Die Referenten des BVMed-Hygieneforums 2014.
Oben (v.l.): Birgit Trier­wei­ler-Haucke, Dr. Tanjew Stember, Dr. Chris­tine Geffers. Unten (v.l.): Dr. Bernd Metzin­ger, Britta Siee, Prof. Dr. Sabine Wicker. Bild: BVMed

„Hygiene kostet Geld. Keine Hygiene kostet noch mehr Geld“, fasste Günther Mügge vom Bundes­wehr­kran­ken­haus Hamburg die Diskus­sion zusam­men. Hygiene müsse „im Gespräch sein. Wenn Hygiene im Keller statt­fin­det, funktio­niert das nicht“, so die Hygie­ne­fach­kraft. Birgit Trier­wei­ler-Hauke vom Univer­si­täts­kli­ni­kum Heidel­berg sagte, dass die Mitar­bei­ter täglich für das Thema Hygiene und Sicher­heit begeis­tert werden müssten. „Dafür brauchen wir aber auch ausrei­chen­des und gut geschul­tes Perso­nal.“ Auch Prof. Dr. Sabine Wicker vom Univer­si­täts­kli­ni­kum Frank­furt setzt auf den Faktor Perso­nal: Dieses müsse beim Thema Hygiene mitge­nom­men und bei den Prozes­sen und der Auswahl der einge­setz­ten Produkte mitein­be­zo­gen werden, so Wicker.

Dr. Chris­tine Geffers, Oberärz­tin am Insti­tut für Hygiene und Umwelt­me­di­zin der Charité, stellte die aktuelle Empfeh­lung der Kommis­sion für Kranken­haus­hy­giene und Infek­ti­ons­prä­ven­tion (KRINKO) zur Präven­tion der nosoko­mia­len Pneumo­nie vor. Die Empfeh­lung, die sich auf beatmte Patien­ten bezieht, spricht sich unter anderem für folgende Punkte aus:

  • Beatmungs­schläu­che sollen nicht häufi­ger als alle 7 Tage gewech­selt werden.
  • Befeuch­tersys­teme sind – ob aktiv oder passiv – gleich gut. Kein System sei überle­gen, so die KRINKO.
  • Unter infek­ti­ons­prä­ven­ti­ven Gesichts­punk­ten gibt es keinen Unter­schied zwischen offenen und geschlos­se­nen Absaug­sys­te­men.
  • Bei Patien­ten die mehr als 72 Stunden beatmet werden, sollten Endotra­che­al­tu­ben zur subglot­ti­schen Sekret­drai­nage verwen­det werden. Hierdurch können Lungen­ent­zün­dun­gen verhin­dert werden, so Geffers.
  • Wichtig sei auch die regel­mä­ßige Mundpflege bei beatme­ten Patien­ten mit antisep­ti­schen Substan­zen.
  • Unklar ist hinge­gen die Rolle der Lagerung für die Präven­tion der beatmungs­as­so­zi­ier­ten Pneumo­nie. Die Hochla­ge­rung des Oberkör­pers isr nachweis­lich nicht besser. Die Lagerung des Patien­ten muss unter klini­schen Gesichts­punk­ten festge­legt werden.

Einen Erfah­rungs­be­richt zur Perso­nal­si­tua­tion im Bereich Hygiene gab Birgit Trier­wei­ler-Hauke, Stati­ons­lei­te­rin und Mitglied der Hygie­ne­kom­mis­sion der Chirur­gi­schen Klinik des Univer­si­täts­kli­ni­kums Heidel­berg. Die Hygie­never­ord­nun­gen der Bundes­län­der sehen Hygie­ne­be­auf­tragte in der Pflege vor. Das ist wichtig, so Trier­wei­ler-Hauke, „denn Pflegende haben einen großen Einfluss auf die Hygie­ne­si­tua­tion auf der Station“. Von großer Bedeu­tung sei ein fundier­tes Basis­wis­sen der Hygiene in den Ausbil­dungs­be­ru­fen. Hier sei aber nicht die Anzahl der Unter­richts­stun­den entschei­dend, „sondern die Art und Weise wie unter­rich­tet wird“, so die Exper­tin. Das erwor­bene Wissen müsse in der Praxis auch angewen­det werden. Wichtig für eine nachhal­tige Hygie­ne­qua­li­tät in der Pflege ist die Umset­zung der Hände­hy­giene. Dazu gehören die Einbe­zie­hung der Mitar­bei­ter in die Auswahl der Desin­fek­ti­ons­mit­tel, die leichte Verfüg­bar­keit der Mittel über Spender oder die Durch­füh­rung von Schulun­gen und gezielte Unter­wei­sun­gen in die Hände­hy­giene. Erfah­re­nes Perso­nal müsse mit gutem Beispiel voran­ge­hen und jüngere Kolle­gen überzeu­gen, so Trier­wei­ler-Hauke. Denn: „Die Nachläs­sig­keit in der Hände­hy­giene korre­liert mit der Anzahl der Jahre im Beruf.“

Britta Siee, Kranken­schwes­ter in der Klinik für Radio­lo­gie und Nukle­ar­me­di­zin des Univer­si­täts­kli­ni­kums Magde­burg, berich­tete über die Einrich­tung eines IV-Teams zum profes­sio­nel­len Kathe­ter­ma­nage­ment in der Klinik. Anstelle der üblichen Venen­ver­weil­ka­the­ter werden bei komple­xen Infusi­ons­the­ra­pien oder regel­mä­ßi­gen Bluttrans­fu­sio­nen sogenannte „PICC-Lines“ von der Kranken­schwes­ter angelegt. Es handelt sich dabei um peripher gelegte zentrale Kathe­ter, die über eine Armvene verlegt werden. Diese Kathe­ter können bis zu drei Monaten liegen, sodass wieder­holte Punktio­nen entfal­len. Dadurch werden die Venen geschont und das Infek­ti­ons­ri­siko im Vergleich zu anderen zentral­ve­nö­sen Kathe­tern verrin­gert. Patien­ten können damit auch in die ambulante Pflege entlas­sen werden. PICC-Line ist aller­dings nicht geeig­net für schnelle Infusio­nen mit großem Volumen.

Die aktuelle Quali­täts­ori­en­tie­rung in der politi­schen Diskus­sion hinter­fragte Dr. Bernd Metzin­ger, Geschäfts­füh­rer des Dezer­na­tes für Perso­nal­we­sen und Kranken­haus­or­ga­ni­sa­tion der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft kritisch. Er bezeich­nete die Versor­gungs­qua­li­tät deutscher Klini­ken als „nachge­wie­sen gut“. Quali­täts­ori­en­tierte Vergü­tungs­sys­teme wie „Pay for perfor­mance“ seien auf der Grund­lage heuti­ger Quali­täts­in­di­ka­to­ren nicht rechts­si­cher zu gestal­ten. Die Quali­täts­of­fen­sive der Koali­tion hält Metzin­ger insge­samt für ein Ablen­kungs­ma­nö­ver von der Finan­zie­rungs­dis­kus­sion. „Die Diskus­sion um ‚Quali­tät‘ wird von Kranken­kas­sen und Politik missbraucht zur Decke­lung von Leistungs­men­gen“, so seine Kritik. Zudem konzen­triere sich die Diskus­sion nur auf die Kranken­häu­ser, nicht auf die Vertrags­ärzte. Er plädierte für einen sektoren­über­grei­fen­den Ansatz in der Quali­täts­si­che­rung. Sinnvoll seien auch die stärkere Nutzung von Routi­ne­da­ten in allen Verfah­ren der Quali­täts­si­che­rung sowie die stärkere Einbin­dung der Patien­ten­per­spek­tive.

Joachim Rösel vom BVMed-Mitglieds­un­ter­neh­men Pall GmbH medical stellte die Arbeit des Fachbe­reichs „Nosoko­miale Infek­tio­nen“ im BVMed vor. Ziel der Initia­tive ist es, das Wissen, wie nosoko­miale Infek­tio­nen vermie­den werden können, weiter­zu­tra­gen. Kernstück ist die Webseite unter www.krankenhausinfektionen.info, die Infor­ma­tio­nen und Grafi­ken zu den Themen Gefäß­ka­the­ter-assozi­ierte Infek­tio­nen, Wundin­fek­tio­nen, Atemwegs­in­fek­tio­nen und Harnwegs­in­fek­tio­nen bietet. Ein beson­de­res Angebot ist das anschau­li­che Grafik­ma­te­rial, das für Präsen­ta­tio­nen oder Schulun­gen kosten­los herun­ter­ge­la­den werden kann. In einem nächs­ten Schritt wird das Thema „Infek­tiöse Darmer­kran­kun­gen“ aufbe­rei­tet.

Wie Infek­tio­nen bei Zentra­len Venen­ka­the­tern (ZVK) verhin­dert werden können, zeigte Dr. Tanjew Stember von der Medizi­ni­schen Hochschule Hanno­ver auf. ZVK-assozi­ierte Infek­tio­nen sind ein komple­xes und schwer­wie­gen­des Problem und können beispiels­weise zu einer lebens­be­droh­li­chen Blutver­gif­tung führen. Zur Präven­tion sei ein Konzept aus mehre­ren Kompo­nen­ten erfor­der­lich, so Stember. Dazu gehört auch die Verwen­dung von antimi­kro­biell imprä­gnier­ten Zentra­len Venen­ka­the­tern. „Sie stellen eine sinnvolle Ergän­zung dar“, so der ärztli­che Experte zu den moder­nen Medizin­pro­duk­ten. Die Kathe­ter sind entwe­der mit Antisep­tika oder Antibio­tika beschich­tet. In der Inten­siv­sta­tion werden nur noch beschich­tete ZVK einge­setzt. Diese medizin­tech­ni­sche Kompo­nente sei aber nur ein Baustein im Gesamt­kon­zept und dürfe nicht dazu führen, dass Hygie­ne­maß­nah­men vernach­läs­sigt werden. Stember betonte: „Die Hände­des­in­fek­tion ist die wichtigste Maßnahme zur Präven­tion!“

Günther Mügge, Manuela Urbach
Günther Mügge und Manuela Urbach Bild: BVMed

Die Hygie­ne­fach­kräfte Manuela Urbach und Günther Mügge vom Bundes­wehr­kran­ken­haus Hamburg stell­ten die H2O2-Hygie­ne­schleuse in dem Neubau des Betten­hau­ses vor. Ziel ist die Dekon­ta­mi­na­tion von Räumen und medizi­ni­schem Material mit einer Kombi­na­tion von konven­tio­nel­len Verfah­ren wie Wisch­des­in­fek­tion und neuar­ti­gen Metho­den wie der H2O2-Dampf-Desin­fek­tion durch die schlag­ar­tige Verdamp­fung von Wasser­stoff­per­oxid. Der Dampf tötet die Bakte­rien im Raum ab. Die Hygie­ne­schleuse ist dabei rückstands­frei und hinter­lässt nur Wasser­dampf und Sauer­stoff. Ein Zyklus umfasst die Schritte Geräte-Kondi­tio­nie­rung, Begasung, Einwirk­zeit sowie Belüf­tung und den kataly­ti­schen Abbau. In 13 Wochen wurden neben den Räumen auch die medizi­ni­schen Materia­lien in zwei Schleu­sen­zim­mern dekon­ta­mi­niert. Das Ergeb­nis: „Die unmit­tel­bare Auswer­tung der chemi­schen Indika­to­ren ergab ebenso wie die Auswer­tung der Bioin­di­ka­to­ren im mikro­bio­lo­gi­schen Labor in allen Fällen eine erfolg­rei­che Bio-Dekon­ta­mi­na­tion.“

Prof. Dr. Sabine Wicker, Leite­rin des Betriebs­ärzt­li­chen Diens­tes des Univer­si­täts­kli­ni­kums Frank­furt am Main, stellte die im Juli 2013 in Kraft getre­tene Neufas­sung der Biostoff­ver­ord­nung vor, mit der die Anfor­de­run­gen der EU-Richt­li­nie zur Vermei­dung von Verlet­zun­gen durch scharfe oder spitze Instru­mente in medizi­ni­schen Einrich­tun­gen in natio­na­les Recht umgesetzt worden ist. Eine weitere Konkre­ti­sie­rung erfolgte durch die Neufas­sung der Techni­schen Regel TRBA 250 „Biolo­gi­sche Arbeits­stoffe im Gesund­heits­we­sen und in der Wohlfahrts­pflege“: Damit werden Arbeit­ge­ber in medizi­ni­schen Einrich­tun­gen verpflich­tet, beim Umgang mit benutz­ten medizi­ni­schen Instru­men­ten und Geräten Maßnah­men zu ergrei­fen, die eine Verlet­zungs- und Infek­ti­ons­ge­fahr der Beschäf­tig­ten minimie­ren. Dabei ist ein integrier­ter Ansatz zur Minimie­rung des Risikos von Nadel­stich­ver­let­zunge „unter Ausschöp­fung aller techni­schen, organi­sa­to­ri­schen und persön­li­chen Maßnah­men“ notwen­dig. Dies schließt Fragen der Arbeits­or­ga­ni­sa­tion und die Schaf­fung eines Sicher­heits­be­wusst­seins sowie ein Verfah­ren für die Erfas­sung von Nadel­stich­ver­let­zun­gen und die Durch­füh­rung von Folge­maß­nah­men mit ein. Ist der Einsatz spitzer und schar­fer medizi­ni­scher Instru­mente notwen­dig, sind, insbe­son­dere in Berei­chen mit erhöh­ter Infek­ti­ons­ge­fähr­dung, „Arbeits­ge­räte mit Sicher­heits­me­cha­nis­men“ zu verwen­den. Zur TRBA gehören zudem zahlrei­che Anhänge beispiels­weise mit Hinwei­sen für die Erstel­lung eines Hygie­ne­plans, Erfah­run­gen beim Einsatz von Sicher­heits­ge­rä­ten, ein Muster­rück­lauf­bo­gen zur Evalu­ie­rung siche­rer Instru­mente oder ein Beispiel für einen „Erfas­sungs- und Analy­se­bo­gen Nadel­stich­ver­let­zung“. An Praxis­bei­spie­len erläu­terte Prof. Wicker abschlie­ßend die enormen psychi­schen Belas­tun­gen, die mit einer Nadel­stich­ver­let­zung einher­ge­hen können. Dabei muss davon ausge­gan­gen werden, dass bis zu 80 Prozent der Stich­ver­let­zun­gen nicht gemel­det werden.