Beim ganztägigen Kongress-Hauptprogramm, plus fünf begleitenden Satellitensymposien im benachbarten, räumlich verbundenen Hotel Mercure, ging es um medizinische, pflegerische und rechtliche Fragestellungen der Wundversorgung, immer vor dem Hintergrund der Coronapandemie. Für das Online-Format hatte das Team keine Mühen gescheut: Neben dem Service für die online zugeschalteten Gäste, alle Vorträge einschließlich der Satellitensymposien live verfolgen zu können, gibt es einen schönen Nebeneffekt: Alle Programmpunkte sind bis zwei Monate nach dem Kongress auf der IWC-Website abrufbar.
Somit können auch die Live-Gäste des Tages diejenigen Veranstaltungen noch einmal nachverfolgen, in denen sie wegen zeitgleicher Terminierung nicht präsent sein konnten.
„Als wir damals das Motto entworfen hatten, hatten wir gehofft, Corona zu dieser Zeit weitgehend hinter uns zu haben“, blickte Kongress-Initiator und Gastgeber Prof. Dr. Volker Großkopf zurück, nachdem Rechtsdepesche-Chefredakteur Michael Schanz die Gäste im Saal begrüßt, und ihnen Respekt für ihre Belastungen durch die Pandemie gezollt hatte. Großkopf brachte ein starkes Statement pro Impfpflicht: „Ich bin überzeugt: Ohne eine Impfpflicht werden wir diese Dauerschleife, dieses ‚Und täglich grüßt das Murmeltier‘, nicht verlassen können.“ Hierfür erntete er stürmischen Applaus. Auch Co-Gastgeberin Marina Filipovic, Pflegedirektorin und Mitglied im Vorstand der Uniklinik Köln (UKK), brachte vor dem Hintergrund ihrer eigenen Eindrücke aus dem medizinischen Alltag einen flammenden Appell für eine Impfung.
„Ich bin verzweifelt, wenn ich sehe, wie viele Menschen in Deutschland und der Welt sich nicht impfen lassen, obwohl sie die Gelegenheit gehabt hätten. Wir leisten uns hervorragende Wissenschaftler, die gezeigt haben, dass die Impfung uns aus dieser Pandemie herausführt. Es ist traurig, dass sie diejenigen nicht Glauben schenken, und sich in ihren Blasen verschanzen.“
PD Dr. Gunnar Riepe, Chefarzt im Gefäß- und Wundzentrum Mittelrhein (GWZM) am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein Heilig Geist Boppard sowie Mitentwickler der „Wund-Uhr“, zeigte in seinem Vortrag „Hilfe zur Selbsthilfe – Wundheilung beginnt bereits im Kopf“ eindrucksvolle Fotos aus seinen Behandlungsfällen, und mahnte gerade beim Diabetischen Fußsyndrom zur Vorsicht. „Freitagnachmittag, diabetischer Fuß? Dabehalten! Auch Kleinigkeiten werden bei Diabetikern irgendwann groß.“
Die Pflegerin und Hygienefachkraft Regina Nöbel brachte eindrücklich den Wert der Hygiene für den Schutz der Patienten vor Wundinfektionen zur Sprache. „Tragen Sie Schutzkittel! Sonst holen Sie sich die Keime auf die Kleidung und es ist möglich, sie bis ans andere Ende der Stadt zu transportieren“, riet sie. Dr. jur. Frank Wenzel, Rechtsanwalt und Seniorpartner der Kanzlei Halm & Collegen, Köln, ging auf die eminent wichtige Rolle der Dokumentation ein, um eine Beweislastumkehr für Behandler zu vermeiden.
Allerdings: „Bei Risikopatienten lässt sich das Entstehen eines Dekubitus auch bei bester Prophylaxe nicht sicher vermeiden. Der Mensch ist eben keine Maschine. Manche Fälle sind eben, wie man sagt, schicksalhaft.“
Dr. Alexander Risse, pensionierte einstiger leitender Arzt des Diabeteszentrums an der Klinikum Dortmund gGmbH, brachte eine kritische Bestandsaufnahme der Situation für die Pflege nach den Corona-Wellen, und mahnte zu mehr Engagement der Berufsangehörigen, um ihre eigene Lage zu verbessern. „Die neuen Pflegeverträge, etwa bei der Charité, gibt es nicht, weil so viel geklatscht wurde, oder die Pflege so systemrelevant ist. Die entstanden durch politischen Druck, durch Streiks.“ Nötig hält er auch Pflegekammern, um die Pflege als Berufsstand zu stärken.
„COVID hat an der Situation überhaupt nichts geändert. Wir brauchen eine Pflegekammer, die mit den Beiträgen von Pflegenden eine Struktur und Macht aufbauen, und auf die Politik einwirken kann.“ Bei Dr. med. Tobias Hirsch, Facharzt für Innere Medizin und Angiologie und Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes der Phlebologen (BdP), ging es ums Thema Kompression, und in welchen Fällen diese nicht indiziert sei.
Wundversorgung bekommt eigenes Lied
Jedoch: „Die traditionell überlieferten Kontaindikationen halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand“, so sein Fazit am Beispiel von Herzinsuffizienzen. Wichtig sei eine sorgfältige Anamnese und Evaluierung, mit Einbindung des Patienten. Wundmanagerin Anita Mysor sorgte am Kongress-Ende für ein Highlight: Die ausgebildete Sängerin hatte eigens für den IWC ein eigenes Lied über die Wundbehandlung geschrieben, das sie unter großem Applaus live vortrug.
Auf sehr große Resonanz und sehr viel Zuspruch ist die spontan eingerichtete Booster-Impfaktion gestoßen, für die sich PD Dr. Gunnar Riepe als Arzt in der Pause für Beratung und Aufklärung der Impfwilligen zur Verfügung stellte. Alle Kongressgäste hatten hier die Möglichkeit, sich im Foyer des Sartory kostenlos eine Biontech-Drittimpfung verabreichen zu lassen.
Die 15. Auflage des Interdisziplinären WundCongress (IWC) ist am Donnerstag, 24. November 2022 geplant.