Der Kunde Alan war von dem gekauften Produkt nicht überzeugt. „Lachgas?!?!? Dass ich nicht lache“, fasst er seine Ernüchterung über die 640 Gramm „N2O für Sahnebereiter“ in der Geschmacksrichtung Erdbeere in seiner Online-Rezension zusammen. Für „null Lachflash“ und die „reine Geldmacherei“ gibt es von ihm konsequenterweise auch nur einen Stern.
Für Marcell, einen anderen verifizierten Käufer, sind „Geschmack und Wirkung TOP“.Es wird zwar nicht eindeutig klar, ob nun die Erdbeersahne seine Geschmacksnerven erobert hat oder ob auch Marcell die umgangssprachliche Bezeichnung Lachgas wörtlich genommen hat, die sich hinter der Produktbezeichnung N2O verbirgt – auf alle Fälle aber ist ihm seine Errungenschaft 5 Sterne wert.
Lachgas zum Snacken
Das Lachgas mit Erdbeergeschmack ist im Internet ab etwa 18 Euro erhältlich. Das mag viel Geld sein für ein Produkt, das nicht hält, was es vermeintlich verspricht, wie im Fall von Alan. Es mag auch viel sein, wenn es von zwei begeisterten Konsumenten innerhalb von 40 Minuten aufgebraucht wird, wie im Fall von Marcell.
Wenn man das Gas aber nicht als freiverkäufliches Treibmittel zum Aufschäumen von Sahne oder als Narkosemittel beim Zahnarzt benutzt, sondern als Droge missbraucht, ist es vergleichsweise günstig.
In Deutschland ist diese Droge dazu sehr leicht und quasi ohne Altersbeschränkung zu beschaffen – nicht nur im Internet, sondern auch an Verkaufsstellen wie Kiosk oder Snackautomaten.
Aus diesem Grund steht Lachgas seit einigen Tagen auch wieder im Fokus. Es hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einer beliebten Partydroge entwickelt, besonders unter Jugendlichen.
Daher warnen immer mehr Politiker, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach, aber auch Elternvertreter und Medizinexperten vor den Gefahren und fordern ein Verkaufsverbot an Miderjährige und andere gesetzliche Verkaufsbeschränkungen. Vorbild sind hierbei Länder wie Großbritannien, die Niederlande, Dänemark oder die Schweiz, wo entsprechende Regulierungen bereits existieren.
Das Phänomen Lachgas ist nicht neu
Das farblose, leicht süßlich riechende Gas hat als Droge nicht zum ersten Mal Konjunktur in Europa. Schon im 18. Jahrhundert soll sich die britische Oberschicht auf Partys daran berauscht haben. In den 1960er Jahren soll das Gas verstärkt den Weg in die Drogenszene gefunden haben, wenn auch in geringerem Ausmaß als heute.
Dieses geringere Ausmaß lässt sich allerdings kaum mit dem heutigen Ausmaß in Deutschland vergleichen oder gar beziffern: Da der Besitz und Konsum von Lachgas hierzulande legal sind, gibt es keine genauen Zahlen.
Einzelne Berichte, wie das „Lagebild Rauschgiftkriminalität“ des Landeskriminalamtes NRW oder kontinuierliche Fälle von Lachgas-Missbrauch in einer Neurologie, liefern aber Anhaltspunkte für den steigenden Konsum.
Lachgas ist nicht harmlos
Als Partydroge wird Lachgas in der Regel aus einem befüllten Ballon inhaliert, was einen starken Rausch auslöst. Die einsetzende Euphorie, Benommenheit und leichte Halluzinationen halten aber meist nur bis zu ein paar Minuten an – was einerseits Harmlosigkeit suggeriert und andererseits zur Wiederholung einlädt.
Doch Lachgas ist nicht harmlos und kann besonders bei übermäßigem Konsum starke Beschwerden und langfristig neurologische Schäden zur Folge haben. Darunter fallen zum Beispiel:
- allgemein: Sauerstoffmangel in Gehirn und Organen sowie negative Auswirkungen auf den Vitamin-B12-Spiegel
- Taubheitsgefühle, Lähmungen, Muskelschwäche in Armen und Beinen
- Hirnschäden
- Halluzinationen oder Wahnvorstellungen
- starke Kopfschmerzen, Krämpfe
- Bewusstlosigkeit
- Schwindel, Orientierungslosigkeit, erhöhtes Sturzrisiko
- Erfrierungen bei direktem Konsum aus der Kartusche, z.B. an Lippe, Fingern, Lunge
- psychische Abhängigkeit
Partybotschaft angekommen
Dass heute augenscheinlich mehr Lachgas als Droge konsumiert wird, als in den 1960er Jahren, liegt neben dem niederschwelligen Zugang sicherlich auch an der Produktvielfalt, spaßigen Aufmachungen und zahlreichen „Verpackungsgrößen“.
Sie reichen – im Gegensatz zu den damals üblicherweise großen Zylindern – von einzelnen Sahnekartuschen und Anfänger-Sets über 4‑Kilo-Lachgasbehälter-Flaschen bis hin zu Lachgas-Ballons, die laut Anbieter „beim Lachgaseinsatz an einem gemütlichen und geselligen Abend für eine extra festliche Atmosphäre“ sorgen sollen.
Von Droge zu Droge
In Großbritannien und den Niederlanden ist Lachgas als Droge eingestuft. In Deutschland forderte gerade die niedersächsische Landesregierung Lachgas im Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz aufzunehmen.
Das Gesetz wurde geschaffen, um sogenannte „Legal Highs“ zu verbieten. Dabei handelt es sich um gefährliche Drogen, die im Anschein vermeintlicher Legalität mit kleinen chemischen Veränderungen immer schneller auf den Markt gebracht werden können.
Ob das Gesetz im Fall von Lachgas greifen kann, wird sich zeigen. Zuletzt hat Cannabis gezeigt, wie eine Diskussion um einen Stoff und dessen gesetzliche Verankerung ausarten kann, wenn industrielle, medizinische und private Anwendungsbereiche aufeinandertreffen. Wenn es beim Lachgas genauso läuft, dürfte es noch eine lange Geschichte werden.
FAQ
Warum soll Lachgas reguliert werden?
Lachgas ist ein Treib- und Narkosemittel, welches in der Industrie, Gastronomie und Medizin zum Einsatz kommt. Es wird aber auch als Partydroge missbraucht und erfreut sich besonders bei Jugendlichen immer größerer Beliebtheit.
Warum ist Lachgas eine Partydroge?
Lachgas ist verhältnismäßig günstig und leicht zu beschaffen, zum Beispiel im Internet oder an Snackautomaten. Der Besitz und Konsum ist in Deutschland nicht verboten. Konsumiert wird es in der Regel über einen befüllten Ballon, aus dem das Lachgas inhaliert wird.
Was macht Lachgas gefährlich?
Lachgas ist kein harmloses Gas, das einen kurzen Rausch auslöst, sondern kann bei übermäßigem Konsum akute Beschwerden und langfristige neurologische Schäden verursachen.
Fazit
Lachgas kann gesundheitliche Schäden verursachen, wenn es als Droge missbraucht wird.
Da sich Lachgas als Partydroge besonders unter Jugendlichen immer größere Beliebtheit erfreut, fordern Politiker und Mediziner ein Verkaufsverbot an Minderjährige und weitere Regulierungen nach dem Vorbild anderer Länder wie Großbritannien oder den Niederlanden.
Lachgas ist in Deutschland nicht verboten. Es kann leicht beschafft werden und kostet verhältnismäßig wenig Geld. Der niederschwellige Zugang wird verstärkt durch eine große Angebotsvielfalt.
Quellen: BMG, Amazon Rezensionen, drugcom.de, WDR