Unter der Landesregierung der SPD in Schlesweig Holstein wurden seit Dezember 2015 die Arbeiten aufgenommen, eine Pflegeberufekammer auf den Weg zu bringen. Mitglieder wurden bereits registriert, mit dem Ziel im Sommer 2018 die erste Kammerwahl durchführen zu können. Noch vor wenigen Monaten äußerte sich Kristin Alheit (SPD) optmistisch und erklärte, dass sie den Pflegenden mittels der Kammer „erstmals institutionalisierte Mit- und Selbstbestimmung über Ihre beruflichen Belange“ ermöglichen möchte.
Kontra Pflegeberufekammer: CDU, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände
Die CDU, die in den vergangenen Landtagswahlen im Mai 2017 als Sieger hervorgegangen ist, positioniert sich hingegen deutlich gegen die Errichtung einer Pflegeberufekammer. In ihrem Wahlprogramm heißt es: „Wir werden die eingeführte Zwangsverkammerung von ca. 25.000 Pflegekräften mit Pflegebeiträgen abschaffen und stattdessen einen freiwilligen Pflegering nach bayrischem Modell einführen.“
Auch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände stehen einer Pflegeberufekammer grundsätzlich kritisch gegenüber. Sie sehen keinen Nutzen in einer Kammer und sind der Meinung, dass Themen wie Personal und Bezahlung in der Pflege bereits durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vertreten werden. So äußert sich beispielsweise der Arbeitgeberverband Pflege auf seinem Webseitenauftritt folgendermaßen dazu: „Eine Kammer wird die vorherrschenden Herausforderungen für die Pflege nicht bewältigen können. Ganz im Gegenteil: Die Errichtung einer neuen Behörde ist eine unsinnige Verschwendung von Steuergeldern und dem hart verdienten Geld ihrer Zwangsmitglieder. Statt einer teuren und unnützen Mammutbehörde, die auf Kontrolle, Zwang und Pflichten basiert, brauchen wir deutlich bessere Personalschlüssel, mehr Vertrauen in die Kompetenz der Pflegekräfte und eine bessere finanzielle Ausstattung der Einrichtungen.“
DBfK: „Der Pflegering ist keine Alternative“
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest sieht in der Errichtung eines Pflegerings keine Alternative für eine Pflegeberufekammer: „Die Pflegequalität und damit der Verbraucherschutz kann nicht denen überlassen werden, die für Personalabbau und völlig unzureichende Arbeitsbedingungen stehen“ so Martin Dichter, Vorsitzender des DBfK Nordwest.
Während die Pflegeberufekammer als klassische Selbstverwaltung die Belange der beruflich Pflegenden in die Hände der Pflegefachpersonen lege, stelle ein Pflegering durch die Beteiligung der Arbeitgeber und anderer Organisationen nicht mal im Ansatz ein gleichwertiges Instrument dar, so Dichter weiter. Vielmehr untermauere ein Pflegering den Unwillen, die Emanzipation der Pflege von den Interessen anderer zu befreien.
Pflegende sollen selbst über Mitgliedsbeitragshöhe entscheiden
Laut Swantje Seismann, stellvertretende Vorsitzende im DBfK Nordwest, sei es als Körperschaft des öffentlichen Rechts Aufgabe der Pflegeberufekammer, die Qualität der Pflege in Schleswig-Holstein sicherzustellen. Dies gelinge durch eine Verpflichtung aller Pflegefachpersonen auf eine Berufsordnung und Qualitätsstandards, die aus der eigenen Berufsgruppe entwickelt werden. „Nur eine verpflichtende Mitgliedschaft aller Angehörigen der Berufsgruppe legitimiert die Pflegeberufekammer, genau diese Aufgabe zu übernehmen“, so Seismann.
Der Mitgliedsbeitrag könne kein ernsthaftes Argument gegen eine Pflegeberufekammer sein. So weist die Beitragsordnung aus Rheinland-Pfalz einen Basisbetrag von monatlich lediglich 9,80 Euro aus. Wichtig sei außerdem, dass die Pflegenden selbst über die Beitragshöhe entscheiden und durch den Mitgliedsbeitrag die Unabhängigkeit der Kammer sichergestellt werde.
Karl-Josef Laumann fordert eine Bundespflegeberufekammer
Der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Patienten und Pflege, Karl-Josef Laumann (CDU), hat erst kürzlich die zeitnahe Errichtung einer Pflegeberufekammer in Nordrhein-Westfalen und eine Bundespflegeberufekammer auf Bundesebene gefordert. „Das heißt die CDU Schleswig-Holstein verfolgt hier einen politischen Irrweg, der selbst von den Pflegefachpolitkern in der eigenen Partei abgelehnt wird,“ sagt Dichter.
Pflegeberufekammer wird politische Verhandlungsmasse
In Bayern, wo aktuell eine sogenannte Pflegevereinigung die Arbeit aufnimmt, haben alle 17 anerkannten Berufsverbände sowie der Deutsche Pflegerat (DPR) eine Beteiligung am dortigen Pflegering ausgeschlossen. Bei der Gründung einer Bundespflegeberufekammer würde eine Pflegevereinigung aus Schleswig-Holstein ebenso wie die entstehende bayerische Pflegevereinigung nicht berücksichtigt werden.
„Dass die entstehende Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein als politische Verhandlungsmasse in den Ring geworfen wird, ist eine große Enttäuschung für die beruflich Pflegenden und nicht hinnehmbar,“ sagt Seismann abschließend. Einmal mehr würde damit zum Ausdruck gebracht, dass die beruflich Pflegenden hierzulande nicht den Stellenwert haben, der ihnen in anderen Ländern schon lange zugedacht wird.
Quelle: DBfK, AGVP, CDU SH
2 Kommentare
„Lediglich“ 9,80 Euro im Monat (Basisbetrag, kann also auch mehr sein) ist bei der üblichen Bezahlung in der Pflege nicht wenig. Das ist z.B. ein Tageszeitungsabonnement. Die Pflegequalität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich sehe nicht ein, als Arbeitnehmer die Kosten dafür übernehmen zu müssen. Statt endlich eine substanziell besseren Bezahlung einzuführen (wurde mir bereits bei Berufsbeginn vor 25J. versprochen, Plegenotstand usw.) wird nun auch noch Geld abgezogen für unsinnige Mehrfachstrukturen: Berufsverband, Gewerkschaften, Kammer. Die Zwangsmitglieder anderer Kammern möchten diese meist gerne los werden.
Die Pflegeberufe werden schlecht bezahlt. Für mehr Verantwortung, z.B. Leitungsfunktion, Praxisanleiter gibt es lächerliche Zuschläge von 30 ‑100,- Euro Netto im Monat. Mehr Geld wurde mir schon bei Beginn meiner Tätigkeit vor 25. J. Versprochen, aufgrund des Pflegenotstandes würde das irgendwann kommen. Nix! Unter dieser Verraussetzung sind 9,80 Euro (Basisbeitrag, es kann also auch mehr sein) eine Menge Geld. Ich erinnere nochmal an die mickrigen Zuschläge für erhebliche Mehrarbeit. Mein Zeitungsabonnement kostest in etwa so viel und davon habe ich täglich etwas.. Pflegequalität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ich möchte dafür nicht noch zusätzlich zu meiner Arbeit zahlen. Einen zusätzlichen Nutzen zweifle ich an. Mehr Bürokratie, mehr Strukturen zusätzlich zu bestehenden Berufsverbänden und Gewerkschaften.Die Pflegeheloten dürfen für irgendwelche Bonzen-Versorgungsplätze bezahlen. An der täglichen Arbeit wird es mit der Kammer keinen spürbaren Unterschied geben. Ich allen verkammmerten Berufen wollen die Zwangsmitglieder diese gerne wieder los werden – für die Pflege eine Warnung!