Eine Altenpflegerin war seit 1991 bei einem Wohnstift sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nebenbei bezog sie ein zusätzliches Einkommen, indem sie für mehrere Pflegeeinrichtungen als Altenpflegerin tätig war. Nun klagt eine dieser Einrichtungen vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart gegen die zuständige Behörde (Beklagte). Es geht um das Beschäftigungsverhältnis der Pflegerin.
Der Streitfall
Seit Dezember 2006 ist die Pflegerin bei der Klägerin tätig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Altenpflegerin ihre Arbeit in der Pflegeeinrichtung vom 19. Dezember 2006 bis 31. Juli 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verrichtet hat und ob Versicherungspflicht für die jeweiligen Zweige der Sozialversicherung besteht.
Am 4. Juni 2007 hatte die Pflegerin bei der Beklagten Aufklärung bezüglich ihres sozialversicherungsrechtlichen Status beantragt. Dabei machte sie folgende Angaben zu ihrer Arbeit:
- Die Altenpflegerin ist neben ihrer Tätigkeit im Wohnstift bei sieben verschiedenen Einrichtungen tätig.
- Sie bietet Altenpflege ausschließlich für ältere Menschen an, die aufgrund ihres vorangeschrittenen Alters Pflege benötigen. Gleichzeititg arbeitet die Pflegerin hauptsächlich als Nachtwache.
- Die Pflegerin bietet ihre Tätigkeit freiberuflich zu einem bestimmten Stundensatz an, nimmt Aufträge je nach Freizeitbestand an, oder lehnt sie ab. Sie muss sich nicht an organisatorischen Aufgaben, Besprechungen oder Schulungen der Auftraggeber beteiligen und hat dort keine Vorgesetzten.
- Ihre Arbeitszeit, ihren Arbeitsplatz und ihre Arbeitsgestaltung bestimmt sie zumeist selbst. Sie verfügt zudem über keinerlei Zulassung der Kranken- und Pflegekassen, da sie fast nur im Nachtdienst arbeitet.
Mit Anhörungsschreiben vom 3. Juli 2007 übergab die Beklagte die Information, dass es beabsichtigt sei, die Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Verhältnisses festzustellen. Einen Monat später gab die beklagte Behörde der Klägerin und der Pflegekraft genau über diesen Befund Bescheid. Der Widerspruch der Klägerin wurde abgelehnt, sodass die Einrichtung Klage vor dem SG Stuttgart erhob.
Das SG urteilte am 26. April 2012, dass die Pflegerin von Dezember 2006 bis Juli 2007 ihre Tätigkeiten in einem selbstständigen Rahmen verrichtete (Az.: S 19 R 2067/08). Gegen das Gerichtsurteil legte wiederum die Beklagte Berufung vor dem LSG Baden-Württemberg ein.
Die Berufung war jedoch erfolglos. Zu Unrecht hatte die Beklagte eine Versicherungspflicht für die Kranken- und Rentenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
Selbstständig bedeutet, selbst bestimmen
Laut Rechtsprechung gilt eine Beschäftigung als sozialversicherungspflichtig, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Arbeitet der Arbeitnehmer wie in diesem Fall in einem fremden Betrieb, muss er für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis fest in den Betrieb eingebunden sein. Dies umfasst, dass der Arbeitnehmer dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit unterliegt. Vergleiche hierzu auch § 611a BGB.
In diesem Fall hat die Pflegerin ihre Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen einer selbstständigen Beschäftigung ausgeübt. Die Altenpflegerin ist nicht in die Betriebsabläufe der Einrichtung integriert gewesen. Ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort bestimmte sie selbst vorab. Zudem arbeitete sie lediglich als Vertretung in der Nachtwache und verrichtete keine Nachtschichten, wie die anderen festangestellten Pflegekräfte. Einzelweisungen sind daher nicht notwendig gewesen.
All diese Umstände sprechen für eine selbstständige Tätigkeit der Altenpflegerin.
Wichtig: Eine selbstständige Tätigkeit ist durch das eigene Unternehmerrisiko, eigene Betriebsstätten und durch die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, die Tätigkeiten und die Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Art der Vergütung stellt weder ein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung dar, noch ist sie ein Indiz für Selbstständigkeit.
Praxistipp: Um Klarheit in solchen Fällen zu schaffen und nicht plötzlich von hohen Nachzahlungssummen überrascht zu werden, können Arbeitgeber oder Beschäftigte die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen.
FAQ
Wer haftet, wenn der sozialversicherungsrechtliche Status einer Pflegekraft falsch bewertet wurde?
Wenn der sozialversicherungsrechtliche Status einer Pflegekraft falsch bewertet wurde, haftet der Arbeitgeber für eventuelle Nachzahlungen an die Sozialversicherung. Es ist jedoch möglich, den Status vorab durch die Deutsche Rentenversicherung Bund prüfen zu lassen. Im vorliegenden Fall urteilte das Sozialgericht Stuttgart, dass die Pflegekraft selbstständig tätig war, da sie nicht in den Betrieb der Pflegeeinrichtung eingebunden war und ihre Arbeitszeit sowie den Arbeitsort selbstständig bestimmte.
Welche Rechte hat eine Pflegekraft, die als selbstständig eingestuft wird?
Eine Pflegekraft, die als selbstständig eingestuft wird, hat das Recht, ihre Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Annahme von Aufträgen frei zu bestimmen. Im vorliegenden Fall arbeitete die Altenpflegerin freiberuflich für mehrere Einrichtungen und war nicht weisungsgebunden. Ein selbstständiges Beschäftigungsverhältnis bedeutet, dass die Pflegekraft nicht in die betrieblichen Abläufe eingebunden ist und ein eigenes Unternehmerrisiko trägt.
Was tun, wenn der sozialversicherungsrechtliche Status einer Pflegekraft unklar ist?
Wenn der sozialversicherungsrechtliche Status einer Pflegekraft unklar ist, sollte eine Klärung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden. Dies schützt vor unerwarteten Nachzahlungen oder rechtlichen Konsequenzen. Im beschriebenen Fall stellte die Pflegekraft selbst einen Antrag auf Klärung ihres Status, nachdem sie freiberuflich für mehrere Pflegeeinrichtungen tätig war. Letztlich entschied das Gericht, dass sie selbstständig und nicht sozialversicherungspflichtig war.
Quelle: LSG Baden-Württemberg vom 15. November 2016 – L 11 R 4602/15 = RDG 2017, S. 80–82.