In einem einführenden Workshop vermittelte Kerstin Protz, Projektmanagerin Wundforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), die Herausforderungen der Kompressionstherapie und beleuchtete Aspekte der Versorgung von Menschen mit einem Ulcus cruris venosum. Sie machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass viele Betroffene nicht ausreichend über ihre Kompressionsmaterialien informiert sind, woraus Anwendungsfehler, beispielsweise bei der Pflege der Materialien, resultieren können. Abschließend stellte die Hamburger Fachautorin ein neuartiges System zur Kompressionstherapie vor, das mit Klettverschlüssen am Bein fixiert wird, wodurch es teilweise Patienten oder deren Angehörigen in Eigenverantwortung selbstständig möglich ist, einen Kompressionsverband ohne aufwendige Wickeltechnik herzustellen. Diese adaptiven Kompressionsbandagen sind in den Vereinigten Staaten seit längerem etabliert und stehen nun auch auf dem deutschen Markt zur Verfügung.
Prof. Dr. Eberhard Rabe sprach über die Häufigkeit und die Therapie des postthrombotischen Syndroms, das sich im Anschluss an eine Beinvenenthrombose entwickeln kann. Der Bonner Dermatologe unterstrich hierbei insbesondere die Bedeutung der Prophylaxe unter Berücksichtigung der wesentlichen Risikofaktoren. Hierzu gehören das Alter, ein zu hoher Body-Mass-Index und die Adipositas. Aber auch Venenerkrankungen, wie die chronisch venöse Insuffizienz oder eine Varikose, können die Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms begünstigen. Bei der Diagnose gelte es, stets zu unterscheiden, ob beim Patienten ein postthrombotisches Syndrom oder eine andere Form einer Venenerkrankung vorliegt, merkte der langjährige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie abschließend an. Eine frühzeitige Kompressionstherapie zur Prophylaxe des postthrombotischen Syndroms halbiert das Risiko. Auf der Kompressionstherapie liegt, so Rabe, auch ein Schwerpunkt bei der Therapie.
In einem zusammenfassenden Vortrag erläuterte Prof. Dr. Knut Kröger, Ressortleiter der Expertengruppe „Kompressionstherapie“ des Medical Data Institutes (MDI), die Wirkweise und Bedeutung der medikamentösen Thromboseprophylaxe. Hierbei kommen Antikoagulantien zum Einsatz, sogenannte direkte orale Antikoagulantien (DOAK). Dies sind Medikamente, welche die Blutgerinnung hemmen. Ihnen kommt nach Aussage des Krefelder Angiologen bei der langfristigen Rezidivprophylaxe der venösen Thromboembolie nach adäquater Therapie eine hohe Bedeutung zu. Dementsprechend werden DOAKs hierfür in internationalen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl definiert.
Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, die Prof. Dr. Peter Kujath anschließend vorstellte, definiert die Grundlagen der Anwendung eines phlebologischen Kompressionsverbandes. Dieser endet laut Leitlinie immer am Fibulaköpfchen, etwas unterhalb des Knies und schließt sowohl Fuß als auch Sprunggelenk mit ein. Typische Indikationen sind laut dieser Leitlinie zum Beispiel Lymphödeme, Varikose, Thrombosen oder chronisch venöse Insuffizienz bis hin zum Ulcus cruris venosum. Der Lübecker Gefäßchirurg betonte hinsichtlich der Thrombose, dass eine vorangegangene Thrombose der bedeutendste Risikofaktor für das Entstehen einer neuen Thrombose sei. Kujath wertet die Kompressionstherapie als unverzichtbare Basistherapie bei der Behandlung phlebologischer Erkrankungen. Er fasste die Bedeutung dieser Therapieform in einem eingängigen Merksatz zusammen: Kompression ist immer effektiver als keine Kompression.
Das 10. „meeting Lymphologie & Phlebologie“ in Fleesensee führte nicht nur verschiedene ärztliche Fachrichtungen zusammen, es soll nach Aussage des Kongressleiters Dr. Gerd Lulay auch den Austausch zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen ermöglichen und fördern. Wie Lulay betonte, gehe es bei der Versorgung venenkranker Menschen um interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener Beteiligter. Hierzu gehören unter anderem Sanitätshäuser sowie die ambulante und klinisch-stationäre Versorgung. Dementsprechend, so der Chefarzt am Mathias-Spital Rheine, sieht sich das meeting-Fleesensee nicht als Konkurrenz zu den großen Fachkongressen, sondern will die Begegnung und den Austausch auf persönlicher Ebene anregen. Kongresse wie dieser ermöglichen den Akteuren der Versorgung, Verständnis füreinander zu entwickeln und somit eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu gestalten, die den therapeutischen und pflegerischen Prozessen, und somit letztlich dem Patienten zugute kommt.
Von Jan Hinnerk Timm/MDI