Der Kläger ist als Altenpfleger in der vom Beklagten betriebenen Betreuungseinrichtung tätig. Für das Arbeitsverhältnis gilt durch einzelvertragliche Bezugnahme die Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD‑B).
Der Kläger arbeitet an sechs Tagen in der Woche, wobei sich der Schichtturnus auf zwölf Arbeitstage, also zwei Wochen, erstreckt. In der ersten Woche arbeitet der Kläger tagsüber im Durchschnitt 6,42 Stunden pro Schicht. Donnerstags muss er 7,38 Stunden arbeiten, um die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 39 Stunden zu erreichen. In der zweiten Woche ist er für die Nachtschichten (20:15 Uhr bis 8:05 Uhr) eingeteilt. Die in dieser Zeit zu leistende Arbeit ist von den Bewohnerbedürfnissen abhängig. Steht keine Arbeit an, hält sich der Kläger im Stationszimmer auf, um die Arbeit bei Bedarf aufzunehmen.
Streitpunkt Arbeitszeit
Laut des Beklagten befinde sich der Kläger im Zeitraum zwischen 23 Uhr und 6 Uhr im Bereitschaftsdienst im Sinne des § 7 Absatz 3 TVöD. Dieser werde durch Faktorisierung mit 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet. Damit ergibt sich in Woche zwei eine zu vergütende Arbeitszeit von 39,5 Stunden, bzw. 6 Stunden und 35 Minuten pro Schicht: (20:15 Uhr bis 23 Uhr = 2 Stunden und 45 Minuten) + (25% der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr = 7 Stunden / 4 = 1 Stunde und 45 Minuten) + (6 Uhr bis 8:05 Uhr = 2 Stunden und 5 Minuten) = 6 Stunden und 35 Minuten.
Die Arbeitszeit wird durch ein Zeitkonto erfasst. Für seine Arbeit erhält er einen „Freizeitausgleich per Saldo“. Dabei rechne man die Bereitschaftsdienste eines Monats individuell ab, indem man die geleistete Zeit auf ein Bereitschaftsdienstkonto addiert. Am Monatsende erfolge eine Saldierung gegenüber der geleisteten Regelarbeitszeit. Der die Sollarbeitszeit übersteigende Saldo werde als Zeitguthaben erfasst und innerhalb eines Jahres ausgeglichen oder ausgezahlt.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass es sich beim Zeitraum von 23 Uhr bis 6 Uhr um regelmäßige Arbeitszeit handelt und nicht etwa um Bereitschaftsdienst, da die Arbeit in diesem Zeitraum nicht außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erfolgen würde. Er beantragt die Feststellung, dass die im Rahmen seiner Nachtschicht geleisteten Stunden von 23 Uhr bis 6 Uhr in vollem Umfang zur tariflichen Arbeitszeit angerechnet werden.
Der Beklagte fordert die Klagabweisung: Die Einordnung des Zeitraums als Bereitschaftsdienst sei tariflich korrekt. Die Formulierung „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ bedeute lediglich, dass während des Bereitschaftsdienstes nicht dauerhaft die volle Arbeitsleistung erbracht werden müsse. Auch die zeitliche Lage des Bereitschaftsdienstes sei nicht vorgegeben. Laut § 8.1 Absatz 6 TVöD ist dem Arbeitgeber der faktorisierte Freizeitausgleich für die geleisteten Stunden während des Bereitschaftsdienstes erlaubt. Ein Arbeitnehmer dürfe demnach seine Regelarbeitszeit auch durch einen auf diese anzurechnenden Bereitschaftsdienst absolvieren.
Das ArbG Bocholt hat der Klage zunächst stattgegeben. Die hiergegen einelegte Berufung des Beklagten vor dem LAG Hamm war erfolgreich und führte zur Klageabweisung. In der vom Kläger daraufhin angestrebten Revision vor dem BAG beantragte er nunmehr die Feststellung, dass die von ihm in seiner Schicht im Zeitraum von 23 Uhr bis 6 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zusätzlich zur wöchentlichen Arbeitszeit erbracht werden. Damit wendet er sich weiterhin gegen die Vorgehensweise des Beklagten, der diese Arbeitsstunden als faktorisierte Arbeitszeit zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit hinzurechnet.
Reguläre Arbeitszeit ist nicht durch Bereitschaftsdienst zu ersetzen
Das BAG hat zunächst festgestellt, dass das Berufungsgericht unberücksichtigt ließ, dass das Schichtmodell des Beklagten den Bereitschaftsdienst tarifwidrig anstelle der regelmäßigen Arbeitszeit vorsieht. Die beiden Arbeitsformen müssen grundsätzlich zunächst buchungstechnisch getrennt erfasst und dann saldiert werden.
Nach § 7 Absatz 3 TVöD setzt Bereitschaftsdienst voraus, dass sich der Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer bestimmten Stelle aufhält, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Das Merkmal „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ geht auf das Verständnis des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit zurück. Demnach wird der Bereitschaftsdienst von der eigentlichen Arbeitszeit unterschieden und gilt als zusätzliche Leistung, die daher nicht anstelle der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht werden kann.
Leistet ein Mitarbeiter Bereitschaftsdienst, so hat dieser Anspruch auf ein Bereitschaftsdienstentgelt nach § 8.1 TVöD. Eine Faktorisierung der Zeit dient danach nur dem Zweck der Entgeltberechnung, da sich die Zeit im Bereitschaftsdienst im Hinblick auf die Arbeitsleistung qualitativ und von der regelmäßigen vollen Arbeitszeit unterscheidet.
Schichtmodell des Beklagten tarifwidrig
Der Kläger hat seinen Standpunkt, dass die Anrechnung der zwischen 23 Uhr und 6 Uhr geleisteten Nachtarbeit auf die regelmäßige Arbeitszeit nicht den tariflichen Vorgaben entspreche, korrekt angeführt.
Die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers beträgt rund 39 Stunden. Das Schichtmodell des Beklagten sieht vor, dass der Kläger grundsätzlich jede Woche diese Arbeitszeit erbringt. In der 1. Woche des Schichtturnus wird dieses Pensum problemlos erreicht. In der 2. Woche arbeitet der Kläger – abzüglich des Bereitschaftsdienstes – jedoch nur 29 Stunden in der Woche. Die restlichen zehn Stunden werden durch den täglich faktorisierten Dienst zwischen 23 Uhr und 6 Uhr aufgefüllt. Der Beklagte macht damit den Bereitschaftsdienst zur regelmäßigen Arbeitszeit, jedoch unter Missachtung des § 8.1 Absatz 3 Satz 2 TVöD.
Die bloße Dokumentation von Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst reiche zudem nicht für ein Arbeitszeitkonto im Sinne des § 10 TVöD aus. Dessen ungeachtet findet auch kein Ausgleich für die Belastung während des Bereitschaftsdienstes statt. Vielmehr wird der Kläger während der Nachtschicht kontinuierlich beansprucht. Dem Bereitschaftsdienst kommt seine Rolle als zusätzlich gegen ein Entgelt zu verrichtende Zusatzleistung in diesem Fallbeispiel nicht zu.
Warum die Klage dennoch abgewiesen wurde
Dennoch war die Klagabweisung durch das LAG Hamm – wenn auch aus anderen Gründen – korrekt, und führte zur Zurückweisung der Revision. Denn ein Globalantrag, der (wie hier) eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, ist in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen, wenn dieser Fälle enthält, in denen sich der Antrag als unberechtigt herausstellt. Ein Gericht darf nicht dahin erkennen, dass der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die nicht zum Inhalt des Anspruchs erhoben worden sind (vgl. § 308 ZPO).
Der Antrag wäre dann begründet gewesen, wenn der Beklagte in der 2. Woche den Bereitschaftsdienst zwischen 23 Uhr und 6 Uhr immer nur zusätzlich zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden anordnen dürfte. Dies ist jedoch aus zwei Perspektiven nicht der Fall: Zum einen darf der Beklagte in diesem Zeitraum Bereitschaftsdienst anordnen, wenn die tariflichen Voraussetzungen gegeben sind. Zum anderen hat der Kläger diese grundsätzliche Befugnis des Beklagten im Antrag nicht verneint.
Das in § 7 Absatz 3 TVöD hinterlegte Merkmal „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ negiert die Anordnung von Bereitschaftsdienst in der fraglichen Nachtzeit nicht. Der TVöD macht keine Vorgaben bzgl. dem Zeitpunkt des Bereitschaftsdienstes. Somit kann dieser, entgegen der Auffassung des Klägers, auch zwischen den regelmäßigen Arbeitszeiten liegen. Diese wird quasi durch den Bereitschaftsdienst für einen bestimmten Zeitraum „unterbrochen“. Damit liegt der Bereitschaftsdienst außerhalb der normalen Arbeitszeit.
Das Problem des Klägers könnte sich insofern lösen lassen, als dass die Dauer der nächtlichen Bereitschaftsdienste so verkürzt wird, dass sich die Schichtzeiten davor und danach auf 39 Wochenstunden summieren. In einem solchen Fall müsste der zusätzliche Bereitschaftsdienst jedoch durch ein Entgelt oder Freizeitausgleich (sofern eine Vereinbarung vorliegt) ausgeglichen werden. Verkürzt man die Sollarbeitszeit in einer Woche, so kann der Arbeitnehmer in dieser Woche dennoch nächtlichen Bereitschaftsdienst anordnen.
Quelle: BAG vom 17.1.2019 – 6 AZR 17/18