Karl Lauterbach (SPD) verspätet sich. Im Saal wird über die Gründe spekuliert. „Er kommt schon, aber er wird nicht lange bleiben,“ kommentiert ein Zuschauer.
Der Bundesgesundheitsminister muss auf dem diesjährigen Krankenhausgipfel seine Krankenhausreform verteidigen. Er hat keinen leichten Auftritt vor sich: Die Krankenhäuser – vertreten durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die den Gipfel veranstaltet – fürchten um ihre Existenz. Die Länder dagegen haben Angst vor Bevormundung: Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein lassen gerade die Verfassungsmäßigkeit der Reform prüfen.
Lauterbach hatte im Vorfeld Reformpläne zur Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen scharf kritisiert – was wiederum die DKG nicht guthieß: „Die Aufforderung des Ministers an die Krankenhäuser im größten Bundesland, den dort laufenden Krankenhausplanungsprozess zu verlassen, gefährdet die Suche nach einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern mitten in den laufenden Gesprächen. Wir sind einigermaßen sprachlos, und uns fehlt die Fantasie, wie in dieser Gemengelage in absehbarer Zeit eine einvernehmliche Lösung zwischen Lauterbach und den Ländern gefunden werden soll“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.
DKG fürchtet flächendeckende Insolvenz
Die finanzielle Lage der Krankenhäuser ist laut DKG desaströs. Gaß brachte die Position der Krankenhäuser schon in der Eröffnung der Veranstaltung auf den Punkt: „Wenn Bundesminister Lauterbach seine in Aussicht gestellte Krankenhausreform als Rettung der von Insolvenz bedrohten Häuser darstellt, ohne aber unverzüglich lebensrettende Sofortmaßnahmen einzuleiten, dann wird er am Ende Krankenhäuser retten, die schon längst nicht mehr existieren.“
In seiner Eröffnungsrede appelliert er direkt an den inzwischen eingetroffenen Lauterbach: „Besprechen Sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern einen großen Investitionsfonds.“
Was Lauterbach vorhat, ist eine radikale Umgestaltung des Systems. Kliniken sollen zukünftig in die drei Kategorien Grundversorgung, Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung eingeordnet werden. Auch das Vergütungssystem soll sich ändern: Für Fixkosten wie Personal, Technik oder Notaufnahmen sollen die Kliniken mehr Geld erhalten, das bisher geltende Fallpauschalen-System soll dagegen abgeschafft werden.
Bisher ist allerdings völlig unklar wie dieses große Vorhaben insgesamt finanziert werden soll. „Während von allen anderen Kabinettsmitgliedern umfangreiche Anmeldungen für den Bundeshaushalt 2024 zu vernehmen sind, hört man aus dem Bundesgesundheitsministerium nichts. Herrn Lindner wird es freuen, die Leidtragenden sind die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Patientinnen und Patienten“, sagt Gaß.
Lauterbach: „Habe nie unterstellt, dass die Qualität in deutschen Krankenhäusern schlecht ist.“
Als Lauterbach ans Rednerpult tritt, spricht er bewusst versöhnlich. Er verweist auf die schwierige Lage der Kliniken – diese seien „in größter Not.“ Investitionsstau, Personalmangel und die Inflation machten den Krankenhäusern zu schaffen. „Wenn wir die Reform nicht machen sollten, sehe ich für viele Krankenhäuser keine Perspektive.“
Die Einteilung der Krankenhäuser verbessere die Qualität der medizinische Versorgung: „Wenn wir Spitzenmedizin wollen, muss es Level 3 geben.“ Er habe allerdings nie unterstellt, dass die Qualität in deutschen Kliniken schlecht sei – nach dem Gemurmel im Zuschauerraum ist das offensichtlich nicht so angekommen.
Lauterbach möchte die ambulante Versorgung in den Kliniken stärken. Viele Eingriffe, die stationär vorgenommen werden, könnten „sehr gut ambulant gemacht werden.“ Er hob hervor, dass die Versorgung im ländlichen Gebiet gesichert bleiben solle. Kleinere Krankenhäuser sollen die Bedürfnisse der Kommunen bedienen.
Krankenhausreform nur mit den Ländern
Auch bei den anwesenden Politikern setzt Lauterbach auf Harmonie. Noch vor kurzem hatte er den nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gewarnt, eigene Reformpläne weiterzuverfolgen – dafür werde es kein Geld vom Bund geben. Jetzt allerdings betont Lauterbach: „Die Reformen [auf Länderebene] sind Bausteine, auf die wir aufbauen können. […] Diese Reform wird mit den Ländern beschlossen.“
Laumann scheint nicht völlig überzeugt. In der anschließenden Diskussion stellt er klar, dass die Länder ihre Kompetenzen der Krankenhausplanung behalten müssten: „Ich kann nicht zulassen, dass wir eine Bundesschablone über die Krankenhäuser legen.“ Die Versorgung in Deutschland sei sehr unterschiedlich. Auch die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) will die Gestaltungshoheit der Länder bei der Klinikplanung nicht aufgeben. Beide fordern einen konkreten Gesetzentwurf bis Ende des Jahres.
Die Opposition stellt diesen Zeitplan bereits in Frage. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), hatte Lauterbach am Montag bei SWR Aktuell vorgeworfen, die Länder mit der geplanten Krankenhausreform vor den Kopf zu stoßen: „Der Bundesgesundheitsminister geht nicht kooperativ vor und wundert sich jetzt, dass die Länder sagen: ‚So geht das nicht.‘ “ Laut Sorge hätte man Länder und Kliniken bereits in der Konzeptionsphase der Reform stärker einbinden müssen.
Wenn die Reform am 1. Januar in Kraft treten solle, werde es „schon sehr, sehr knapp“.