Patientenakte
Wurde die Patien­ten­akte manipu­liert? Bild: © Matthias Zaban­ski | Dreamstime.com

Kündi­gung nach 15 Jahren

Eine Frau arbei­tet in der Arztpra­xis einer Ärztin und ist dort seit über 15 Jahren beschäf­tigt. Als staat­lich geprüfte medizi­ni­sche Dokumen­ta­ti­ons­as­sis­ten­tin ist sie berech­tigt Eintra­gun­gen in den Patien­ten­ak­ten vorzu­neh­men. Die Patien­ten­ak­ten werden in der gesam­ten Praxis elektro­nisch geführt.

Das Arbeits­ver­hält­nis verlief 15 Jahre lang ohne Probleme. Das änderte sich jedoch als sich persön­li­che Verhält­nisse der Mitar­bei­te­rin ergaben.

Die Ausein­an­der­set­zun­gen eskalier­ten schließ­lich, weshalb die Frau von der Ärztin zwei Abmah­nun­gen kassierte. Die Mitar­bei­te­rin soll während der Arbeits­zeit private Dinge erledigt und die Praxis ohne Abspra­che verlas­sen haben.

Außer­dem warf die Ärztin der Frau vor, ihre Anwei­sun­gen nicht auszu­füh­ren. Recht­li­che Konse­quen­zen hatte dabei folgen­der Fall: Es ging darum, dass Ärztin einer ihrer Patien­tin­nen eine Heilmit­tel­ver­ord­nung Lymph­drai­nage ausstellte.

Mitar­bei­te­rin manipu­liert Patien­ten­akte und lügt Chefin an

Diese Heilmit­tel­ver­ord­nung sollte an die Physio­pra­xis überge­ben werden, in der die Behand­lung durch­ge­führt wird. Deshalb sollte besagte Mitar­bei­te­rin zur Post gehen, was diese aller­dings nicht tat. Darüber habe sie ihre Chefin auch noch angelo­gen.

Außer­dem änderte die Mitar­bei­te­rin das Ausstel­lungs­da­tum für die Heilmit­tel­ver­ord­nung vom 14. Dezem­ber 2024 auf den 12. Dezem­ber 2024. Das ursprüng­li­che Ausstel­lungs­da­tum ist in der elektro­ni­schen Patien­ten­akte danach nicht mehr erkenn­bar.

Die Änderung fiel der Ärztin nur durch Zufall auf, weil das Ausstel­lungs­da­tum einen Tag zuvor noch ein anderes war. Die Ärztin verdäch­tigte besagt Mitar­bei­te­rin und kündigte das Arbeits­ver­hält­nis außer­or­dent­lich.

Hierge­gen wehrte sich die Mitar­bei­te­rin vor Gericht. In erster Instanz vor dem Arbeits­ge­richt Gera wurde die Klage gegen die Kündi­gung abgewie­sen. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg.

Dass tatsäch­lich sie für die Änderung verant­wort­lich war, gab sie erst im Laufe des Gerichts­ver­fah­rens zu. Davor bestritt sie stets die Patien­ten­akte nachträg­lich geändert zu haben.

Gericht bestä­tigt frist­lose Kündi­gung

Die Kündi­gung ist nach § 626 BGB als außer­or­dent­li­che Kündi­gung wirksam. § 626 Absatz 2 BGB gibt vor, dass ein wichti­ger Grund für die Kündi­gung angege­ben werden muss. Das ist hier gegeben.

Die nachträg­li­che Verän­de­rung von Daten in der elektro­ni­schen Patien­ten­akte stellt eine schwer­wie­gende arbeits­ver­trag­li­che Pflicht­ver­let­zung dar.

Die Patien­ten­akte enthält wichtige Infor­ma­tio­nen zu Diagno­sen, verschrie­be­nen Medika­men­ten oder auch Unver­träg­lich­kei­ten. Außer­dem dient sie der Dokumen­ta­tion von Behand­lungs­ver­fah­ren und ist gegebe­nen­falls für Haftungs­fra­gen bedeut­sam.

Es ist deshalb von äußers­ter Wichtig­keit, dass alle Infor­ma­tio­nen in der Patien­ten­akte stimmen. Es zählt zu den arbeits­ver­trag­li­chen Pflich­ten des medizi­ni­schen Hilfs­per­so­nals, Eintra­gun­gen in die Patien­ten­akte sorgfäl­tig und anwei­sungs- sowie wahrheits­ge­mäß vorzu­neh­men. Nachträg­li­che Änderun­gen, die nicht den Tatsa­chen entspre­chen, sind deshalb zu unter­las­sen.

Nicht nur die arbeits­ver­trag­li­chen Pflich­ten fordern eine korrekte Führung der Patien­ten­akte an. Die Dokumen­ta­ti­ons­pflicht und ihr wesent­li­cher Inhalt ergibt sich auch aus § 630f BGB.

§ 630f Dokumen­ta­tion der Behand­lung

(1) Der Behan­delnde ist verpflich­tet, zum Zweck der Dokumen­ta­tion in unmit­tel­ba­rem zeitli­chen Zusam­men­hang mit der Behand­lung eine Patien­ten­akte in Papier­form oder elektro­nisch zu führen. Berich­ti­gun­gen und Änderun­gen von Eintra­gun­gen in der Patien­ten­akte sind nur zuläs­sig, wenn neben dem ursprüng­li­chen Inhalt erkenn­bar bleibt, wann sie vorge­nom­men worden sind. Dies ist auch für elektro­nisch geführte Patien­ten­ak­ten sicher­zu­stel­len.

[…]

Weil die Mitar­bei­te­rin eine Änderung vorge­nom­men hat, die nicht sicht­bar ist und somit auch nicht nachvoll­zo­gen werden kann, verstößt sie gegen dieses Gesetz.

Die Frau hat das in sie gesetzte Vertrauen zerstört, weshalb ihre Chefin sich nicht darauf verlas­sen kann, dass sie die Behand­lungs­do­ku­men­ta­tion den Vorschrif­ten entspre­chend vornimmt und ihren Anwei­sun­gen folgt.

Kammer entschied: Arbeits­ver­hält­nis ist unzumut­bar

Es fehlen somit die Voraus­set­zun­gen für ein Arbeits­ver­hält­nis, weshalb eine außer­or­dent­li­che Kündi­gung gerecht­fer­tigt ist. Eine Weiter­füh­rung des Arbeits­ver­hält­nis­ses ist nicht zumut­bar. Hierfür spricht auch, dass die Mitar­bei­te­rin ihre Verfeh­lung zunächst nicht zugege­ben hat.

Gerade bei der Patien­ten­ver­sor­gung ist ein beson­ders hohes Vertrauen unter­ein­an­der und vo allem in das medizi­ni­sche Hilfs­per­so­nal erfor­der­lich.

Auch die persön­li­chen Umstände der Mitar­bei­te­rin führen nicht dazu, dass die Kündi­gung nicht angebracht wäre. Erstens stehen diese Umstände außer­halb des Einfluss­be­reichs der Chefin und zweitens wurden die ungüns­ti­gen Umstände nicht konkret genug vorge­tra­gen, um daraus zuguns­ten der Mitar­bei­te­rin zu entschei­den.

Als staat­lich geprüfte medizi­ni­sche Dokumen­ta­ti­ons­as­sis­ten­tin wusste die Frau genau was sie tat. Sie wusste von der Bedeu­tung dessen und hat trotz­dem so gehan­delt.

Die Entschei­dung ist rechts­kräf­tig.

FAQ

Was war der Anlass für die Kündi­gung?

Der unmit­tel­bare Anlass für die Kündi­gung war die Entde­ckung der nachträg­li­chen Änderung des Ausstel­lungs­da­tums einer Heilmit­tel­ver­ord­nung in der elektro­ni­schen Patien­ten­akte. Die Chefin stellte fest, dass das Datum der Ausstel­lung einen Tag zuvor noch ein anderes war. Dies führte zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Kläge­rin am gleichen Tag.

Was waren die richter­li­chen Entschei­dungs­gründe für die Kündi­gung?

Die Kläge­rin wurde außer­or­dent­lich gekün­digt, weil sie das Austel­lungs­da­tum einer Heilmit­tel­ver­ord­nung in der elektro­ni­schen Patien­ten­akte manipu­lierte. Diese Änderung machte das ursprüng­li­che Datum unkennt­lich, was eine schwer­wie­gende Pflicht­ver­let­zung darstellt. Das Gericht entschied, dass dies ein wichti­ger Grund für eine frist­lose Kündi­gung darstellt, da das Vetrauen in die Kläge­rin zerstört war.

Warum hielt das Gericht die Kündi­gung für verhält­nis­mä­ßig?

Das Gericht hielt die Kündi­gung für verhält­nis­mä­ßig, weil das Vertrauen der Ärztin in die Mitar­bei­te­rin unwie­der­bring­lich verlo­ren war. Die Kläge­rin hatte ihre Pflicht­ver­let­zung zunächst nicht zugege­ben und wusste als ausge­bil­dete Dokumen­ta­ti­ons­as­sis­ten­tin um die Bedeu­tung ihrer Handlung.

Quelle: LAG Thürin­gen vom 28. Februar 2024 – 4 Sa 166/23