Eine Klinik­be­trei­be­rin stritt mit ihrem Betriebs­rat gericht­lich darüber, ob die vom Betriebs­rat festge­setzte Zahl von Pflege­fach­kräf­ten für die Schicht­be­set­zung rechtens ist. Im Frühjahr 2013 wurde eine Einigungs­stelle zum Arbeits- und Gesund­heits­schutz gebil­det, da sich die Arbeit­ge­be­rin und der Betriebs­rat schon des Öfteren wegen der Perso­nal­min­dest­be­set­zung auf bestimm­ten Statio­nen gestrit­ten haben.

Insge­samt drei Gutach­ten zur Belas­tungs- und Gefähr­dungs­si­tua­tion des Pflege­per­so­nals wurden im Rahmen des Einigungs­ver­fah­rens einge­holt, aller­dings konnten sich die Betei­lig­ten nicht auf eine Bewer­tung der Ergeb­nisse einigen. Daher setzte die Einigungs­stelle im Dezem­ber 2016 eine bestimmte Fachkraft­zahl für bestimmte Schicht­si­tua­tio­nen fest. Hierge­gen richtete sich die Beschwerde der Arbeit­ge­be­rin.

Entge­gen dem Beschluss des Arbeits­ge­richts Kiel wurde in zweiter Instanz von dem Landes­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Holstein entschie­den, dass die gemach­ten Vorga­ben für die Perso­nal­min­dest­be­set­zung nicht recht­mä­ßig sind.

AG Kiel: Grund­recht auf körper­li­che Unver­sehrt­heit

Das Arbeits­ge­richt (AG) Kiel berief sich auf die jewei­li­gen Gutach­ten, denen zufolge die psychi­sche und physi­sche Belas­tungs­grenze der Fachkräfte in Krisen­si­tua­tio­nen mit Wahrschein­lich­keit überschrit­ten werde – beispiels­weise bei Patien­ten mit erhöh­tem Pflege­be­darf oder bei Vorlie­gen von Kompli­ka­tio­nen. Eines der Gutach­ten beinhal­tete zudem eine wissen­schaft­lich fundierte Berech­nungs­weise dazu, wie man den Belas­tun­gen mit entspre­chen­den Arbeits­be­din­gun­gen begeg­nen kann.

Laut dem Kieler Beschluss hat der Betriebs­rat zunächst einmal ein „erzwing­ba­res Mitbe­stim­mungs­recht bei betrieb­li­chen Regelun­gen über den Gesund­heits­schutz“, das sich aus § 87 Absatz 1 Nummer 7 BetrVG ergibt. Dies gelte auch in diesem Fall, bei dem konkrete Gefähr­dun­gen durch eine Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung festge­stellt worden sind. Die Vorga­ben zur Perso­nal­be­set­zung seien eine durch­aus vertret­bare Maßnahme, die auch von einer Einigungs­stelle entschie­den werden kann.

Zwar steht diese Regelung mit der unter­neh­me­ri­schen Freiheit (Artikel 12 Grund­ge­setz) in Konflikt, aller­dings überwiegt in diesem Fall das Grund­recht des Arbeit­neh­mers auf körper­li­che Unver­sehrt­heit gemäß Artikel 2 Absatz 2 GG und Artikel 31 der EU-Grund­rechte-Charta.

LAG: Gefähr­dun­gen müssen festste­hen

Nun hat das LAG Schles­wig-Holstein als nächst höhere und zweite Instanz eine gegen­tei­lige Entschei­dung getrof­fen. Es wurde angeführt, dass der Arbeit­ge­ber erst den Handlungs­mit­be­stim­mun­gen des Betriebs­ra­tes unter­le­gen ist, wenn Gefähr­dun­gen tatsäch­li­che festste­hen oder im Rahmen einer Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung festge­stellt sind. Die Beurtei­lung, ob eine Gefähr­dung vorliegt, obliegt nicht der Einigungs­stelle. Sie überschritt „formal ihre Kompe­tenz“, heißt es in der Presse­mit­tei­lung zur Entschei­dung des Gerichts. Schließ­lich habe sie ihre Entschei­dung auf unzuläs­sige Feststel­lun­gen zu bestehen­den Gefähr­dun­gen begrün­det. Außer­dem hat der Betriebs­rat keine Mitbe­stim­mung in Bezug auf die Perso­nal­pla­nung des Arbeit­ge­bers. Letzt­lich müsse der Schutz vor Belas­tung der Arbeit­neh­mer durch andere Maßnah­men erzielt werden, etwa auf organi­sa­to­ri­scher Ebene.

Rechts­be­schwerde gegen den Beschluss des LAG Schles­wig-Holstein kann noch einge­legt werden, er ist also noch nicht rechts­kräf­tig.

Quelle: Justiz SH