Was hat es auf sich mit der vielbeschworenen Abnehmspritze?
Dabei hat es sich allerdings als überaus wirksam erwiesen, denn es
- senkt den Blutzuckerspiegel
- verlangsamt die Magenentleerung
- und erzeugt ein Sättigungsgefühl
Als „Hungerbremse“ kann das Medikament so auch auf dem Weg zum Normalgewicht erstaunliche Erfolge verzeichnen.
Volkskrankheit Übergewicht
Statistisch betrachtet ist Normalgewicht in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Schon 2013 waren gemäß Robert Koch-Institut 49 Prozent der Frauen und 64 Prozent der Männer von Übergewicht betroffen. Dieser Anteil ist weitestgehend gleichgeblieben, mit steigender Tendenz zur Adipositas, der krankhaften Form von Übergewicht.
Maßstab für Adipositas
Ein Indikator für Übergewicht bzw. Adipositas ist unter anderem der Body Mass Index (BMI) nach dem Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Übergewicht liegt demnach ab einem BMI von 25 vor, Adipositas beginnt ab einem BMI von 30.
Für Menschen, die explizit an Adipositas oder Übergewicht mit einer daraus resultierenden Begleiterkrankung wie Diabetes leiden, hat der dänische Ozempic-Hersteller Novo Nordisk die höher dosierte Spritze Wegovy auf den Markt gebracht. Betroffene sollen damit ihr Körpergewicht um bis zu 17% reduzieren und somit Folgeerkrankungen vermeiden können. Die Spritze ist als verschreibungspflichtiges Abnehmpräparat seit 2021 in den USA und seit 2022 in Europa zugelassen. In Deutschland ist sie seit dem Sommer 2023 erhältlich.
Abnehmspritze ist kein Wundermittel
Doch Wundermittel gibt es bekanntlich nur im Märchen. Daran ändert auch der Hype nichts, den schlank-gespritzte US-Stars und Sternchen seit der Zulassung ausgelöst und in die Welt getragen haben. „Das Arzneimittel wird zur Gewichtsregulierung gegeben, wenn gleichzeitig eine kalorienreduzierte Ernährung und verstärkte körperliche Aktivität eingehalten wird“, heißt es im Beipackzettel von Wegovy. Es ist also nicht damit getan, sich einmal wöchentlich eine Spritze in den Bauch zu jagen und abzuwarten, bis die Pfunde purzeln.
Off-Label verfehlt Zielgruppe
Die Verschreibung von Medikamenten außerhalb zugelassener Anwendungsgebiete ist nicht verboten, weshalb ein Arzt die Abnehmspritze zum Beispiel auch einer normalgewichtigen Patientin verschreiben kann, die schnell ein paar Kilos für die perfekte Bikinifigur im Urlaub verlieren will. Dieser sogenannte Off-Label-Gebrauch birgt aber Gefahren und Nachteile, die sich im Fall der Abnehmspritze wie folgt darstellen:
1. Starke Nebenwirkungen möglich
Wegovy kann starke Nebenwirkungen auslösen, die in erster Linie den Magen-Darm-Trakt betreffen. Darüber hinaus können Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase entstehen. Weitere Daten deuten auf ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs hin. Zudem mehren sich Berichte von Betroffenen, die Depressionen und Suizidgedanken entwickelt haben.
2. Langzeitwirkung unbekannt
Da Wegovy noch nicht lange als Medikament zugelassen ist, fehlen entsprechende Erkenntnisse zur Langzeitwirkung. Experten gehen aber davon aus, dass die Spritze bei Menschen mit „kleineren“ Gewichtsproblemen nicht so eine starke Wirkung erzielt, wie bei Menschen mit extremen bzw. krankhaftem Übergewicht. Die Tatsache, dass nach dem Absetzen der Spritze das Gewicht auf jeden Fall wieder steigt, spricht ebenfalls gegen den Einsatz im Sinne einer Blitzdiät. Bei der eigentlichen Zielgruppe der Adipösen und Übergewichtigen, gehen Experten ohnehin von einer lebenslangen Einnahme des Medikaments aus.
3. Lieferengpässe beim Diabetes Medikament Ozempic
Nachdem die Abnehmspritze in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt war, führte die gestiegene Nachfrage zeitweilig zu einem Lieferengpass des Medikaments Ozempic. Im Gegensatz zum Hersteller Novo Nordisk, der sich infolge des Hypes inzwischen zum wertvollsten Börsenunternehmen Europas gemausert hat, hatten Diabetes-Patienten, die auf Ozempic angewiesen waren, dabei das Nachsehen.
Dass in dieser Zeit vielfach das günstigere Ozempic statt das als Abnehmpräparat zugelassene Wegovy verschrieben wurde, führt zu einem weiteren Punkt: Die wöchentliche Abnehmspritze muss man sich leisten können, denn die Kosten haben die Patienten in der Regel selbst zu tragen. Sie belaufen sich in Deutschland auf rund 300 Euro pro Monat, in den USA liegen sie bei mehr als 1.000 Euro.
Der große Gewinner
Auch wenn sich das Pharmaunternehmen Novo Nordisk mittlerweile mit heftiger Kritik rund um Interessenskonflikte, intransparente Honorarzahlungen, fragwürdige Spenden und PR-Kampagnen konfrontiert sieht, spiegeln die neuesten Zahlen den großen Erfolg wider:
- 500 Milliarden Dollar Börsenwert
- Ein Rekordhoch von 104 Euro pro Aktie
- 36 Prozent mehr Umsatz im Jahr 2023
- 4,2 Milliarden Euro Umsatz mit Wegovy
- 12,8 Milliarden Euro Umsatz mit Ozempic
- 40 Millionen Menschen, die weltweit von Wegovy und Ozempic profitieren
Bei diesen Aussichten verwundert es kaum, dass Konkurrenzunternehmen wie Eli Lilly mit eigenen Abnehmmitteln wie dem kürzlich dafür zugelassenen Präparat Mounjaro auf den Zug aufspringen.
Fazit zur Abnehmspritze
Die Abnehmspritze mag in ihrer Wirkung einen Durchbruch bedeuten und könnte Millionen Menschen dabei helfen, gewichtsassoziierte Volkskrankheiten wie Adipositas oder Diabetes Typ 2 in den Griff zu bekommen und weitere Folgeerkrankungen zu verhindern.
Es sollte bei aller Euphorie aber nicht vergessen werden, dass der Durchbruch dieser Spritze auch auf einem hausgemachten Problem beruht: Denn letztendlich sind Übergewicht und Diabetes oft eine Folge von schlechter Ernährung, Bewegungsmangel und psychischer Probleme gepaart mit der ständigen Verfügbarkeit von Lebensmitteln. Vor diesem Hintergrund ist es auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sicherlich sinnvoller auf Prävention und Aufklärung zu setzen als auf eine lebenslange Spritze – günstiger ist es sowieso.
Quellen:
- „Abnehmspritzen auf Erfolgskurs“, Deutschlandfunk vom 30. Juni 2024
- „Abnehmspritze: Was hinter dem Hype um Wegovy und Ozempic steckt“, ikk-classic
- Beipackzettel von WEGOVY 0,25 mg FlexTouch Injektionslsg.Fertigpen, Apothen-Umschau
- Adipositas: Ursachen für Fettleibigkeit erkennen, behandeln.“ NDR vom 23. Januar 2024
- „Befürchteter Ansturm auf Semaglutid bei Adipositas bisher ausgeblieben.“ Deutsches Ärzteblatt vom 1. August 2023
- „Wegovy-Hersteller Novo Nordisk sorgt für Diskussion um Interessenkonflikte in der Medizin.“ MDR Wissen vom 8. Dezember 2023
- „Novo Nordisk knackt an der Börse die 500-Milliarden-Dollar-Marke.“ Handelsblatt vom 31. Januar 2024