Karies
Karies weit fortge­schrit­ten Bild: © Ia64 | Dreamstime.com

Der Trend zu mehr Zahnge­sund­heit und weniger Karies bei Kindern scheint gebro­chen: Laut einer Statis­tik der AOK Rheinland/Hamburg sind zuletzt bei 28,6 Prozent der Kinder bereits vor Errei­chen ihres siebten Lebens­jah­res Füllun­gen abgerech­net worden.

Hinzu kommt eine mutmaß­lich hohe Zahl von Kindern, deren Karies bislang entwe­der nicht erkannt, oder aber erkannt, jedoch nicht behan­delt wurde. Damit liegt die von der Weltge­sund­heits-Organi­sa­tion (WHO) formu­lierte Zielquote von mindes­tens 80 Prozent der Sechs- bis Sieben­jäh­ri­gen mit natur­ge­sun­den Zähnen in weiter Ferne.

Das meldete die gesetz­li­che Kranken­kasse mit mehr als drei Millio­nen Versi­cher­ten, deren Gebiet das Bundes­land Hamburg und den rheini­schen Teil von NRW umfasst, anläss­lich des bevor­ste­hen­den Beginns des neuen Schul­jah­res in beiden Bundes­län­dern.

Die Daten sind auch im AOK-Gesund­heits­re­port 2024 [PDF] zu finden, der im April dieses Jahres veröf­fent­licht worden war.

Für ihre Auswer­tung hatte die AOK Rheinland/Hamburg stich­pro­ben­ar­tig die Daten von tausen­den Versi­cher­ten der Gebur­ten­jahr­gänge 2015 und 2016 analy­siert und dabei die Abrech­nun­gen des Zeitraums von 2016 bis 2022 betrach­tet.

So konnte nachvoll­zo­gen werden, ob schon vor dem Eintritt in die Schule im Jahr 2023 Füllun­gen abgerech­net worden sind. In 28,6 Prozent der Fälle war dem so.

Karies: Zahlrei­che unent­deckte Fälle sind zu vermu­ten

Hinzu kommt eine mutmaß­lich hohe Zahl an unent­deck­ten Fällen: Bereits im Jahr 2016 hatte die Deutsche Arbeits­ge­mein­schaft für Jugend­zahn­pflege e.V. (DAJ) mit Sitz in Bonn eine Studie heraus­ge­ge­ben, nach der deutsch­land­weit gerade einmal 56,4 Prozent der Sechs- und Sieben­jäh­ri­gen über ein natur­ge­sun­des Gebiss verfüg­ten – 43,6 Prozent also nicht.

Waren die Kinder von Karies betrof­fen, so war nur etwa jeder zweite kariöse Milch­zahn zahnärzt­lich behan­delt worden. Das würde also bedeu­ten, dass etliche kariöse Zähne bei den Lernan­fän­ge­rin­nen und Lernan­fän­gern unbehan­delt sind, und diese Kinder demzu­folge natür­lich nicht in den ärztli­chen Abrech­nun­gen auftau­chen.

„Karies­pro­bleme müssen von Anfang an ernst genom­men werden. Es handelt sich dabei um die häufigste chroni­sche Erkran­kung im frühen Kindes­al­ter. Ein kariö­ses Milch­ge­biss kann weitrei­chende Folgen haben und sich negativ auf die Entwick­lung des Kindes auswir­ken.

Karies kann beispiels­weise zu Schmer­zen beim Kauen führen oder zu Fehlstel­lun­gen der bleiben­den Zähne, wenn die Milch­zähne als Platz­hal­ter wegfal­len. In schlim­men Fällen wird sogar die Sprach­ent­wick­lung des Kindes beein­träch­tigt“, sagt Kiefer­or­tho­pä­din Dr. Gabri­ella Németh von der Zahnkli­nik der AOK Rheinland/Hamburg in Düssel­dorf.

Im regio­na­len Vergleich zeigten sich bei der Unter­su­chung der Kranken­ver­si­che­rung deutli­che regio­nale Unter­schiede. Während im Durch­schnitt 71,4 Prozent der Kinder der Geburts­jahr­gänge 2015 und 2016 bisher keine Zahnfül­lun­gen aufwie­sen, lagen inner­halb des Geschäfts­ge­biets der Kasse die nieder­rhei­ni­schen Kreise Viersen (75,9 Prozent) und Kleve (75,8 Prozent) ganz vorne, gefolgt von den bergi­schen Städten Remscheid (75,6 Prozent) und Solin­gen (75,3 Prozent) sowie dem benach­bar­ten Kreis Mettmann (74,9 Prozent).

Am anderen Ende des Feldes lagen Köln (69,5 Prozent), Oberhau­sen (68,6 Prozent), die Hanse­stadt Hamburg (67,5 Prozent) und Mönchen­glad­bach (67,3 Prozent).

Zahnge­sund­heit bei Kindern hatte sich über Jahrzehnte verbes­sert

Über Jahrzehnte war dagegen die Entwick­lung der Zahnge­sund­heit von Kindern in Deutsch­land ausge­spro­chen positiv verlau­fen. Wie der „Stern“ 2014 vermel­dete, sei die durch­schnitt­li­che Zahl der kariö­sen Zähne bei Zwölf­jäh­ri­gen laut einer Studie aus jenem Jahr von 7 in den 1980er-Jahren auf 0,7 gesun­ken – also ein Rückgang um 90 Prozent.

Den Karies-Rückgang führten die Forscher auf die Kampa­gnen für konse­quen­tes Zähne­put­zen und Fluorid­ga­ben in Zahncremes zurück. Mit wachsen­dem Wohlstand einer Gesell­schaft, und dem damit einher­ge­hen­den erhöh­ten Zucker­kon­sum, erhöhe sich zunächst die Karies-Inzidenz; im Fall von Deutsch­land hätten jedoch die Gegen­maß­nah­men gegrif­fen.

Auch eine Studie des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) aus dem Jahr 2018 war zum Ergeb­nis gekom­men, dass sich die die Zahnputz­häu­fig­keit und die Inanspruch­nahme zahnärzt­li­cher Vorsor­ge­un­ter­su­chun­gen bei Kindern und Jugend­li­chen im Vergleich zu einem Jahrzehnt zuvor verbes­sert habe.

Aller­dings putze sich laut der Erhebung ein Fünftel der Kinder und Jugend­li­chen zu selten die Zähne und nehme zu selten zahnärzt­li­che Vorsor­ge­un­ter­su­chun­gen in Anspruch. Beson­dere Risiko­grup­pen seien hier Jugend­li­che zwischen 14 und 17 Jahren, sowie Kinder und Jugend­li­che mit niedri­gem sozio­öko­no­mi­schen Status und mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund.

Bereits im Alter von sechs Monaten beginnt das Vorsor­ge­pro­gramm der gesetz­li­chen Kranken­kasse; ab dem sechs­ten Lebens­jahr sollte jedes Kind mindes­tens zweimal im Jahr zum Zahnarzt. Zudem übernimmt die AOK Rheinland/Hamburg die Kosten für die Zahnver­sie­ge­lung der karies­an­fäl­li­gen Backen­zähne bis zum 18. Lebens­jahr vollstän­dig.

Die Exper­tin­nen und Exper­ten der AOK-eigenen Zahnkli­nik sind auch auf die Kinder­zahn­heil­kunde spezia­li­siert. Zum Leistungs­spek­trum zählen weiter­hin Frühun­ter­su­chun­gen, Milch­zahn­sa­nie­run­gen, Versor­gung von Milch­zahn­lü­cken oder Fissu­ren­ver­sie­ge­lun­gen.

Quellen: AOK, RKI