Die Impfpflicht für Pflegekräfte ist beschlossen. FDP-Vorsitzender Christian Lindner bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass sich inzwischen sowohl Bund als auch Länder für die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausgesprochen hätten. Auch die Möglichkeit einer Kündigungswelle werde anders bewertet als noch zu Beginn der Pandemie.
Zwar ist die Pflicht zur Impfung nicht nur auf den Pflegeberuf bezogen, sondern gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Einrichtung. Trotzdem gilt damit eine de-facto-Impfpflicht für Pflegende. Die genaue Ausgestaltung ist noch offen, diese liegt beim Bund.
Jetzt hoffen die Gemeinden auf eine zügige Umsetzung. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Verpflichtung zur Impfung für Pflegeeinrichtungen und Kliniken sei schon ausgiebig diskutiert worden. „Wie von den Ländern gefordert, sollte die Ampel-Koalition jetzt schnell einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg bringen.“
Auch Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, sieht Vorteile: Die Einführung einer Impfpflicht könne dafür sorgen, dass „moralisierende Diskussionen“ überflüssig werden. Damit hat er nicht unrecht: Einige Gegner der berufsbezogenen Verpflichtung haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es „für Pflegekräfte und Ärzte eine moralische Pflicht zur Impfung“ gibt – so Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn vor der Bundespressekonferenz am Montag.
Kündigung für Ungeimpfte?
Klare Vorgaben für die Umsetzung verlangt auch Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates. Ihrer Meinung nach muss der Gesetzgeber eine Grundlage für die Kündigung ungeimpfter Pflegekräfte schaffen. „Wenn der Gesetzgeber fordert, dass nur Geimpfte und Genesene in Pflegeheimen arbeiten dürfen, haben die Einrichtungen gar keine andere Wahl, als sich von diesen Mitarbeitenden zu trennen. Wir dürfen nicht pflegebedürftigen Menschen den Kontakt zu ihren Angehörigen verweigern, nur weil Ungeimpfte Keime in die Heime tragen können,“ sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Pflegebonus ist in Voglers Augen „ein Eingeständnis, dass Menschen in der Pflege zu wenig verdienen.“ Sie bezeichnet den angekündigten Bonus als „völlig unzureichend und keine Lösung“ und fordert einen „Pandemie- und Endemiezuschlag von 15 Prozent zum monatlichen Gehalt im Tarifvertrag.“
Allerdings ist sie sich der Tatsache bewusst, dass mehr Geld nicht ausreichend sei, um die Arbeitsbelastung in der Pflege zu senken. Tatsächlich zieht sich dieser Punkt wie ein roter Faden durch viele Social-Media-Diskussionen zum Thema Impfpflicht für die Pflege: Nicht die mögliche Impfpflicht wird der Auslöser für die befürchtete Kündigungswelle sein, sondern die jahrelange politische und gesellschaftliche Geringschätzung einer gesamten Branche.
Die #Angst, dass das #Pflegepersonal bei einer #Impfpflicht kündigen könnte, kommt auch daher, dass der #Pflege jahrelang zu wenig (finanzielle und zeitliche) Wertschätzung gegeben wurde.
Das kommt davon, wenn wir wichtige Einrichtungen privatisieren. #VerdammteScheisseNochmal!
Raul Krauthausen (@raulde) November 20, 2021
Kommt die allgemeine Impfpflicht doch noch?
Inzwischen hat sich der Fokus der Diskussion leicht verschoben. Denn auch die allgemeine Impfpflicht scheint plötzlich denkbar. Nachdem die Bundesregierung diese bis jetzt kategorisch ausgeschlossen hatten, werden angesichts der aktuellen Zahlen die Stimmen lauter, die über eine berufs- oder einrichtungsbezogene Pflicht hinausgehen.
Nach Markus Söder (CSU) spricht sich auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dafür aus. Er sieht sie als Mittel, allgemeine Lockdowns zu vermeiden: „Ich hoffe also immer noch, dass es am Ende ohne allgemeine Impfpflicht geht. Wenn nicht, bin ich allerdings auch bereit, diesen Schritt zu gehen. Unser Land darf nicht dauerhaft von dieser Pandemie dominiert werden.“
Eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 würde nicht zuletzt auch der Pflege zu Gute kommen. Denn jede Maßnahme, die zu weniger Patienten auf den Stationen führt, sei hilfreich.