Defizit
Das Defizit der Kranken­häu­ser wird immer größer Bild: © Markus­sev­cik | Dreamstime.com

Laut einer Berech­nung der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) liegt das durch die Infla­ti­ons­krise verur­sachte Gesamt­de­fi­zit der deutschen Kranken­häu­ser inzwi­schen bei 8,95 Milli­ar­den Euro (Stand Ende März). Jeden Monat kämen weitere 740 Millio­nen Defizit hinzu. Als Ursache nennt die DKG die stark gestie­ge­nen Preise seit dem Beginn des russi­schen Angriffs auf die Ukraine.

Die Bundes­re­gie­rung habe es bisher versäumt, die immense wirtschaft­li­che Last mit einem Infla­ti­ons­aus­gleich von den Kranken­häu­sern zu nehmen, so dass 96 Prozent der deutschen Klini­ken ihre Ausga­ben nicht mehr aus den laufen­den Einnah­men finan­zie­ren könnten. Dazu erklärt DKG-Vorstands­vor­sit­zen­der Dr. Gerald Gaß: „Die in allen Berei­chen stark gestie­ge­nen Preise treffen die Kranken­häu­ser beson­ders hart, da sie die Kosten nicht wie andere Branchen an Kundin­nen und Kunden weiter­ge­ben können.

Leider helfen die von der Bundes­re­gie­rung verspro­che­nen Ausgleichs­mil­li­ar­den fast nieman­dem, denn die Details sind so gestal­tet, dass kaum eine Klinik von ihnen profi­tiert. So wurde etwa der Referenz­wert für Energie­preise auf März 2022 gelegt – ein Monat, der nicht nur beson­ders energie­in­ten­siv ist, sondern in dem die Preise schon sehr stark gestie­gen waren.“

Laut Gaß sei es sinnvol­ler, die 4,5 der verspro­che­nen 6 Milli­ar­den Euro nicht über kompli­zierte Einzel­nach­weise zu verge­ben, sondern über pauschale Förde­run­gen. Sonst werde weiter­hin kaum ein Kranken­haus die Hilfen nutzen können.

DKG und Marbur­ger Bund befürch­ten Kranken­haus­ster­ben

Die DKG steht mit ihrer Sorge um die Finan­zie­rung nicht allein. Auch der Marbur­ger Bund hatte sich für eine Überbrü­ckungs­fi­nan­zie­rung für die Klini­ken ausge­spro­chen – sonst drohten Versor­gungs­eng­pässe und unkon­trol­lierte Kranken­haus­schlie­ßun­gen. DKG-Vorsit­zen­der Gaß warnt davor, finan­zi­elle Hilfen auf die lange Bank zu schie­ben.

„Wenn die Bundes­re­gie­rung jetzt keinen schnel­len und klaren Weg findet, die Kranken­häu­ser tatsäch­lich zu entlas­ten,“ so Gaß, „drohen uns Versor­gungs­ein­schrän­kun­gen durch zahlrei­che Klinik-Insol­ven­zen und daraus folgende Schlie­ßun­gen. Die Kranken­häu­ser leisten weiter ihren Versor­gungs­auf­trag und sichern die Gesund­heit der Menschen.

Doch die Kosten dafür werden ihnen faktisch nur zum Teil erstat­tet, denn die Infla­tion sorgt vieler­orts für ein Zuschuss­ge­schäft. 740 Millio­nen Euro monat­li­ches Neu-Defizit bedeu­tet nichts anderes, als dass die Kranken­häu­ser Arbeit verrich­ten, für die sie nicht bezahlt werden. Das muss umgehend aufhö­ren, wenn Minis­ter Lauter­bach im Herbst für seine Kranken­haus­re­form noch ausrei­chend Kranken­häu­ser vorfin­den möchte.“

Wird die Kranken­haus­re­form zu Schlie­ßun­gen führen?

Seit der Vorstel­lung der Reform­pläne warnen kriti­sche Stimmen davor, dass die Reform­pläne selbst zu Schlie­ßun­gen führen könnten. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach (SPD) hatte dies mehrfach demen­tiert und sieht vielmehr die Reform und die damit verbun­dene Eintei­lung der Kranken­häu­ser in Versor­gungs­stu­fen die einzige Möglich­keit, das befürch­tete Klinik­ster­ben zu verhin­dern.

„Bei der Reform geht es nicht um Schlie­ßun­gen,“ so Lauter­bach im Februar im Gespräch mit dem Handels­blatt. „Dafür braucht man keine Reform, die Welle der Schlie­ßun­gen hat sowieso schon begon­nen… Ohne Reform stünden eine Menge Kranken­häu­ser schon schnell vor dem Aus. Mit Reform haben sie dagegen eine Chance.“

Lauter­bach will das Finan­zie­rungs­mo­dell der Klini­ken grund­le­gend umkrem­peln. Statt der Vergü­tung über Fallpau­scha­len, die ein Anreiz sei, möglichst viele Behand­lun­gen möglichst kosten­güns­tig durch­zu­füh­ren, soll es Vorhal­te­kos­ten für Perso­nal oder Medizin­tech­nik geben.

Darüber hinaus sollen die Klini­ken in Versor­gungs­stu­fen einge­teilt werden: Klini­ken für die Grund­ver­sor­gung, für Notfälle und grund­le­gende chirur­gi­sche Eingriffe, Klini­ken für die Regel- und Schwer­punkt­ver­sor­gung mit weite­ren Leistun­gen und die Unikli­ni­ken für die Maximal­ver­sor­gung.

Kranken­haus­re­form nur mit Perso­nal­of­fen­sive

Während Lauter­bach selbst mehrfach geäußert hatte, dass für die Reform keine zusätz­li­chen Gelder notwen­dig seien, sehen seine Kriti­ker das anders. Laut DKG finan­zie­ren die Länder seit Jahrzehn­ten nicht mehr die Inves­ti­ti­ons­kos­ten der Klini­ken. Die Länder wiederum verwei­sen auf den Bund: Der nordrhein-westfä­li­sche Gesund­heits­mi­nis­ter Karl-Josef Laumann hatte immer wieder betont, dass für eine echte Verän­de­rung auch mehr Geld in die Hand genom­men werden müsse. Das knappe Geld ledig­lich neu zu vertei­len, könne die Verhält­nisse nicht verän­dern.

Seit länge­rem fordern DKG und Marbur­ger Bund mehr finan­zi­elle Aufwen­dun­gen für die Klini­ken: Durch den jahre­lan­gen Inves­ti­ti­ons­stau sei beispiels­weise eine effizi­ente Energie­ver­sor­gung nicht möglich. Auch die dringend notwen­dige Perso­nal­of­fen­sive ließe sich aktuell nicht finan­zie­ren.