Heide­ma­rie Mertin fragt: Dürfen ärztli­che Kranken­un­ter­la­gen durch die Staats­an­walt­schaft beschlag­nahmt werden?

Antwort der Redak­tion: Ärztli­che Kranken­un­ter­la­gen beinhal­ten regel­mä­ßig detail­lierte Angaben bzgl. des Patien­ten und betref­fen dessen höchst­per­sön­li­chen Bereich. Sie unter­ste­hen daher dem beson­de­ren Schutz der Artikel 1 Absatz 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 Absatz 1 (freie Entfal­tung der Persön­lich­keit) des Grund­ge­set­zes, die einen verfas­sungs­recht­li­chen Schutz vor dem Zugriff der öffent­li­chen Gewalt gewäh­ren. Ein Patient muss grund­sätz­lich erwar­ten können, dass alles, was er mit seinem Arzt bespricht oder von diesem hinsicht­lich des Gesund­heits­zu­stan­des notiert wird, fremden Einbli­cken verschlos­sen bleibt.

Die Beschlag­nahme von Kranken­un­ter­la­gen eines Beschul­dig­ten bei seinem Arzt stellt deshalb in der Regel eine Verlet­zung dieser Grund­rechte dar, wobei dieses Beschlag­nah­me­ver­bot zudem straf­pro­zes­sual durch § 97 Absatz 1 StPO abgesi­chert ist. Etwas anderes gilt freilich, wenn der Beschul­digte der Beschlag­nahme durch die Ermitt­lungs­be­hör­den zustimmt, bezie­hungs­weise wenn der Arzt von der Schwei­ge­pflicht entbun­den wurde. In diesem Falle ist er zur Heraus­gabe der Kranken­un­ter­la­gen verpflich­tet. Falls er sich weigert, kann eine Beschlag­nahme auch gegen seinen Willen erfol­gen.

Anders ist die Situa­tion aller­dings im Falle eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens gegen den Arzt zu bewer­ten. Hier dürfen die beschlag­nahm­ten Unter­la­gen gegen den Arzt, nicht aber gegen den Patien­ten verwen­det werden. Eine Beschlag­nahme ist im Einzel­fall nur unter strengs­ter Beach­tung der Belange des Patien­ten zuläs­sig. Diese sind etwa dann beein­träch­tigt, wenn die Kranken­un­ter­la­gen vom Patien­ten zur Weiter­be­hand­lung benötigt werden.

Ein Rechts­ver­stoß des Arztes, zum Beispiel ein Abrech­nungs­be­trug, recht­fer­tigt im Inter­esse des Patien­ten eine Beschlag­nahme der Kranken­un­ter­la­gen jeden­falls dann nicht, wenn eine Sachver­halts­auf­klä­rung durch andere Beweis­mit­tel möglich ist.