Nach einer etwas vagen Ankündigung im Juni dieses Jahres hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Ende Juli konkrete Maßnahmen für seinen Hitzeschutzplan vorgestellt. Mit einem ehrgeizigen Ziel: Laut Berechnungen des Robert-Koch-Institut (RKI) sind im Jahr 2022 rund 8.000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Hitze gestorben. Lauterbach will erreichen, dass diese Zahl unter 4.000 sinkt.
Hitzeschutzplan: Das sind die Maßnahmen
- Hitzewarnungen: Das Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) soll stärker eingebunden werden, so dass Hitzewarnungen über möglichst viele Kanäle verbreitet werden. Dazu gehören Radiosender, Social Media, SMS und die Warn-App NINA.
- Akutmaßnahmen: Auf Länderebene sollen Möglichkeiten geprüft werden, bei entsprechenden Hitzewarnungen sofort Akutmaßnahmen zu starten, zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern.
- Hitzemonitoring: Das RKI erstellt im Sommer 2023 erstmals wöchentliche Auswertungen zur Übersterblichkeit durch Hitze. Um die Gesundheitsberichterstattung weiterzuentwickeln, vernetzt man sich mit dem französischen Gesundheitsministerium, das schon länger ein Monitoring durchführt.
- Aufklärung: Auf der Website klima-mensch-gesundheit.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) finden sich Informationen rund um die Auswirkungen von Hitze und UV-Strahlung sowie Alltagstipps, wie man sich schützen kann. Auch eine Plakatkampagne läuft.
- Unterstützung der Kommunen: Das HitzeService-Portal (LMU München) soll Kommunen die Planung von Hitzeschutzmaßnahmen leichter machen.
- Kooperation mit Hausarztpraxen: Hausarztpraxen sollen Risikopatienten verstärkt auf die Gefahren von Hitzewellen und geeignete Schutzmaßnahmen aufmerksam machen, zum Beispiel durch das Aushängen von Infoplakaten in den Praxen. Auch eine gezielte Ansprache von Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Asthma ist denkbar. Zusätzlich soll es Schulungen zum Thema Hitzeschutz geben.
- Unterstützung von Pflegeeinrichtungen: Im ersten Schritt sollen Pflegeeinrichtungen über aktuelle Konzepte zum Hitzeschutz informiert werden. Auch eine bundeseinheitliche Empfehlung für einrichtungsspezifisch Maßnahmen ist im Gespräch, die bis zum Sommer 2024 vom Qualitätsausschuss Pflege entwickelt werden soll. Für zu Hause betreute Pflegebedürftige und deren Angehörige wird ebenfalls Informationsmaterial zur Verfügung gestellt.
Hitzeschutzplan: Zu wenig, zu spät?
Kritik für Lauterbachs Pläne gibt es aus unterschiedlichen Richtungen. Dorothea Baltruks vom Centre for Planetary Health Policy begrüßte im Gespräch mit dem SPIEGEL die Pläne des Ministers, mahnte aber Probleme bei der Umsetzung an.
Denn Frankreichs Hitzeschutzplan, den Lauterbach sich zum Vorbild nimmt, ist auf Deutschland nur bedingt übertragbar, da anders als in Frankreich im deutschen Föderalismus viele Aufgaben bei Bundesländern und Kommunen liegen.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung für Patientenschutz, kritisierte, dass das BMG es sich zu leicht mache: „Aneinanderreihungen von Selbstverständlichkeiten sind kein Hitzeschutzplan. Apps, Plakate und Warnmeldungen senken die Temperaturen in den Räumen von Kranken und Pflegebedürftigen um kein Grad Celsius.“ Ein Hitzeschild sei nicht zum Nulltarif zu haben.
Die Finanzierung ist in der Tat unklar. Bis jetzt ist nicht die Rede davon, dass Gelder für die Umsetzung der Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber viele Maßnahmen, die in der Informationskampagne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) angesprochen werden, machen Investitionen notwendig, zum Beispiel für mehr Personal in Pflegeeinrichtungen.
Denn speziell die Pflegenden sind bei Hitzewellen extrem gefordert: Sie leiden selbst unter den hohen Temperaturen, können sich aber gleichzeitig nicht schonen, da sie ältere Einrichtungsbewohner zur Abkühlung waschen oder verschwitzte Bettwäsche wechseln müssen.
Der Deutsche Caritasverband und das Deutsche Rote Kreuz kritisierten auch die mangelnde Finanzierung baulicher Veränderungen: Die Hitzedämmung von Gebäuden oder der Einbau von Jalousien ist teuer, die finanziellen Kapazitäten sind gerade bei gemeinnützigen Trägern nicht vorhanden.
Länder gegen Bund: Wer bezahlt den Hitzeschutzplan?
Wie so oft schieben sich Bund und Länder hier gegenseitig die Verantwortung zu: In einer Stellungnahme gegenüber der Tagesschau sagte das BMG, die Personalausstattung werde zwischen den Pflegekassen und den Verbänden der Pflegeeinrichtungen vereinbart.
Es sei Sache der Einrichtungen, den höheren Versorgungsbedarf während der Hitzeperioden in der Personalplanung zu berücksichtigen. Für die Investitionskosten seien die Länder zuständig. Claudia Moll, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, teilt diese Ansicht: Die Länder müssten ihrer Pflicht nachkommen, die Gebäude der Einrichtungen an die veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen.
Die Länder allerdings verweisen auf die Einrichtungsträger, die – so das Sozialministerium in Mainz gegenüber der Tagesschau – für betriebsbedingte Investitionen Umlagen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern erheben könnten.
Nicht zuletzt sehen sie den Bund in der Verantwortung: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte zusätzliche Finanzmittel vom Bund zur Finanzierung zusätzlicher Hitzeschutzmaßnahmen. Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Holetschek, der Bund dürfe keine Maßnahmen beschließen, deren Umsetzung Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kommunen vor finanzielle Probleme stellt.
Die Union bezeichnetet Lauterbachs Pläne als Alarmismus. Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion im Bundestag, kritisierte Lauterbachs Kommunikation als unangemessen, da die große Mehrheit der Bevölkerung längst gut darüber informiert sei, wie man mit Hitze umgehen könne. Der „gesunde Menschenverstand“ solle die Richtschnur im gesellschaftlichen Umgang mit zunehmender Hitze in Deutschland sein, so Sorge weiter.
Kommentar: Nachhaltiger Hitzeschutz verlang mehr
Fest steht: Die Temperaturen steigen seit Jahren an. Damit werden die Herausforderungen beim Hitzeschutz weiter wachsen – in der Stadtplanung genauso wie in der Ausstattung einzelner Gebäude. Besonders für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, aber auch für uns alle ist ein Ende der gesundheitlichen Belastungen nicht absehbar.
So lobenswert es ist, dass sich die Regierung darum kümmern will, Menschen vor den Folgen der Hitze zu schützen: Nachhaltiger wäre es, sich konsequent auf den Klimaschutz zu konzentrieren. Das Nachrüsten von Klimaanlagen wird uns langfristig nicht helfen.