Der Anstieg nimmt gegenwärtig kein Ende: 3.190 Menschen (Stand 15. November 2021) liegen momentan mit einer COVID-19-Infektion auf Deutschlands Intensivstationen. Gegenüber dem Monatsanfang (31. Oktober: 1.984 Patienten) hat die Zahl um 1.206 zugenommen. Also per Saldo – Entlassungen von der Intensivstation mitberücksichtigt – um 80 Fälle pro Tag. Setzt sich die Entwicklung in gleichem Tempo fort, wäre der bisherige Höchststand von gleichzeitig auf Intensivstation untergebrachten Corona-Patienten, der mit 5.768 am 3. Januar 2021 verzeichnet wurde, in rund einem Monat erreicht.
Ein kleiner Lichtblick: Trotz der wesentlich höheren Sieben-Tages-Inzidenz, jenseits der 300 pro 100.000 Einwohner, liegt die Zahl der Intensivfälle nach wie vor unter jener des gleichen Tages im Vorjahr (15. November 2020: 3.395 gleichzeitige COVID-Patienten auf Intensivstation). Hier scheint sich der Impfeffekt deutlich bemerkbar zu machen. Er bewirkt, dass ein kleinerer Anteil von Infizierten später eine intensivmedizinische Behandlung benötigt.
Weniger Intensivbetten verfügbar als noch vor Herbst-/Winterwelle 2020/21
Jedoch: Gegenwärtig sind, zum heutigen Stand, 13 Prozent aller insgesamt verfügbaren Intensivbetten mit COVID-Patienten belegt – also etwas mehr als jedes Achte. Zugleich ist die Intensivpflege in Deutschland signifikant schlechter aufgestellt als noch vor einem Jahr. Wegen des Personalmangels auf den Stationen gibt es insgesamt nur noch um die 24.500 Intensivbetten. Das sind rund 4.000 verfügbare Betten weniger als noch Ende 2020.
Rund ein Viertel der Intensivbetten ist laut einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstiatuts (DKI) gesperrt, weil es kein Personal zur Verfügung steht, um dort Patienten zu betreuen. Nur noch 14 Prozent der Intensivbetten sind frei. Besonders angespannt ist die Lage in Sachsen, Thüringen und Bayern – allesamt Länder mit unterdurchschnittlicher Impfquote.
Angesichts der Negativ-Entwicklung fordert die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schnelle Booster-Impfungen, insbesondere für Senioren und/oder Personen, deren zwei Impfungen lange zurückliegt. Was im überwiegenden Teil der Fälle deckungsgleich sein dürfte, denn die Hochbetagten gehörten zu den ersten Impfkandidaten. „Die Politik muss eine zweite große Impfkampagne fahren und aktiv auf die Ungeimpften zugehen.
Und wir müssen nach sechs Monaten sofort boostern, vor allem die Älteren und auch die Pflegenden, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten“, appellierte der Divi-Präsident Gernot Marx im Interview mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND). Sonst könne man erneut in die Lage kommen, dass Kliniken nicht notwendige Operationen verschieben und nur noch absolute Notfälle einen Platz erhalten.
Zudem forderte er deutliche finanzielle Anreize für das Pflegepersonal auf Intensivstationen, etwa steuerfreie Nacht- und Wochenendarbeit. Nur so ließe sich verhindern, dass noch mehr Personal abwandert, und sich die betreibbare Bettenzahl weiter verringert. Zugleich wandte er sich erneut gegen eine Impfpflicht in den Gesundheitsberufen. Diese führe dazu, dass sich noch mehr Menschen abwendeten. Er bedaure allerdings, dass die Impfquote in Deutschland vergleichsweise schlecht sei. So etwas habe er selbst auch nicht erwartet.
Zeichen für Einführung der Impfpflicht verstärken sich
Diese scheint sich politisch jedoch anzubahnen: SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne sprechen derzeit über eine Impfverpflichtung für Berufstätige in Gesundheit und Pflege. „Wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten et cetera. Wir werden das auf den Weg bringen“, zitierte ZEIT Online die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Damit lägen die möglichen Ampel-Koalitionäre auf Linie mit einer Mehrheit in der Bevölkerung. Demnach sind 44 Prozent der Bundesbürger für eine generelle Impfpflicht, weitere 24 Prozent für eine solche für Angehörige von Gesundheits- und Pflegeberufen. Jene ist in mehreren Ländern der EU, darunter Frankreich und Italien, schon Realität.
Olaf Scholz, „Wahrscheinlich-bald-Kanzler“ der SPD, befürwortet eine Debatte über eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Beschäftigte in Pflegeheimen. „Ich finde es richtig, dass wir jetzt eine Diskussion darüber begonnen haben, ob man das machen soll“, sagte der geschäftsführende Vizekanzler am Montagabend beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. Allein darüber zu sprechen, sei schon eine deutliche Aussage. SPD, Grüne und FDP hätten diese Debatte bewusst geöffnet.
Scholz sagte zugleich, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei nur in einem Konsens möglich, „dass viele mitmachen wollen“. Wenn der erreicht sei, fände er das gut. Eine solche Entscheidung könne auch kurzfristig anstehen.