Kündigung nach 15 Jahren
Eine Frau arbeitet in der Arztpraxis einer Ärztin und ist dort seit über 15 Jahren beschäftigt. Als staatlich geprüfte medizinische Dokumentationsassistentin ist sie berechtigt Eintragungen in den Patientenakten vorzunehmen. Die Patientenakten werden in der gesamten Praxis elektronisch geführt.
Das Arbeitsverhältnis verlief 15 Jahre lang ohne Probleme. Das änderte sich jedoch als sich persönliche Verhältnisse der Mitarbeiterin ergaben.
Die Auseinandersetzungen eskalierten schließlich, weshalb die Frau von der Ärztin zwei Abmahnungen kassierte. Die Mitarbeiterin soll während der Arbeitszeit private Dinge erledigt und die Praxis ohne Absprache verlassen haben.
Außerdem warf die Ärztin der Frau vor, ihre Anweisungen nicht auszuführen. Rechtliche Konsequenzen hatte dabei folgender Fall: Es ging darum, dass Ärztin einer ihrer Patientinnen eine Heilmittelverordnung Lymphdrainage ausstellte.
Mitarbeiterin manipuliert Patientenakte und lügt Chefin an
Diese Heilmittelverordnung sollte an die Physiopraxis übergeben werden, in der die Behandlung durchgeführt wird. Deshalb sollte besagte Mitarbeiterin zur Post gehen, was diese allerdings nicht tat. Darüber habe sie ihre Chefin auch noch angelogen.
Außerdem änderte die Mitarbeiterin das Ausstellungsdatum für die Heilmittelverordnung vom 14. Dezember 2024 auf den 12. Dezember 2024. Das ursprüngliche Ausstellungsdatum ist in der elektronischen Patientenakte danach nicht mehr erkennbar.
Die Änderung fiel der Ärztin nur durch Zufall auf, weil das Ausstellungsdatum einen Tag zuvor noch ein anderes war. Die Ärztin verdächtigte besagt Mitarbeiterin und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Hiergegen wehrte sich die Mitarbeiterin vor Gericht. In erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Gera wurde die Klage gegen die Kündigung abgewiesen. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg.
Dass tatsächlich sie für die Änderung verantwortlich war, gab sie erst im Laufe des Gerichtsverfahrens zu. Davor bestritt sie stets die Patientenakte nachträglich geändert zu haben.
Gericht bestätigt fristlose Kündigung
Die Kündigung ist nach § 626 BGB als außerordentliche Kündigung wirksam. § 626 Absatz 2 BGB gibt vor, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung angegeben werden muss. Das ist hier gegeben.
Die nachträgliche Veränderung von Daten in der elektronischen Patientenakte stellt eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar.
Die Patientenakte enthält wichtige Informationen zu Diagnosen, verschriebenen Medikamenten oder auch Unverträglichkeiten. Außerdem dient sie der Dokumentation von Behandlungsverfahren und ist gegebenenfalls für Haftungsfragen bedeutsam.
Es ist deshalb von äußerster Wichtigkeit, dass alle Informationen in der Patientenakte stimmen. Es zählt zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Hilfspersonals, Eintragungen in die Patientenakte sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß vorzunehmen. Nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen, sind deshalb zu unterlassen.
Nicht nur die arbeitsvertraglichen Pflichten fordern eine korrekte Führung der Patientenakte an. Die Dokumentationspflicht und ihr wesentlicher Inhalt ergibt sich auch aus § 630f BGB.
§ 630f Dokumentation der Behandlung
(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
[…]
Weil die Mitarbeiterin eine Änderung vorgenommen hat, die nicht sichtbar ist und somit auch nicht nachvollzogen werden kann, verstößt sie gegen dieses Gesetz.
Die Frau hat das in sie gesetzte Vertrauen zerstört, weshalb ihre Chefin sich nicht darauf verlassen kann, dass sie die Behandlungsdokumentation den Vorschriften entsprechend vornimmt und ihren Anweisungen folgt.
Kammer entschied: Arbeitsverhältnis ist unzumutbar
Es fehlen somit die Voraussetzungen für ein Arbeitsverhältnis, weshalb eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ist nicht zumutbar. Hierfür spricht auch, dass die Mitarbeiterin ihre Verfehlung zunächst nicht zugegeben hat.
Gerade bei der Patientenversorgung ist ein besonders hohes Vertrauen untereinander und vo allem in das medizinische Hilfspersonal erforderlich.
Auch die persönlichen Umstände der Mitarbeiterin führen nicht dazu, dass die Kündigung nicht angebracht wäre. Erstens stehen diese Umstände außerhalb des Einflussbereichs der Chefin und zweitens wurden die ungünstigen Umstände nicht konkret genug vorgetragen, um daraus zugunsten der Mitarbeiterin zu entscheiden.
Als staatlich geprüfte medizinische Dokumentationsassistentin wusste die Frau genau was sie tat. Sie wusste von der Bedeutung dessen und hat trotzdem so gehandelt.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
FAQ
Was war der Anlass für die Kündigung?
Der unmittelbare Anlass für die Kündigung war die Entdeckung der nachträglichen Änderung des Ausstellungsdatums einer Heilmittelverordnung in der elektronischen Patientenakte. Die Chefin stellte fest, dass das Datum der Ausstellung einen Tag zuvor noch ein anderes war. Dies führte zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin am gleichen Tag.
Was waren die richterlichen Entscheidungsgründe für die Kündigung?
Die Klägerin wurde außerordentlich gekündigt, weil sie das Austellungsdatum einer Heilmittelverordnung in der elektronischen Patientenakte manipulierte. Diese Änderung machte das ursprüngliche Datum unkenntlich, was eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt. Das Gericht entschied, dass dies ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung darstellt, da das Vetrauen in die Klägerin zerstört war.
Warum hielt das Gericht die Kündigung für verhältnismäßig?
Das Gericht hielt die Kündigung für verhältnismäßig, weil das Vertrauen der Ärztin in die Mitarbeiterin unwiederbringlich verloren war. Die Klägerin hatte ihre Pflichtverletzung zunächst nicht zugegeben und wusste als ausgebildete Dokumentationsassistentin um die Bedeutung ihrer Handlung.
Quelle: LAG Thüringen vom 28. Februar 2024 – 4 Sa 166/23