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Ist die Dienstplangestaltung nur Chefsache?
Bei der Gestaltung des Dienstplans und auch bei der Dienstplanänderung hat der Arbeitgeber gewisse Freiheiten, die im Wesentlichen durch § 106 GewO festgelegt sind. Der besagt: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind“.
Ergänzend hierzu sieht auch § 611a BGB ein arbeitgeberseitiges Weisungsrecht bei der Erstellung des Dienstplans vor. Auch hiernach betrifft das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit.
Grenzen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich, dass der Arbeitgeber berechtigt ist Arbeitszeit und Arbeitsort festzulegen. Allerdings gilt dieses Weisungsrecht nicht uneingeschränkt, das heißt er darf bei der Dienstplangestaltung nicht rigoros nur seine eigenen Interessen durchdrücken.
Wesentliche Grenzen des Weisungsrechts ergeben sich durch:
- Betriebsvereinbarungen
- Tarifvertrag
- Arbeitsvertrag
- Betriebliche Übungen
- Billiges Ermessen
- Spezialgesetze
- Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Das bedeutet, der Arbeitgeber muss sich trotz seines (grundsätzlichen) Weisungsrechts an die Arbeitsbedingungen halten, die ggf. durch Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder den einzelnen Arbeitsvertrag vorbestimmt wurden.
Auch haben die Arbeitnehmer ein Recht darauf, sich auf sogenannte „betriebliche Übungen“ zu verlassen. Hierbei handelt es sich um gewohnheitsrechtlich anerkannte, vom Arbeitgeber freiwillig angenommene Vorgehensweisen, die – wie hier – auch die Erstellung der Dienstpläne betreffen können. Sowas kann beispielsweise durch „Wunsch-Eintragungslisten“ für Dienste geschehen, wenn diese regelmäßig zum Einsatz kommen. Aus dieser Gewohnheit kann ein Rechtsanspruch für die Arbeitnehmer entstehen.
Besondere Wichtigkeit bei der Erstellung eines Dienstplans ist die Vorgabe des „billigen Ermessens“ (§ 106 GewO, § 315 BGB). Nach der ständigen Rechtsprechung liegt billiges Ermessen vor, wenn die Interessen beider Vertragsparteien (also Arbeitgeber und Arbeitnehmer) angemessen bei der Dienstplangestaltung berücksichtigt worden sind[1]. Relevante Interessen des Arbeitgebers wie betriebswirtschaftliche Aspekte stehen hier Arbeitnehmerinteressen wie Familie und Freizeitgestaltung gegenüber.
Zu den genannten Spezialgesetzen, die zu einer Einschränkung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts führen, gehört beispielsweise das Jugendarbeitsschutzgesetz, welches ein Gebot von Arbeitszeit für Minderjährige vorgibt. Beschränkungen ergeben sich auch durch das Mutterschutzgesetz beispielsweise bei Nacht‑, Sonn- und Feiertgsarbeit. Das Arbeitszeitgesetz gibt überdies maximale Arbeitszeiten und Ruhezeiten zwischen Arbeitsschichten vor.
An dieser Stelle ist auf das ggf. bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 BetrVG hinzuweisen. Demnach kann der Betriebsrat Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen mitbestimmen und Schranken vorgeben.
Wann muss der Dienstplan bekannt gegeben werden?
Weitreichend bekannt ist, dass der Dienstplan vier Tage vor dem eigentlich Dienst stehen muss. Tatsächlich ist diese Vorgabe auf ein Urteil des Berliner Arbeitsgerichts zurückzuführen, das sich allerdings am § 12 Teilzeit- und Befristigungsgesetz (TzBfg) orientiert[2].
Hier heißt es: „Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt […]“.
Eine gesetzliche Mindest-Ankündigungsfrist gibt es somit gar nicht. Die bestehende Regelung wurde lediglich aus dem Urteil auf die Vollzeitarbeit übertragen. Dennoch erfährt sie flächendeckend Akzeptanz und wird angewendet. Samstag und Sonntag sind in der Vier-Tage-Frist im Übrigen nicht einzurechnen[3].
Nachträgliche Dienstplanänderung
Lange war es vorherrschende Rechtsmeinung, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers mit Erstellung des Dienstplans ausgeschöpft sei. Dementsprechend konnte der Arbeitgeber auch nicht mehr nachträglich eine Dienstplanänderung vornehmen, da er sein Recht hierzu „verbraucht“ hatte.
Nach der neueren Rechtsprechung soll dieses Weisungsrecht jedoch auch nach bereits erfolgter Dienstplanerstellung fortbestehen[4]. Somit unterliegt der Arbeitgeber – auch nach dem er sich schon festgelegt hatte – nicht mehr dem Verbrauch seines Weisungsrechts.
Endgültige Rechtssicherheit, die sich durch eine Entscheidung des BAG ergeben könnte, fehlt allerdings noch bei der Antwort auf die Frage, ob der § 12 TzBfG mit seiner Vier-Tages-Frist auch bei Vollzeitarbeit angewendet werden kann. In der Fachdiskussion wird das teilweise bejaht, es gibt aber auch Stimmen, die sich dagegen aussprechen[5].
In der Praxis erweist sich ein pragmatischer Ansatz bei der Dienstplanänderung als zielführend, bei dem der Arbeitgeber im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern eine Entscheidung trifft. So kann der Arbeitnehmer freiwillig auf die Vier-Tages-Frist verzichten und ggf. Mehrarbeit leisten – dieser Weg ist sicherlich am unproblematischsten.
Auch für die nachträgliche Änderung des Dienstplanes gilt die Abwägung nach „billigem Ermessen“. Nach Ansicht des BAG handelt es sich hierbei, um einen unbestimmten Rechtsbegriff, weshalb hier ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht.
BAG vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16
„Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.“
Dienstplanänderungen sind also mitbestimmungspflichtig und unterliegen dem „billigen Ermessen“, was kurzfristige Änderungen ohne Zustimmung in der Regel ausschließt. Ausnahmen könnten durch Notfälle entstehen, die unplanbar sind und den unvorhergesehen Einsatz eines Mitarbeiters notwendig machen.
Krankheitsfälle gehören hierzu allerdings nicht. Diese sind vom Arbeitgeber durch Rufbereitschaften oder Springer-Dienste aufzufangen.
FAQ
Wann ist eine Dienstplanänderung zu kurzfristig?
Eine Dienstplanänderung gilt als zu kurzfristig, wenn sie die Interessen der Arbeitnehmer unangemessen beeinträchtigt und nicht den Grundsatz des „billigen Ermessens“ gemäß § 106 GewO und § 315 BGB wahrt. Nach verbreiteter Praxis sollte eine Änderung spätestens vier Tage im Voraus mitgeteilt werden. Änderungen ohne Zustimmung der Mitarbeitenden sind in der Regel nur in Notfällen zulässig, die unvorhersehbar und unvermeidbar sind.
Wann ist eine kurzfristige Dienstplanänderung möglich?
Kurzfristige Änderungen des Dienstplans sind nur unter Berücksichtigung des „billigen Ermessens“ (§ 106 GewO) zulässig. Arbeitgeber müssen dabei die Interessen der Mitarbeitenden, wie Freizeitplanung oder familiäre Verpflichtungen, gegen betriebliche Erfordernisse abwägen. Ohne Zustimmung der Mitarbeitenden sind kurzfristige Änderungen in der Regel unzulässig, es sei denn, es liegt ein Notfall vor, der nicht planbar war.
Welche Rechte hat der Arbeitnehmer bei der Dienstplangestaltung?
Arbeitnehmer haben das Recht, dass bei der Erstellung des Dienstplans ihre Interessen gemäß § 106 GewO und § 315 BGB nach „billigem Ermessen“ berücksichtigt werden. Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und individuelle Arbeitsverträge setzen zudem rechtliche Grenzen für das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Bestehende betriebliche Übungen, wie Wunschlisten, können ebenfalls Rechte für Arbeitnehmer begründen.
Quellen:
- vgl. BAG vom 23.9.2004 – 6 AZR 567/03
- ArbG Berlin 5.10.2012 – 28 Ca 10243/12
- Klein in Rechtsdepesche 2019, 200
- BAG vom 25.8.2020 – 10 AZR 275/09; BAG vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16
- Mayer in RdA 2019, 223