Impfschaden
Astra­Ze­ne­cas Produk­ti­ons­an­lage bei Snack­vi­ken in Soder­talje, Schwe­den Bild: Rolandm/Dreamstime.com

Wer hat Anspruch auf Versor­gungs­leis­tung?

Seit dem 27. Dezem­ber 2020 gilt ein bundes­ein­heit­li­cher Anspruch auf Entschä­di­gung für alle, die sich in Deutsch­land mit einem zugelas­se­nen Impfstoff gegen das Corona­vi­rus impfen lassen und bei denen es deshalb zu einem gesund­heit­li­chen Schaden kommt. So sieht es der § 60 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes vor. Dort heißt es außer­dem, dass der Anspruch auf Entschä­di­gung unabhän­gig von den öffent­li­chen Empfeh­lun­gen der Landes­be­hör­den ist. Das gilt aller­dings nur für die Schutz­imp­fung gegen das Corona­vi­rus, nicht für andere Impfun­gen.

Was ist ein Impfscha­den?

„Die gesund­heit­li­che und wirtschaft­li­che Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfre­ak­tion hinaus­ge­hen­den gesund­heit­li­chen Schädi­gung durch die Schutz­imp­fung“, heißt es in § 2 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes zur Begriffs­be­stim­mung eines Impfscha­dens. Das bedeu­tet: Vorüber­ge­hende Impfre­ak­tio­nen nach einer Corona-Impfung wie Kopfschmer­zen, Müdig­keit und Schmer­zen an der Einstich­stelle gelten nicht als Impfscha­den. Ein Impfscha­den liegt dann vor, wenn von einer dauer­haf­ten gesun­heit­li­chen Schädi­gung von mehr als sechs Monaten, die Rede ist.

Das Paul-Ehrlich-Insti­tut (PEI) berich­tet ausführ­lich über die „Verdachts­fälle von Neben­wir­kun­gen oder Impfkom­pli­ka­tio­nen im zeitli­chen Zusam­men­hang mit der Impfung“, wie es im Sicher­heits­be­richt des Insti­tuts heißt. Der Bericht erfasst den Beginn der Impfkam­pa­gne am 27. Dezem­ber 2020 bis zum 31. Dezem­ber 2021. In dieser Zeit wurden laut Robert Koch-Insti­tut (RKI) 148.760.720 Impfun­gen gegen das Corona­vi­rus durch­ge­führt. Das PEI hat insge­samt 244.576 Verdachts­fälle einer Neben­wir­kung gemel­det.

Im PEI-Sicher­heits­be­richt werden unter dem Punkt „Sehr seltene Risiken der COVID-19-Impfstoffe“ unter anderem Myokar­di­tis und das Guillain-Barré-Syndrom genannt. „Als schwer­wie­gende, in einigen wenigen Fällen auch tödli­che Neben­wir­kung“ werden in dem Bericht auch Throm­bo­sen in Kombi­na­tion mit einer Throm­bo­zy­to­pe­nie aufge­führt. Also ein Verschluss von Blutge­fä­ßen, die auch Hirnve­nen betref­fen können.

Hirnve­nen-Throm­bose nach Impfung mit Astra­Ze­neca

Im Fall des 37-jähri­gen Sebas­tian Schönert ist genau solch eine Neben­wir­kung einge­tre­ten. In einem Inter­view mit dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land berich­tet er von seinen Erfah­run­gen.

Er selbst sei eigent­lich top fit, habe selbst ein Fitness­stu­dio gelei­tet und mache vier Mal die Woche Sport und gehe joggen oder Baseball spielen. Gegen das Corona­vi­rus habe er sich vor allem deshalb impfen lassen, um andere zu schüt­zen, erklärt er im Inter­view.

Doch trotz seines gerin­gen Risikos erlitt er eine Sinus­ve­nen­throm­bose. Er ist damit einer von 232 Fällen, die das PEI verzeich­net hat. 43 Perso­nen sind daran gestor­ben. Schönert hatte „zugleich maxima­les Pech und maxima­les Glück“, wie er dem Redak­ti­ons­netz­werk sagt.

Gegen den Impfstoff­her­stel­ler Astra­Ze­neca möchte er nicht deshalb klagen, weil es ausge­rech­net ihn mit der Throm­bose erwischt hat. Sondern, weil er sich von dem Unter­neh­men ungerecht behan­delt fühlt. All seine Labor­da­ten und seine Krank­heits­ge­schichte hat er dem Unter­neh­men zur Verfü­gung gestellt. Darüber hinaus hat er sich auch einer Zweit- und Dritt­imp­fung unter­zo­gen, die medizi­nisch überwacht und wissen­schaft­lich beglei­tet wurde. All das habe er getan, um dabei zu helfen, den Impfstoff siche­rer zu machen, damit keiner einen Impfscha­den erlei­den muss.

Vom Unter­neh­men habe er dafür keiner­lei Anerken­nung erhal­ten und habe deshalb beschlos­sen, Astra­Ze­neca zu verkla­gen. Gemein­sam mit seinem Anwalt Joachim Cäsar-Preller will er das Vorha­ben durch­set­zen. Streit­summe sind moderate 30.000 Euro Schadens­er­satz, da Schönert über keine Rechts­schutz­ver­si­che­rung verfügt.

Wer haftet bei Impfschä­den oder Neben­wir­kun­gen?

In § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a IfSG ist klarge­stellt, dass für alle gesund­heit­li­chen Schäden, die im Zusam­men­hang mit Corona-Schutz­imp­fun­gen einge­tre­ten sind, bundes­ein­heit­lich ein Anspruch auf Entschä­di­gung besteht. Ärzte haften nur für einen Schaden, wenn sie tatsäch­lich auch einen Fehler gemacht, also schuld­haft etwas falsch gemacht haben. Das kann zum Beispiel die falsche Dosie­rung des Impfstoffs sein. Sollten sie den Patien­ten aber richtig über die bekann­ten Neben­wir­kun­gen und mögli­chen Schäden infor­miert haben, haften Ärzte nicht.

In beson­de­ren Fällen können aber auch die Herstel­ler des Impfstoffs selbst haften. Laut § 84 Absatz 1 Arznei­mit­tel­ge­setz (AMG) ist der Herstel­ler dann zum Schadens­er­satz verpflich­tet, wenn

  • das Arznei­mit­tel bei bestim­mungs­ge­mä­ßem Gebrauch schäd­li­che Wirkun­gen hat, die über ein nach den Erkennt­nis­sen der medizi­ni­schen Wissen­schaft vertret­ba­res Maß hinaus­ge­hen oder
  • der Schaden infolge einer nicht den Erkennt­nis­sen der medizi­ni­schen Wissen­schaft entspre­chen­den Kennzeich­nung, Fachin­for­ma­tion oder Gebrauchs­in­for­ma­tion einge­tre­ten ist.

Die Frage, die sich nun im Fall von Sebas­tian Schönert stellt, ist: Geht die Sinus­ve­nen­throm­bose über dieses Maß hinaus?

Eine Klage gegen einen Impfstoff­her­stel­ler ist auch dann denkbar, wenn Neben­wir­kun­gen auftre­ten, die noch nicht bekannt sind. In solchen Fällen müsste der Geschä­digte aller­dings genau darle­gen können, dass die schäd­li­che Wirkung auch tatsäch­lich wegen der Impfung aufge­tre­ten ist.

Impfstoff-Herstel­ler werden staat­lich entlas­tet

Doch auch wenn Schönert mit seiner Klage Erfolg haben sollte, haftet Astra­Ze­neca nur bedingt. Zwar kann der Herstel­ler für Impfschä­den verklagt und haftbar gemacht werden. Sollte das Unter­neh­men aber tatsäch­lich für einen Schaden aufkom­men müssen, übernimmt der Staat die Kosten dafür. Der Geschä­digte kann also seine Ansprü­che geltend machen, die Kosten trägt aber der Staat.

Impfschaden
Das Vakzin von Astra­Ze­neca gegen Covid-19 Bild: Rpianoshow/Dreamstime.com

Die besten Chancen auf Entschä­di­gung haben Betrof­fene vermut­lich, wenn sie ihre Ansprü­che direkt gegen­über dem Staat geltend machen. Laut Recher­chen des „Tages­spie­gel“ gab es bis Ende Januar 2022 1.630 Anträge auf Entschä­di­gung eines Impfscha­dens.

Vom zustän­di­gen Landes­amt Berlin heißt es, dass ein Anspruch auf Versor­gung nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz nur dann besteht, wenn die gesund­heit­li­che Schädi­gung länger als sechs Monate, also dauer­haft anhält und nicht folgen­los abheilt. Außer­dem muss die Schädi­gung ohne jeden Zweifel als direkte Folge der Impfung aufge­tre­ten sein. Unter Anwen­dung des Bundes­ver­sor­gungs­ge­set­zes (BVG) haben Betrof­fene im Bedarfs­fall Anspruch auf

  • Versor­gung mit Hilfs­mit­teln
  • Heil- und Kranken­be­hand­lung
  • Pflege­kos­ten
  • laufende Geldleis­tun­gen
  • Fürsor­ge­leit­stun­gen

Einen Pauschal­be­trag für die Geldleis­tun­gen gibt es demnach nicht. Der Grad der Schädi­gungs­folge bestimmt über die Höhe der Geldleis­tung. Ab einem Grad von 30 ist sogar eine monat­li­che Rente denkbar.

Ansprü­che geltend zu machen ist nicht einfach

Der Weg über den Rechts­streit, den Schönert und sein Anwalt Cäsar-Preller gewählt haben, ist zwar sicher­lich kein einfa­cher. Aber auch seinen Versor­gungs­an­spruch direkt beim Staat geltend zu machen, ist nicht leicht. Denn bis ein Impfscha­den anerkannt wird, kann einige Zeit verge­hen.

Laut „Tages­spie­gel“ wurde von den 1.630 Anträ­gen in Sachen Impfscha­den bisher nur ein Bruch­teil geneh­migt: 25 Antrags­stel­lern wurde eine Entschä­di­gung bezahlt oder bewil­ligt. 41 Fälle wurden abgelehnt.

Quelle: RND, tages­schau