Ethik
Abwägun­gen in einem der vertrau­ens­wür­digs­ten Berufe der Welt

Das Inter­na­tio­nal Council of Nurses (ICN) hat es sich bei der Überar­bei­tung des neuen ICN-Ethik­ko­de­xes für profes­sio­nelle Pflegende offen­sicht­lich nicht leicht gemacht: Im Vergleich zur letzten Fassung von 2012 ist der Kodex von neun auf sage und schreibe 36 Seiten gewach­sen.

Bei der Vorstel­lung des überar­bei­te­ten Kodexes am 22. Oktober 2021 begrün­dete ICN-CEO Howard Catton die umfang­rei­chen Änderun­gen mit dem hohen Anspruch, der an die Pflege gestellt werde:

„An die Pflege als einem der vertrau­ens­wür­digs­ten Berufe der Welt werden beson­ders hohe Ansprü­che gestellt. Dank neuer Techno­lo­gien stehen wir vor Entschei­dun­gen, die wir vorher nicht hatten. Fragen der sozia­len Gerech­tig­keit stehen heute im Vorder­grund und wir als Pflege müssen sicher­stel­len, dass Pflegende als Verbün­dete im Kampf gegen Diskri­mi­nie­rung und Vertei­di­ger der Menschen­rechte gesehen werden. Der überar­bei­tete ICN-Ethik­ko­dex reflek­tiert diese gesell­schaft­li­chen Verän­de­run­gen und hilft Pflege­kräf­ten, die richti­gen Entschei­dun­gen zu treffen.“ (Überset­zung: Rechtsdepesche/jm)

Ethik­ko­dex spiegelt hohe Ansprü­che an die Pflege

„Pflegende stehen jeden Tag vor ethisch schwie­ri­gen Situa­tio­nen,“ ergänzte ICN-Präsi­den­tin Annette Kennedy. „Die COVID-19-Pande­mie hat die Probleme von Pflege­kräf­ten ans Licht gebracht, aber auch Katastro­phen, Kriege und politi­sche Konflikte verstär­ken den Druck auf Pflegende. Der ICN-Ethik­ko­dex bietet Pflege­kräf­ten Entschei­dungs­hil­fen und unter­stützt sie dabei, jedem Menschen, den sie versor­gen, die höchst­mög­li­che Quali­tät zu bieten – unabhän­gig von den Umstän­den.“ (Überset­zung: Rechtsdepesche/jm)

Seit 1953 bietet der ICN-Ethik­ko­dex eine Entschei­dungs­hilfe für den Pflege­all­tag. Die deutsche Überset­zung des ursprüng­lich auf Englisch verfass­ten Kodexes stammt vom Berufs­ver­band für Pflege­be­rufe (DBfK) gemein­sam mit dem Öster­rei­chi­schen Gesund­heits- und Kranken­pfle­ge­ver­band sowie dem Schwei­zer Berufs­ver­band der Pflege­fach­frauen und Pflege­fach­män­ner.

Die Basis für die Empfeh­lun­gen bieten dabei gesell­schaft­li­che und soziale Normen, Werte und Bedürf­nisse, weshalb er regel­mä­ßig an sich verän­dernde Verhält­nisse angepasst wird. In Kombi­na­tion mit Geset­zen und profes­sio­nel­len Leitli­nien soll er Standards für den Pflege­all­tag bieten und Pflegende dabei unter­stüt­zen, sich gegen Rahmen­be­din­gun­gen zu wehren, die ihrem Fürsor­ge­auf­trag wider­spre­chen.

Ethik­ko­dex: Neue Empfeh­lun­gen zu Social Media und Globa­ler Gesund­heit

Die neuen Elemente des Ethik­ko­de­xes werden schon im Aufbau deutlich: Im Vergleich zur letzten Fassung, die in die vier Elemente Pflegende und ihre Mitmen­schen, Berufs­aus­übung, Profes­sion und Pflegende und ihre Kolle­gin­nen unter­teilt ist, ordnet die neue Version die Empfeh­lun­gen folgen­der­ma­ßen:

  • Pflege­fach­per­so­nen und Patien­tin­nen und Menschen mit Pflege­be­darf
  • Pflege­fach­per­so­nen und die Praxis
  • Pflege­fach­per­so­nen und der Beruf
  • Pflege­fach­per­so­nen und globale Gesund­heit

Gesund­heit als Menschen­recht

Im neuen Bereich Globale Gesund­heit wird die Wichtig­keit eines univer­sel­len Zugangs zur Gesund­heits­vor­sorge betont. Dazu gehört die Anerken­nung der Gesund­heit als Menschen­recht. Ganz konkrete Empfeh­lun­gen für Pflegende sind zum Beispiel, Wissen über die negati­ven Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels auf die mensch­li­che Gesund­heit zu erwer­ben. Auch die Einbin­dung der Konzepte der Friedens­för­de­rung in die tägli­che Praxis wird empfoh­len.

Die Weiter­ent­wick­lung von Social Media und Daten­schutz seit 2012 bildet der Ethik­ko­dex ebenfalls ab. Demnach „respek­tie­ren [Pflege­fach­per­so­nen] die Privat­sphäre und die vertrau­li­chen Infor­ma­tio­nen von Kolle­gin­nen und Menschen mit Pflege­be­darf, und wahren die Integri­tät des Pflege­be­rufs persön­lich und in allen Medien, einschließ­lich der sozia­len Medien.“

Selbst­für­sorge der Pflegen­den

In den Empfeh­lun­gen für Praxis und Beruf wird immer wieder die Selbst­für­sorge der Pflegen­den thema­ti­siert. So heißt es: „Pflege­fach­per­so­nen üben ethische Verhal­tens­wei­sen ein und entwi­ckeln Strate­gien, um in aufkom­men­den Krisen wie Pande­mien oder Konflik­ten mit morali­schen Stress umzuge­hen.“

Hier sind natür­lich auch die Berufs­ver­bände gefragt. An sie appel­liert der Kodex, sich „für Arbeits­um­ge­bun­gen und ‑bedin­gun­gen einzu­set­zen, die frei sind von Missbrauch, Beläs­ti­gung und Gewalt“. Spätes­tens bei der Empfeh­lung an die Berufs­ver­bände „Standards für beruf­li­che Grenzen“ zu setzen und „Prozesse zur Äußerung von Anerken­nung und Dankbar­keit zu etablie­ren“ klingt der Bezug zur Pande­mie sehr deutlich durch. Eine Umset­zung der neuen Empfeh­lun­gen kann vor diesem Hinter­grund gar nicht schnell genug passie­ren.