Ein Fall, der alle Berufsgruppen betrifft
Kurzarbeit in der Pflege? Auch das gibt es. Während der Corona-Krise haben Krankenhäuser und Arztpraxen für 400.000 Mitarbeitende Kurzarbeit angemeldet. Umso wichtiger ist es, sich mit dem geltenden Recht in so einem Fall auszukennen. Steht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern trotz Kurzarbeit der volle Urlaubsanspruch zu?
Eine Frau arbeitete als „Verkaufshilfe mit Backtätigkeit“ drei Tage die Woche. Entsprechend hatte sie einen Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen im Jahr. Die Coronapandemie sorgte letztlich für Arbeitsausfall und ihr Arbeitgeber musste einzelvertraglich Kurzarbeit einführen. Die betroffene Frau wurde deshalb in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 durchgehend von der Arbeitspflicht befreit. Man spricht in so einem Fall von „Kurzarbeit null“, also wenn der Arbeitsausfall für einen bestimmten Zeitraum 100 Prozent beträgt. In den Monaten November und Dezember 2020 arbeitete sie an fünf Tagen. Ihr Arbeitgeber berechnete aufgrund der kurzarbeitsbedingten Ausfälle den Urlaub der Frau neu. Der Jahresurlaub für 2020 betrug so nur noch 11,5 Tage.
Urteil: Urlaubskürzung ist rechtens
Vor Gericht legte die Frau Klage gegen diese Urlaubskürzung ein. Ihr Arbeitgeber sei nicht berechtigt gewesen, den Urlaub so zu kürzen. Nach Meinung der Klägerin seien aufgrund von Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage bei der Berechnung des Urlaubanspruchs wie Tage mit Arbeitspflicht zu behandeln. Für das Jahr 2020 stünden ihr deshalb weitere 2,5 Urlaubstage zu. Zudem erfolge eine konjunkturbedingte Kürzung der Arbeitszeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern weil es für die Arbeitgeber besser passt.
Der Arbeitgeber sieht das völlig anders. Kurzarbeit werde im Interesse Arbeitnehmer eingesetzt, damit diese ihren Arbeitsplatz während Krisenzeiten trotzdem behalten können. Darüber hinaus hätte es für den Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Folgen, wenn nach einer „Kurzarbeit Null“ erst mal sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Jahresurlaub nehmen könnten.
Das Gericht stimmte schließlich dem Arbeitgeber zu und kam zu dem Schluss, dass die Klage unbegründet sei. Die Frau habe keinen Anspruch auf weitere Urlaubstage für das Jahr 2020. Der Arbeitgeber habe völlig richtig den Umfang des Urlaubanspruchs unter Berücksichtigung der kurzarbeitsbedingten Aufhebung der Arbeitspflicht berechnet.
Kurzarbeit Null = Urlaub gekürzt
Da die Frau für ganze drei Monate gar nicht gearbeitet hatte, in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 also Kurzarbeit Null galt, habe sie für diesen Zeitraum auch keinen Anspruch auf Urlaub nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Entsprechend steht der Frau der Jahresurlaub 2020 nur anteilig zu.
Zwar ist nach §§ 1, 3 Absatz 1 BUrlG der gesetzliche Urlaubsanspruch allein durch das Bestehen des Arbeitsverhältnisses gegeben – also unabhängig davon, ob auch Arbeit geleistet wurde. Dies ändert sich jedoch, wenn es zum Beispiel durch einzelvertragliche Absprachen zu einer Änderung der Arbeitstage mit Arbeitspflicht kommt. Dann ist der Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung einzelner Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht umzurechnen.
Der bezahlte Jahresurlaub nach § 3 Absatz 1 BUrlG beläuft sich bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf mindestens 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit kürzer, ist also auch der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entsprechend kürzer. Berechnet wird der Urlaub nach dieser Formel: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage.
Arbeitgeber hätte sogar noch mehr Urlaub kürzen können
Bei einer Sechstagewoche stand der Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zu. Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Frau errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Durch die Einführung der Kurzarbeit ändert sich diese Formel nun. Die Tage mit Arbeitspflicht sinken von 156 auf 117 Tage. Nach Auffassung des Gerichts sind aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage nicht mit Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Davon ging die Klägerin allerdings aus.
Der Arbeitgeber hat den Urlaubsanspruch der Klägerin also nicht zu knapp bemessen – im Gegenteil. Wenn man allein die drei Monate betrachtet, bei denen Kurzarbeit Null galt, hätte die Frau lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Quelle: Bundesarbeitsgericht 30. November 2021 – 9 AZR 225/21