Lange Zeit war die Qualität in der Pflege mehr als dürftig. Es wird an jeder Stelle gespart. Großkonzerne möchten möglichst viel Profit abwerfen und darunter leiden häufig die Kunden bzw. die Bewohner. Es fehlt Nachwuchspersonal, da der Beruf sehr stressig und unterbezahlt ist. Das Berufsfeld des Altenpflegers ist das Einzige, mit mehr zur Verfügung stehenden Arbeitsstellen als Bewerbern.
Der Status quo
Weil das Geld fehlt und Personalmangel herrscht, muss eine Pflegekraft sich allein um mehrere Bewohner kümmern. Das führt dazu, dass jedem pflegebedürftigen Bewohner viel weniger Zeit zuteil wird. Die Folgen: Es wird sich weniger um den Betroffenen gekümmert und zunehemend nur noch das Notwendige unternommen, um ihn am Leben zu halten. Pflegekräfte und Bewohner leiden zunehmend an der Arbeitsbelastung. Und so bleibt kaum eine Pflegekraft bis zur Rente im Beruf; im Schnitt verlassen Altenpflegekräfte die Branche bereits nach etwas mehr als 8 Jahren.
Nicht überraschend also, dass immer öfter über menschenunwürdige Bedingungen in Pflegeheimen berichtet wird. Kundenzufriedenheit scheint die Einrichtungsbetreiber weniger zu interessieren und auch die Qualität spielt wohl nur eine untergeordnete Rolle. Die Angehörigen können die Qualität nicht richtig einschätzen, denn so etwas wie unabhängige Bewertungsportale oder Kontrollinstanzen gibt es nicht. Und Kontrollen durch Behörden finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und Qualitätsberichte bleiben unter Verschluss.
„Jeder pflegt allein – Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht“
In seiner Undercover-Reportage beleuchtet der Journalist Daniel Drepper die Zustände von mehreren namhaften Pflegeheimen. Die Einrichtungen erinnern viel mehr an ein Krankenhaus, es soll ein Gefühl der Hygiene und der Sterilität vermittelt werden; dass die Bewohner sich in der Krankenhausatmosphäre nicht wohl fühlen, interessiert keinen. Gefälschte Dokumentation, mangelnde hygienische Zustände und ein System, das sich mit aller Kraft gegen Modernisierung und neue Regeln zu Wehr setzt. Für dieses Buch hat der Autor u.a. mehr als ein Jahr lang mit hunderten Menschen gesprochen.
Der Kampf gegen das System
Der Hauptprotagonist des Buches ist Marcus Jogerst. Seine Lebensgeschichte zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Angefangen als Azubi im Krankenhaus, verbrachte er Jahrzehnte in der Pflege und führte einen langen und ermüdenden Kampf gegen veraltete Strukturen, sture Geschäftsführungen und ein brutales System. Bis er der Situation überdrüssig wurde und selbst ein Pflegeheim gründete – nach seinen Vorstellungen. Die Vision: Die Patienten sollen sich wohlfühlen und das Geld spielt eine untergeordnete Rolle.
Am Ende seines Buches führt der Autor zudem Quellen und Beratungsstellen für Betroffene auf und liefert auch eine Checkliste ab, an der man ein schlechtes Pflegeheim erkennen kann.
Ehrlich, gut recherchiert und mit Geschichten, die einem unter die Haut gehen. Daniel Drepper reflektiert mit seiner Reportage die Pflegesituation in Deutschland und bewegt einen dazu, sich selbst mit einem unangenehmen Thema zu beschäftigen, welches wir schon zu lange verdrängen.
Das Buch „Jeder pflegt allein – Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht.“ ist im correctiv-Shop für 20 Euro erhältlich. Ein Interview mit dem Autor Daniel Drepper können Sie hier lesen.