Kinder empfinden den Aufenthalt auf der Intensivstation oft als besonders belastend. Sie verstehen nicht genau, welche Therapie durchgeführt wird und warum das notwendig ist. Auch die Abwägung von unmittelbaren Nachteilen gegenüber späteren Vorteilen – jetzt musst du ins Krankenhaus, aber in ein paar Monaten geht es dir dadurch wieder besser – ist gerade für kleine Kinder noch nicht zu verstehen.
Die Umgebung ist ungewohnt: Geräusche und Gerüche sind fremd, der Tagesablauf ist unvertraut und oft machen Schmerzen das Schlafen schwer. Kinder haben so häufig Angst auf der Intensivstation, was wiederum sich wiederum ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt.
Wie interprofessionelle Teams diese Angst durch angemessene und zielgruppengerechte Kommunikation reduzieren können, damit beschäftigt sich das Symposium „Reduktion von Angst bei kritisch kranken Kindern“ am 2. Dezember 2022 ab 16:30 Uhr beim diesjährigen DIVI22 – dem Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der vom 30. November bis 2. Dezember 2022 in Hamburg stattfinden wird. Dabei werden verschiedene Vertreter des gesamten intensivmedizinischen Teams zu Wort kommen – von der Physiotherapie über die Pflege bis hin zur Psychologie.
Intensivstation: Traumasensibel kommunizieren mit dem Kind
„Angst führt zu Stress, verstärkt Schmerzen und erhöht somit den Bedarf analgetischer und sedierender Medikamente mit den damit verbundenen Nebenwirkungen. Es ist wichtig, sich der Angst der intensivmedizinisch betreuten Kinder und ihrer Angehörigen bewusst zu sein und interprofessionell zur Angstreduktion beizutragen. Dadurch kann der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst und das Risiko für ein Postintensive Care Syndrom reduziert werden“, erklärt DIVI-Kongresspräsident Professor Sebastian Brenner, Bereichsleiter der interdisziplinären Pädiatrischen Intensivmedizin im Fachbereich Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Uniklinik Dresden.
Speziell zum Thema „Traumasensible Kommunikation des Behandlungsteams“ wird Cynthia Pönicke, Psychologin auf der Kinderintensivstation der Uniklinik Dresden, referieren. „Ich glaube, dass wir uns oft gar nicht bewusst sind, was wir durch Kommunikation bewirken können – auch im Negativen. Gerade in sensiblen Situationen wie in der Kinderintensivmedizin kann das fatale Folgen wie zum Beispiel Re-Traumatisierungen oder Flashbacks haben.“
Traumasensible Kommunikation könne dazu beitragen, Kindern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, Ängste abzubauen und Stress zu reduzieren. „Es geht zum Beispiel weniger darum, mit dem Kind sämtliche Details seines Unfalls zu besprechen, sondern sich an den Fragen des Kindes zu orientieren und gemeinsam die aktuelle Situation in den Blick zu nehmen. Was ist jetzt wichtig und was können wir jetzt tun, damit sich das Kind sicherer fühlt?“, ergänzt Pönicke. Manchmal kann da schon ein spezielles Kuscheltier helfen, manchmal auch eine bestimmte Bezugsperson wie der große Bruder.
Entspannte Eltern, entspanntes Kind
Die psychologische Verfassung des Kindes wird ganz entscheidend von den Eltern beeinflusst. Je eher die Eltern in der Lage sind, in dieser belastenden Situation stabil zu bleiben, desto eher kann sich auch das Kind entspannen.
„Je stabiler die Eltern sind, desto besser ist das für das Kind. Deswegen zielen unsere Bemühungen darauf, die Eltern möglichst zu stabilisieren und sie zu befähigen, für das Kind da sein zu können. Und sie auch dabei zu unterstützen, ihre eigenen Grenzen zu respektieren“, erklärt Dr. Teresa Deffner, Psychologin auf der Operativen Intensivstation am Uniklinikum Jena. „Die Anleitung und Begleitung der Eltern kritisch kranker Kinder ist dabei eine koordinierte Teamleistung, die den Pflegenden und Ärzten Tag und Nacht obliegt und durch unsere psychologische Elternbegleitung unterstützt wird.“
Pflegenotstand auch in der Kindermedizin
Oft fehlt es leider an Personal für die Unterstützung der Eltern. Denn der Mangel an Pflegekräften macht auch vor der Kindermedizin nicht halt. Viele Kinderintensivstationen mussten aufgrund von Unterbesetzung in den vergangenen Jahren Betten abbauen und stehen kurz davor, schließen zu müssen. Im Januar 2022 beklagten ein Oberarzt und eine Pflegefachkraft im Interview mit der Zeit, dass die Triage in der Kinderintensivmedizin seit Jahren – bereits vor der Coronapandemie – Realität sei, da aufgrund des Personalmangels Patienten abgewiesen werden müssten.
Dieses Problem hatte die Fraktion DIE LINKE schon 2019 mit einer Kleinen Anfrage adressiert, in der es um die Entwicklung der Kinder- und Jugendmedizin ging. Die damalige Bundesregierung kam zu dem Schluss, dass eine strukturelle Unterversorgung nicht gegeben sei. Kritiker bemängelten damals, dass die Regierung keine Angaben zu den aufgrund von fehlendem Fachpersonal gesperrten Betten machte, die deshalb weiterhin als verfügbar definiert wurden.
Man darf gespannt sein, ob die amtierende Regierung die Situation auf den Intensivstationen in den Griff bekommt. Der Koalitionsvertrag legt immerhin fest, dass „[b]ei der intensivpflegerischen Versorgung […] die freie Wahl des Wohnorts erhalten bleiben [muss].“