Die Insolvenzwelle unter Seniorenheim-Trägern türmt sich immer weiter auf: Wie die „Tagesschau“ den Branchendienst pflegemarkt.com zitiert, hätten im vergangenen Jahr deutschlandweit 142 Pflegeheime von etwa 11.000 schließen müssen – dagegen seien es im ersten Quartal 2023 bereits 200 gewesen.
Warnungen werden bestätigt
Ähnlich sieht es auf Länderebene aus: In NRW beispielsweise hätten, wie der WDR das NRW-Gesundheitsministerium zitiert, bis August dieses Jahres bereits 27 Träger Insolvenz angemeldet – zwei mehr als im gesamten Jahr 2022.
Laut dem Fachportal führten im vergangenen Jahr die Schließungen zu einem Verlust von 6.477 vollstationären Plätzen, 265 Plätzen in der Tagespflege; die geschlossenen Pflegedienste hätten zudem insgesamt 22.624 ambulante Patienten versorgt.
Damit scheinen sich die Warnungen des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP) zu bestätigen, der bereits im Frühjahr 2023 vor einem „Heimsterben“ warnte.
Schon damals forderte der Verband, der laut eigener Angaben knapp 1000 Mitgliedsunternehmen mit rund 80.000 Mitarbeitern vertritt, die Politik zum Handeln auf – insbesondere einer Nachsicht hinsichtlich der Personalschlüssel, die angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege notwendig sei: Man kalkuliere in den Heimen „mit Belegungszahlen, die nicht mehr stimmen, mit Personal, das wir nicht haben, und betrachten uns als Magnet für ausländische Fachkräfte, der wir nicht sind“, hieß es.
Fachkräftemangel führt zu Bereichsschließungen
Dies mutet zunächst paradox an – denn Pflegeplätze sind chronisch knapp, die Nachfrage riesengroß und aufgrund des demografischen Wandels weiter steigend.
Die Ursache sind gleich mehrere Faktoren, die in die derzeitige schwierige Lage der Einrichtungen geführt haben. Erster und wohl wichtigster Grund ist der Fachkräftemangel: Seit 1. Juli 2023 gilt das neue Personalbemessungsverfahren (PeBeM) in der Altenpflege.
Wenn nicht mehr genug Fachkräfte vorhanden sind, muss ein Seniorenheim Betten oder ganze Stationen sperren – dies führt schnell dazu, dass ein Heim nicht mehr rentabel arbeiten kann. Rund 98 Prozent Belegungsquote gelten aktuell als Mindest-Auslastung für einen rentablen Heimbetrieb – die Einrichtung muss also komplett oder nahezu komplett gefüllt sein.
„Die 98 Prozent Belegungsquote sind der Wert, den die Pflegekassen bei ihren Verhandlungen mit den Trägern zugrunde legen“, erläutert Martin von Berswordt-Wallrabe für den Bundesverband private Anbieter sozialer Dienste (bpa), im Gespräch mit der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“. „Und zwar unabhängig davon, ob die Bereiche – ausreichend Personal vorausgesetzt – tatsächlich belegt werden können. Genau das ist das derzeitige Problem, was wir haben.“
Steigende Kosten ein Kernproblem
Ein zweiter Grund, der hinzukommt, sind die in mehrfacher Hinsicht steigenden Kosten: Seit dem 1. September 2022 darf es Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeheimen geben, die nach Tarif zahlen – also entweder einen eigenen Tarifvertrag abgeschlossen haben oder ein bestehendes Vertragswerk übernehmen.
Zudem steigt der Mindestlohn in der Pflege, der beispielsweise aktuell für Pflegefachkräfte 17,65 Euro pro Stunde vorsieht; zum 1. Mai 2024 wird das Mindestentgelt auf 19,50 Euro steigen.
Die vor allem seit dem Ukraine-Krieg gestiegenen Energiekosten sowie die allgemeine Inflation – etwa für Lebensmittel oder Pflegehilfsmittel – tun ihr Übriges. Weil die Verhandlungen mit den Pflegekassen in der Regel nur jährlich erfolgen, lassen sich zwischenzeitliche Preissteigerungen nicht mehr auffangen.
Ein nicht seltener dritter Grund ist eher spekulativer Natur: In manchen Fällen hat der Heimbetreiber die Immobilie nur gemietet oder gepachtet; bei Miet- oder Pachtverträgen, die an die Inflationsrate gekoppelt sind, laufen die Immobilien-Aufwendungen dann schnell davon.
Seniorenheim: Insolvenz bedeutet nicht immer Schließung
Allerdings bedeutet solch eine Insolvenz nicht immer die Schließung des Heims. So konnte im Fall der Insolvenz der Dorea-Gruppe die Schließung von vier Häusern durch eine Übernahme abgewendet werden.
Im Fall der ebenfalls insolvent gegangenen Curata griff ein Sanierungsplan; 33 der zuvor 42 Heime konnten auf diese Weise erhalten bleiben. Auch die Hansa-Gruppe, deren Insolvenz ebenfalls Schlagzeilen machte, arbeitet an einem Sanierungsplan. Weitere werden hoffentlich folgen.