Schwer­punkt seiner Arbeit in den kommen­den Jahren bilden, sagte Gesund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach. Sie sei eine „Revolu­tion im System“.

„Die Menschen können sich darauf verlas­sen, dass die Kranken­häu­ser, die wirklich gebraucht werden, zum Beispiel auch in ländli­chen Gebie­ten und in den Stadt­tei­len, wo es wenig Versor­gung gibt, auch überle­ben können, ohne dass sie immer mehr Fälle behan­deln müssen“, versprach Lauter­bach.

Reaktio­nen: Ampel­frak­tio­nen begrü­ßen Vorschläge

Die Fraktio­nen der Ampel­ko­ali­tion begrüß­ten die Vorschläge. „Finan­zi­elle Anreize dürfen nicht leitend sein für die medizi­ni­sche Versor­gung“, sagte der gesund­heits­po­li­ti­sche Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen.

„Es braucht hier endlich wieder ein gesun­des Gleich­ge­wicht.“ Es sei gut, zu betonen, wie wichtig eine stärker an der Daseins­vor­sorge orien­tierte Finan­zie­rung der Klini­ken sei – wie bei der Feuer­wehr oder der Polizei.

SPD-Frakti­ons­vize Dagmar Schmidt nannte die Kommis­si­ons­vor­schläge eine gute Grund­lage, um die Versor­gungs­qua­li­tät zu stärken und den wirtschaft­li­chen Druck aus ärztli­chen Behand­lun­gen zu nehmen. „Das heißt: Quali­tät rechnet sich wieder mehr.“

Der FDP-Gesund­heits­experte Andrew Ullmann betonte, die Vorschläge seien „gute Richt­mar­ken“. Die FDP wolle bei den weite­ren Beratun­gen darauf achten, dass der Fokus nicht nur auf den Klini­ken liege, sondern auch die nieder­ge­las­se­nen Ärztin­nen und Ärzte einge­bun­den würden.

Kranken­haus­ge­sell­schaft fordert Gesamt­kon­zept

Die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft sprach sich für ein Gesamt­kon­zept aus. „Das ständige Heraus­lö­sen von Einzel­lö­sun­gen bringt mehr Verwer­fun­gen als Fortschritt im System“, sagte Vorstands­chef Gerald Gaß den Zeitun­gen der Funke-Medien­gruppe.

Die Finan­zie­rungs­lü­cke bei Betriebs- und Inves­ti­ti­ons­kos­ten der Kranken­häu­ser müsse geschlos­sen werden, bevor es zu einer Umver­tei­lung komme.

Der Chef des Dachver­ban­des der Betriebs­kran­ken­kas­sen, Franz Knieps, zeigte sich zufrie­den: „Die Regie­rungs­kom­mis­sion hat ein mutiges und inter­es­san­tes Modell zur Neuord­nung der Kranken­haus­fi­nan­zie­rung vorge­legt.“

Quelle: BMG, DKG, Funke Medien­gruppe