„Wir brauchen schnellstmöglich umfassende Reformen in der Pflegeausbildung, am Arbeitsmarkt und bei den Beschäftigungsbedingungen in den Krankenhäusern, Altenheimen und der ambulanten Pflege. Als einen ersten Schritt dazu soll der Koalitionsausschuss der Bundesregierung in der nächsten Woche dem Pflegeberufereformgesetz endlich den Weg ebnen“, fordert Professor Frank Weidner, Leiter des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP).
Die Auswertung aktueller Studien und Daten zeigt, dass viele Probleme in der Pflege miteinander zusammenhängen und systemrelevant sind. So ist der Arbeitsmarkt in der Pflege in einigen Regionen Deutschlands bereits kollabiert, sich verschärfende Arbeitsbedingungen machen beschäftigte Pflegekräfte immer öfter krank, die Versorgungsqualität von Patienten und Pflegebedürftigen kann häufig nicht mehr gewährleistet werden und auch die Ausbildungsstätten der Pflege geraten unter enormen Druck. „Deutschland braucht jetzt einen Masterplan Pflege und die Pflegeberufereform stellt dazu den unverzichtbaren Auftakt dar!“, so Weidner.
37.000 unbesetzte Stellen in der ambulanten Pflege bundesweit
Einer aktuellen Auswertung des DIP zur Arbeitsmarktsituation in der Altenpflege in Bayern ist zu entnehmen, dass es in vielen Regionen des Freistaates überhaupt keine arbeitslos gemeldeten Altenpfleger mehr gibt und in einigen Bezirken in der Spitze auf einen arbeitslosen Altenpfleger bis zu 68 offene Stellen kommen. „Von Arbeitsmarkt kann da eigentlich nicht mehr gesprochen werden! Da ist es völlig unverständlich, dass sich vor diesem Hintergrund CSU-Bundestagsabgeordneten mehrheitlich gegen eine grundlegende Ausbildungsreform in der Pflege stemmen!“, moniert Professor Michael Isfort, Leiter der Abteilung Pflegearbeit und ‑beruf im DIP.
Bekanntlich müssen sich in den Krankenhäusern in Deutschland die Pflegekräfte um immer mehr Patienten kümmern und leiden unter der zunehmenden Arbeitslast. In der ambulanten Pflege sieht es nicht anders aus. Das Pflege-Thermometer 2016 des DIP hat bis zu 37.000 unbesetzte Stellen bundesweit in der ambulanten Pflege errechnet. „Es ist wie ein Teufelskreislauf, denn die fehlenden Fachkräfte verstärken die Arbeitsverdichtung und ‑belastungen bei den Beschäftigten“, sagt Isfort. Daher wundert es nicht, dass Datenreporte verschiedener Krankenkassen in den vergangenen Jahren auf die weiter steigenden Krankheits- und Frühverrentungsfälle beim Pflegefachpersonal hingewiesen haben. Dabei nehmen die psychischen Erkrankungen einen immer größeren Stellenwert ein.
„Politik ist in Zeiten voller öffentlicher Kassen gefordert“
Bemerkenswert ist, dass einer aktuellen und repräsentativen Befragung des Zentrums für Qualität in der Pflege zufolge das Thema Pflege in der Bevölkerung eine immer größere Bedeutung gewinnt. Bereits für 43 % der Befragten ist das Thema Pflege entscheidend für die Bundestagswahl 2017 noch vor Themen wie Umwelt und Klimaschutz, Flüchtlingspolitik oder die Lage am Arbeitsmarkt. Mehr als die Hälfte der Befragten schätzen allerdings die Qualität in der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen mittlerweile als weniger gut oder gar schlecht ein. Und sogar 71 % sehen in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege den größten Handlungsbedarf der Politik.
„Ohne Zweifel, die Politik ist angesichts der teilweise desolaten Situation in der Pflege gefordert, gerade in Zeiten voller öffentlicher Kassen die grundlegenden Weichen für die berufliche Pflege neu zu stellen“, resümiert Weidner. Der Wahlkampf hat begonnen und die Pflege stellt ein zentrales Thema dar. In der vergangenen Legislatur wurden Reformen der Pflegeversicherung auf den Weg gebracht. Der Erfolg dieser Reformen hängt dem DIP zufolge unmittelbar von nun nicht mehr aufschiebbaren Pflegeberufereformen ab. „Es würde uns doch sehr wundern, wenn Bundeskanzlerin Merkel das Feld der Pflege jetzt schon komplett der SPD überließe“, sagt Weidner und empfiehlt dem Koalitionsausschuss der Bundesregierung, der in der kommenden Woche zusammenkommen wird, dringend die zeitnahe Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes im Bundestag auf den Weg zu bringen.
Quelle: DIP