Spätestens seit der Coronapandemie wissen wir: Die Republik hinkt in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens meilenweit hinterher: Der Digital-Health-Index der BertelsmannStiftung positioniert Deutschland auf den vorletzten Platz.
Eigentlich schmachvoll für eine Nation, die sich in der technologisch-industriellen Weltelite wähnt. Nur das Ergebnis beim diesjährigen ESC ist noch schlechter.
Wie es anders gehen kann zeigt hingegen Spitzenreiter Estland: Elektronische Rezepte und Verschreibungen, telemedizinische Beratung oder eine elektronische Patientenakte – Dinge die hierzulande vielerorts nur im kleinen Rahmen oder auf dem Papier existieren, sind für die Esten bereits seit längerem Realtität.
Bundesregierung will Digitalisierungsstrategie
Bereits die frühere Bundesregierung war – zuletzt mit einer schnellen Abfolge von Gesetzesverabschiedungen – um „mehr Dampf“ bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen bemüht.
Auch die aktuelle Regierung hat sich die Digitalisierung in der Pflege und in der Medzin ins Heft geschrieben. So sollen laut Koalitionsvertrag (vgl. Seite 65) im Gesundheitswesen und in der Pflege eine Digitalisierungsstrategie initiiert werden, die regelmäßig fortzuschreiben ist.
Dabei soll ein besonderer Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer gelegt werden.
Eine Strategie zur Digitalisierung in der Pflege?
Doch wie kann eine solche Digitalisierungsstrategie aussehen? Um eine Antwort für den Bereich Pflege bemüht sich seit 2020 ein Bündnis von sieben Verbänden. Hierin zusammengeschlossen haben sich
- der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg),
- der Digitalverband Sozialwirtschaft FINSOZ,
- der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP),
- der Deutsche Pflegerat (DPR),
- der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD),
- der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD)
- und der Verband für Digitalisierung in der Sozialwirtschaft (vediso).
Bereits im August 2020 hat das Bündnis ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht und in diesem unter anderem die Entwicklung eines nationalen Strategieplans gefordert. Mit diesem sollten strategische Weichen gestellt, Zielmarken gesetzt und bestehende Hemmnisse, wie beispielsweise offene Rechtsfragen, konsequent beseitigt werden.
Darüber hinaus empfiehlt das Bündnis den Aufbau von begleitenden Strukturen. Vorgeschlagen wird die Einrichtung eines beim Bundesgesundheitsministerium anzusiedelndes Kompetenzzentrum „Digitale Pflege“.
Aufgaben des Kompetenzzentrums wären die Entwicklung von Konzepten zur Digitalisierung in der Pflege, die Gestaltung der digitalen Transformation in allen pflegebezogenen Versorgungssektoren, die Vernetzung aller Akteure sowie die Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz, heißt es in dem Papier.
Bestandteil des Kompetenzzentrums sollte weiterhin ein interdisziplinäres Expertengremium sein. Dieses würde mit der Erarbeitung von Empfehlungen, Leitlinien und verbindlichen Standards beauftragt.
Verbändebündnis setzt Eckpunkte fest
Aufbauend auf den Aussagen des Koalitionsvertrages hat das Verbändebündnis erste Vorschläge zum Inhalt, zur Gliederung und zum Vorgehen im Rahmen des nationalen Strategieplans zur Digitalisierung der Pflege formuliert.
Hierin finden sich auch die in dem oben genannten Positionspapier bereits gemachten Vorschläge zur Errichtung eines Kompetenzzentrums sowie eines Expertengremiums – in etwas verfeinerter Form – wieder.
Das Bündnis betont, dass die Digitalisierung kein Selbstzweck sei. Die vorgeschlagenen Bausteine und Maßnahmen des Strategieplans „Digitalisierung der Pflege“ seien deshalb primär an folgende fünf übergeordnete Ziele auszurichten:
- Prävention zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit
- Verbesserung der pflegerischen Versorgung der Nutzerinnen und Nutzer
- Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte
- Sicherung von technologischer Infrastruktur und Innovationen
- Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
Lauterbach: Bleiben im Gespräch
Am 13. Juni 2022 kam es jetzt in Berlin zu einem Treffen zwischen Vertretern des Bündnisses und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD). Hierbei wurden die Vorschläge an dem Minister überreicht.
Zugleich betonten die Verbändevertreter, welche Chancen die Digitalisierung gerade für Pflegebedürftige und Pflegende biete. Zugleich gebe es besondere Hürden, etwa bei der technischen Ausstattung der Einrichtungen, der Anerkennung digitaler Dokumente und der Refinanzierung, erklärten die Vertreter.
Der Gesundheitsminister begrüßte den initiierten Austausch und sicherte dem Bündnis zu, über die anstehenden Schritte zur Digitalisierung in der Pflege im Gespräch zu bleiben.
Quelle: VdDD, DPR, Bundesregierung