Impfnachweis
Impfnach­weis ohne Impfung? Frau täuscht Arbeit­ge­be­rin und wird frist­los gekün­digt. Bild: Pixabay

Arbeit­ge­be­rin: „Präsenz­ar­beit nur mit Impfnach­weis“

Eine Frau arbei­tete als angestellte Berate­rin für betrieb­li­che Gesund­heits­för­de­rung und stand im engen Kontakt mit den Mitar­bei­ten­den der Pflege­ein­rich­tun­gen, die sie besuchte. Sie war Teil eines achtköp­fi­gen Teams plus Teamlei­ter, das wegen der Corona­pan­de­mie zwischen­zeit­lich im Homeof­fice arbei­ten musste und von dort aus die Einrich­tun­gen beriet. Ab Februar 2021 durften sie wieder die Einrich­tun­gen der Pflege­bran­che besuchen. Die Arbeit­ge­be­rin verschaffte deshalb allen Mitar­bei­ten­den frühzei­tige Impfan­ge­bote.

Im Oktober 2021 infor­mierte die Arbeit­ge­be­rin die Frau und die restli­chen Mitar­bei­ten­den darüber, dass ab 1. Novem­ber nur noch dieje­ni­gen Kunden­ter­mine vor Ort wahrneh­men dürften, die auch gegen das Corona­vi­rus geimpft seien. Es sei Aufgabe der Teamlei­ter, dies in enger Abspra­che mit den Teammit­glie­dern abzuspre­chen.

Kurz darauf meldete sich die Frau bei ihrem Teamlei­ter und gab ihm gegen­über an „mittler­weile geimpft“ zu sein und dass in Bezug auf Präsenz­be­su­che in Pflege­ein­rich­tun­gen „alles safe“ sei. Noch legte sie keinen tatsäch­li­chen Impfnach­weis vor. Darauf­hin absol­vierte sie etliche Besuche in Pflege­ein­rich­tun­gen – unter anderem für Senio­ren. Eine Änderung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes sorgte schließ­lich dafür, dass die Betriebe nur noch mit einem gülti­gen 3‑G-Nachweis betre­ten werden konnten. Die Frau musste deshalb bei der Perso­nal­ab­tei­lung ihrer Arbeit­ge­be­rin einen Impfaus­weis vorle­gen. Dieser wurde einer Chargen­ab­frage unter­zo­gen.

Wenige Tage später wurde die Frau zu einem Perso­nal­ge­spräch einge­la­den aufgrund von „Unstim­mig­kei­ten zu den Impfein­trä­gen der COVID-19-Impfung“. Die Frau lehnte es zunächst ab, sich zu ihrem Impfnach­weis zu äußern. Auf weitere Nachfrage, wie sie an einen Impfter­min am 5. März 2021 gekom­men sei, wo doch damals noch die Priori­sie­rung älterer Menschen galt, antwor­tete sie, sie habe Termine ohne Probleme online buchen können.

Frau fälscht Impfnach­weis und wird gekün­digt

Mit Verweis auf die Chargen­num­mer eröff­nete ihr die Arbeit­ge­be­rin, dass die Frau unter Verdacht stehe, ihre Impfein­tra­gun­gen gefälscht zu haben. Man bot ihr einen Aufhe­bungs­ver­trag und ein gutes Zeugnis an, sollte sie ihr Fehlver­hal­ten einräu­men. Bis zuletzt wies sie die Vorwürfe von sich. Die Arbeit­ge­be­rin kündigte das Arbeits­ver­hält­nis zur Frau frist­los, hilfs­weise frist­ge­recht.

Vor Gericht setzte sich die Frau gegen die Kündi­gung zur Wehr und gab an, sie habe sich vor jedem Betriebs­be­such von geschul­tem Perso­nal auf Covid-19 testen lassen und es somit an einem Kündi­gungs­grund fehle. Zudem sei zunächst eine Abmah­nung angebracht gewesen, da es vorher auch nie zu Proble­men gekom­men sei. Die Kläge­rin beantragte deshalb die Feststel­lung der Unwirk­sam­keit der Kündi­gung und die Weiter­be­schäf­ti­gung bis zu einer rechts­kräf­ti­gen Entschei­dung.

Das Gericht ist – entge­gen der Ansicht der Kläge­rin – zu dem Schluss gekom­men, dass die Kündi­gung sehr wohl durch einen wichti­gen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB gerecht­fer­tigt ist. Der Grund ist deshalb gegeben, weil die Kläge­rin in schwer­wie­gen­der Weise ihre vertrag­li­chen Neben­pflich­ten nach § 241 Absatz 2 BGB verletzte.

Sie war bereit, andere vorsätz­lich in Gefahr zu bringen

Die Kläge­rin hat ohne Corona-Impfung in neun Fällen Außen­be­su­che bei Kundin­nen und Kunden durch­ge­führt. Sie handelte damit pflicht­wid­rig, weil sie zum einen sich selbst und andere gesund­heit­lich gefähr­dete und zum anderen die Geschäfts­in­ter­es­sen ihrer Arbeit­ge­be­rin verletzte, da ihr Verhal­ten zu einem massi­ven Vertrau­ens­ver­lust hätte führen können.

Die Entschei­dung der Arbeit­ge­be­rin, einen Impfnach­weis von ihren Mitar­bei­ten­den zu verlan­gen, ist auch unabhän­gig von den Vorga­ben des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes legitim. Diese Unter­neh­mer­ent­schei­dung ist nach Artikel 14 Absatz 1 GG gerecht­fer­tigt und in dieser Weise weder willkür­lich noch diskri­mi­nie­rend. Die Kläge­rin hätte ohne Weite­res im Homeof­fice mit den Kundin­nen und Kunden in Kontakt treten können, wenn sie sich nicht impfen lassen möchte. Ledig­lich Präsenz­be­su­che wären ihr dann nicht möglich gewesen.

Außer­dem hat die Frau flagrant pflicht­wid­rig gehan­delt, indem sie ihrer Arbeit­ge­be­rin einen Impfnach­weis mit dem Wissen vorge­legt hatte, dass die darin enthal­ten­den Angaben falsch sind. Sie versuchte damit ihre Arbeit­ge­be­rin zu täuschen. Allein der Versuch gefälschte Nachweise zu nutzen, gilt als Beleg dafür, dass sie bereit ist, andere, mit denen sie im Umfeld ihrer Arbeit in Kontakt kommt, vorsätz­lich in ihrer Gesund­heit zu gefähr­den.

Aus den genann­ten schwe­ren Pflicht­ver­let­zun­gen der Kläge­rin war es der Arbeit­ge­be­rin nicht möglich, die Frau bis zum Auslauf der ordent­li­chen Kündi­gungs­frist weiter anzustel­len. Die Kläge­rin hatte das nötige Vertrauen verwirkt, indem sie der Perso­nal­re­fe­ren­tin einen falschen Impfnach­weis vorlegte, um somit ihre unwahre Behaup­tung zu belegen.

Pflege­ein­rich­tun­gen beson­ders vulnerabel

Der Kläge­rin war die ganze Zeit bekannt, dass der Anord­nung ihrer Arbeit­ge­be­rin überra­gende Bedeu­tung zukam, da es sich im Geschäfts­feld der Pflege­ein­rich­tun­gen um beson­ders vulnerable Berei­che handelte. Persön­li­che Nachteile hatte die Kläge­rin auch bei Befol­gung des Infek­ti­ons­schutz­kon­zep­tes ihrer Arbeit­ge­be­rin hinge­gen nicht zu befürch­ten.

Die Kläge­rin hat durch ihr Verhal­ten zudem gezeigt, dass sie vor einer Täuschung im Rechts­ver­kehr nicht zurück­schreckt. Da dieser Vertrau­ens­bruch beson­de­res Gewicht hat, ist es in diesem Fall nicht notwen­dig, dass die Arbeit­neh­me­rin vor Kündi­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses eine Abmah­nung ausspre­chen muss.

Die Frau habe nach Ansicht des Gerichts hohe krimi­nelle Energie gezeigt. Sie hat rücksichts­los gehan­delt, indem sie die wirtschaft­li­chen und morali­schen Inter­es­sen ihrer Arbeit­ge­be­rin missach­tet hat. Beson­ders rücksichts­los war ihr Verhal­ten, weil sie die gesund­heit­li­chen Inter­es­sen der Pflege­ein­rich­tun­gen, die sie betreute, nicht beach­tete. Es ist somit zu bezwei­feln, dass die Frau in Zukunft auch für die nur befris­tete Vertrags­fort­füh­rung bis zum Auslauf der Kündi­gungs­frist die Inter­es­sen ihrer Arbeit­ge­be­rin vertre­ten würde.

Quelle: Arbeits­ge­richt Köln – 23.3.2022 – 18 Ca 6830/21