Dürfen kirchliche Arbeitgeber die Religion eines Bewerbers als Entscheidungskriterium für eine Anstellung geltend machen? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zu dieser Frage eine zukunftsweisende Entscheidung gefällt.
Die Frage ist im Rahmen eines Rechtsfalls aufgekommen, in dem es im Konkreten um einen Rechtsstreit zwischen der konfessionslosen Bewerberin Vera E. und dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung ging, bei dem sich die Klägerin im Jahr 2012 beworben hatte. Bei der ausgeschriebenen Stelle ging es um eine Projektarbeit zur Erstellung eines Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung. Die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche war laut Stellenausschreibung Voraussetzung. Vera E. wurde allerdings zu keinem Vorstellungsgespräch eingeladen, was sie auf ihre Konfessionslosigkeit zurückführte und daher Klage gegen das Evangelische Werk einreichte. Sie verlangte eine Entschädigung von 9.788,65 Euro.
Der Sachverhalt war kein einfaches Spiel für die deutschen Gerichte und ihre Entscheidung ist nicht unbedeutsam für die Kirche als einer der größten Arbeitgeber. Ausgetragen wurde der Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht, das den EuGH in Luxemburg um Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie befragt hatte. In dieser ist geregelt, dass der Arbeitnehmer nicht wegen beispielsweise seiner Religion diskriminiert werden darf – gleichzeitig muss das Recht der Kirchen auf Autonomie gewahrt bleiben. Die Vorgaben zur Selbstbestimmung der Kirchen hat der Gerichtshof jetzt aufgelockert, womit er bereits in der Vergangenheit getroffene Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts überbietet. Gerichte dürfen nun prüfen, ob die Konfession relevant für die jeweilige Stellenausschreibung ist (Az.: C‑414/16).
Was bedeutet das für die Pflege?
Die Religionszugehörigkeit darf also nicht mehr generell für jede Stelle vorausgesetzt werden, sondern nur noch, wenn sie für die jeweilige Tätigkeit tatsächlich erforderlich bzw. „objektiv geboten“ ist. Dabei muss stets im Einzelfall abgewogen werden zwischen Selbstbestimmungsrecht der Kirche und den Grundrechten des Arbeitnehmers. Was könnte das konkret für den Bereich der Pflege bedeuten? In der Regel sind die Aufgaben eines Krankenpflegers nicht gebunden an eine kirchliche Glaubensrichtung, sie sind nicht „verkündungsnah“. In einzelnen Bereichen kann der Bezug zu einem Glauben hingegen durchaus eine Rolle spielen, so beispielsweise in der Hospiz- und Palliativversorgung. Möglicherweise wird in Zukunft also in den Stellenausschreibungen im Bereich der Pflege dahingehend zu differenzieren sein, ob die Religionszugehörigkeit als Voraussetzung für eine Anstellung angegeben werden darf.
Die Entscheidung in dem konkreten Einzelfall von Vera E. wird von den deutschen Gerichten erfolgen. Entscheidungen bzw. Auslegungen des EU-Rechts des EuGH sind allerdings verbindlich für die Rechtsprechung der Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten und müssen in jeweils nationales Recht übertragen werden.
Quelle: EuGH