Was ist HIV/Aids?
HIV steht für „Human Immunodeficiency-Virus“ (deutsch: Humanes Immundefizit-Virus). Sollte sich eine Person mit dem HI-Virus infiziert haben, schädigt dieser das Immunsystem des Körpers. Wird eine Infektion nicht behandelt, kann der Körper eindringende Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze oder Viren nicht bekämpfen.
So können lebensbedrohliche Krankheiten entstehen. Diese Immunschwäche nennt man dann Aids, was für „Acquired Immune Deficiency Syndrome“ (deutsch: erworbenes Immunschwächesyndrom) steht.
Den ersten Aids-Fall gab es 1981. Seitdem zählte die Krankheit lange zu den weltweit häufigsten Todesursachen. Doch gerade in den letzten zwei Jahrzehnten scheint die Medizin einen guten Umgang mit HIV/Aids gefunden haben. Während die Krankheit im Jahr 2000 auf Platz 8 der weltweit häufigsten Todesursachen stand, war es 2019 nur noch Platz 19.
Das ist wohl auf die enormen Anstrengungen zurückzuführen, die unternommen wurden, um die Krankheit zu erforschen, Therapien zu entwickeln und HIV-Infektionen vorzubeugen.
HIV wird über das Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen, wie Sperma, Vaginalsekret und dem Flüssigkeitsfilm der Darmschleimhaut. Entsprechend ist Sex der häufigste Übertragungsweg von HIV. Auch eine Übertragung von einer Schwangeren auf ihr Kind ist möglich. Das geschieht vor allem während der Geburt oder über das Stillen.
Keine Übertragung im alltäglichen Miteinander
HIV wird allerdings nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit, Tröpfcheninfektion, Insektenstiche, Trinkwasser oder Nahrungsmittel übertragen. Deshalb stellt Körperkontakt im alltäglichen Miteinander auch kein Übertragungsrisiko dar. Seit Ausbruch der Krankheit haben sich insgesamt 84,2 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Die Hälfte von ihnen (40,1 Millionen Menschen) ist gestorben, wie Zahlen von UNAIDS zeigen.
Trotz der globalen Anstrengungen, die Krankheit einzudämmen, leben aktuell noch immer 38,4 Millionen Menschen mit HIV. Die Vereinten Nationen haben indes ihr 90–90-90-Ziel ausgerufen.
Der Name kommt daher, dass 90 Prozent der HIV-Infizierten eine Diagnose erhalten sollen – von den Diagnostizierten sollen 90 Prozent therapiert werden – von den HIV-Infizierten, die eine Therapie erhalten, soll bei 90 Prozent das Virus nicht mehr nachweisbar sein. Ein Ziel, das bislang nur zehn Länder erreichen konnten.
Therapiemöglichkeiten und Prävention
Wer sich mit dem HI-Virus infiziert hat, spürt meist nach zwei bis drei Wochen grippeartige Symptome. Nach dieser Phase bleibt die HIV-Infektion meist symptomlos. In dieser Zeit kann das Virus das Immunsystem erheblich schwächen.
Wichtig ist also, eine HIV-Infektion frühzeitig zu erkennen. Das geschieht durch HIV-Tests, die im Blut nach Antikörpern suchen. Wer mit HIV infiziert ist, kann sich also gut behandeln lassen. Die sogenannte antiretrovirale Therapie (ART) ermöglicht es heutzutage, die Vermehrung der Viren im Körper so stark zu unterdrücken, dass sie gar nicht mehr nachgewiesen werden können.
Bei dieser Behandlung werden mehrere Wirkstoffe kombiniert, die an unterschiedlichen Punkten des Vermehrungsprozesses ansetzen. Einige Wirkstoffen verhindern, dass Viren in menschliche Zellen eindringen können, andere Wirkstoffe verhindern, dass Viren eine Wirtszelle für ihre Reproduktion nutzen können. Wieder andere Wirkstoffe verhindern, dass reproduzierte Viren freigesetzt werden.
So wird zum einen verhindert, dass die Viren das Immunsystem nachhaltig schädigen können, was den Ausbruch von Aids verhindert. Zum anderen kann durch ART die Infektiosität gesenkt werden. Bei erfolgreicher Therapie kann HIV so auch beim Sex nicht mehr übertragen werden.
Somit ist trotz Infektion ein gutes Leben mit normaler Lebenserwartung möglich. Dafür ist es allerdings nötig, ein bis zwei Tabletten am Tag zu schlucken.
Mit neuen Depotpräparaten könnte es in Zukunft sogar möglich sein, nur alle paar Wochen Tabletten zu nehmen. In einzelnen Fällen gelang sogar schon die Heilung von HIV – allerdings nicht durch eine einfache Therapie mit Medikamenten.
Ist die Heilung noch weit weg?
Das erste Mal gelang eine Heilung von HIV/Aids im Jahr 2007 in Deutschland. Timothy Ray Brown, der nach seiner Heilung als „Berliner Patient“ bekannt wurde, litt seit einigen Jahren an einer HIV-Infektion. 2006 erkrankte er zudem an Leukämie. Zur Behandlung des Krebs führten die Ärztinnen und Ärzte der Berliner Charité eine Stammzellen-Transplantation an ihm durch. Die Stammzellen stammten hierbei von einem Spender, der immun gegen das HI-Virus war. Nach der Knochenmarktransplantation konnte der „Berliner Patient“ so schließlich von HIV geheilt werden.
Doch wie hat das geklappt? Um zu verstehen, wie Ray Brown geheilt werden konnten, muss klar sein, wie der HI-Virus aufgebaut ist und wie eine Infektion abläuft. Das HI-Virus besteht – wie jedes andere Virus auch – aus einer Kapsel, in der der Bauplan (virale RNA, Ribonucleic Acid) für das Virus enthalten ist, und einer Proteinhülle.
Da HIV das Immunsystem angreift, sind in diesem Fall die Wirtszellen also Immunzellen. Diese haben Rezeptoren an der Oberfläche, an die das Virus andocken kann. Wenn sich das Virus erfolgreich mit der Wirtszelle verbunden hat, helfen Enzyme (Reverse Transkripase) aus dem Inneren des Virus dabei, den Bauplan in die Wirtszelle zu transportieren.
Dort angekommen, wird der Bauplan durch weitere Enzyme (Integrase) im Zellkern der Wirtszelle festgeschrieben. So wird die infizierte Wirtszelle dafür genutzt, ständig neue Bausteine zu produzieren, die sich zu neuen HI-Viren zusammensetzen lassen. Die neuen HI-Viren wiederum können weitere menschliche Zellen infizieren.
Gendefekt als Schutzschild
Warum sind nun manche Menschen immun gegen das HI-Virus? Bei Personen, die immun gegen HIV sind, kann das HI-Virus nicht über die Rezeptoren der Immunzellen des Menschen andocken. Grund dafür ist ein Gendefekt, der dafür sorgt, dass diese speziellen Rezeptoren nicht richtig gebildet werden können. Diese sogenannten CCR5-Rezeptoren sind deshalb fehlerhaft und funktionslos. Und da sich das HI-Virus nicht an die Zelle heften kann, kann es auch nicht seinen Bauplan übertragen. Eine Infektion ist somit nicht möglich.
Trotz Heilung von HIV ist Ray Brown mittlerweile im Alter von 54 Jahren an Leukämie verstorben. Sein Fall bleibt für die Medizin aber immer noch eine Blaupause. Etliche Male wurde versucht zu wiederholen, was damals so gut funktioniert hat. 2019 war es dann so weit. Nach dem gleichen Verfahren, dass auch beim „Berliner Patienten“ angewendet wurde, konnte erneut eine HIV-infizierte Person in London geheilt werden – wieder war die Person an Krebs (Lymphdrüsenkrebs) erkrankt, wieder war es eine Stammzellentransplantation und wieder stammten diese von einem HIV-resistenten Spender.
Was in Berlin und London geglückt ist, hat auch 2022 bei zwei weiteren Patienten funktioniert. Im Juli 2022 konnte der „City of Hope“-Patient aus Kalifornien auf die gleiche Weise geheilt werden. Auch er litt an Leukämie und wurde mit einer Knochenmarktransplantation eines HIV-resistenten Spenders behandelt.
Mitte Februar 2022 wurde über die erste Frau berichtet, die von HIV geheilt werden konnte. Bei ihr gelang die Heilung erstmals mit Stammzellen aus einer Nabelschnur in Kombination mit einer Knochenmarktransplantation. Wie auch in den anderen Fällen war die Frau Leukämie-Patientin, bei der nach der Stammzellentherapie keine HIV-Infektion mehr nachgewiesen werden konnte.
Wie viele Patientinnen und Patienten nun tatsächlich von HIV/Aids geheilt wurden, ist unklar. Mehrere Medien titelten 2022, dass insgesamt vier Heilungen geglückt sind. Diese Berichte enthalten aber keine Informationen über eine HIV-Heilung aus Düsseldorf im Jahr 2019. Ob es nun offiziell vier, fünf oder mehr Heilungen gibt, kann nicht genau gesagt werden.
Allein in 2019 wurden nach Informationen der „Deutschen Aidshilfe“ 38 Patientinnen und Patienten mit HIV nach einer solchen Stammzellentransplantation beobachtet.
Heilung nur für Wenige
Bedeutet das, dass es bald für jeden eine Heilung von Aids gibt? Nein. Laut der „Deutschen Aidshilfe“ dauert es wohl noch sehr lange, bis eine Heilung für Aids gefunden wird. Die Verfahren, mit denen die Heilung von HIV bislang geklappt hat, sind zu kompliziert und gefährlich, um sie flächendeckend einzusetzen.
Das „Deutsche Zentrum für Infektionsforschung“ (DZIF) kümmert sich seit Jahren um die Erforschung möglicher Heilungen für HIV/Aids. Neben der Heilung konzentriert sich das Zentrum vor allem auf Wege Remission bei HIV-Infizierten zu erreichen, wie auf der Webseite des Zentrums angeben wird.
Bei der Remission geht es zunächst darum, die Viruslast im Blut zu reduzieren. Im Unterschied zur antiretroviralen Therapie verfolgt die Remission jedoch das Ziel, die Viruslast dauerhaft und nachhaltig zu senken, ohne dass Patientinnen und Patienten ihr Leben lang auf Medikamente angewiesen sind. Eine Heilung wird dadurch allerdings trotzdem nicht erreicht.
Eine Remission zu erreichen ist allerdings nicht leicht. So kann es sein, dass sich Viren „latent“ in den Wirtszellen des Menschen befinden. Das bedeutet, sie haben die Immunzelle zwar infiziert, vermehren sich aber nicht – sie verstecken sich also. Dadurch sind die Viren nicht „sichtbar“ und können auch nicht beseitigt werden. Mit der „shock and kill“-Methode sollen diese versteckten Viren hervorgelockt werden, um sie dann gezielt anzugreifen.
Warum sich Viren in Wirtszellen verstecken kann beispielweise an der antiretroviralen Therapie liegen. Durch sie werden die Viren unterdrückt, das heißt, sie vermehren sich nicht, sind aber weiterhin in der Wirtszelle vorhanden.
Konkrete Forschungsprojekte zur Heilung von HIV/Aids betreibt das DZIF unter anderem auch zu sogenannten „Genscheren“. Hierbei soll das Virusgenom identifiziert werden, um es dann aus der menschlichen DNA herauszuschneiden. Auch an der Entwicklung von Anti-Körpern, die verschiedene Subtypen und Mutationen des HI-Virus neutralisieren können, forscht das DZIF.
Weltweit liefen Ende 2019 fast 100 Studien, die versucht haben, eine Heilung für HIV/Aids zu finden – bislang ohne Ergebnis. Aber warum gestaltet es sich so schwierig, eine Heilung oder einen Impfstoff für HIV zu entwickeln?
40 Jahre HIV und noch keine Impfung?
In der Forschung machen aktuell mRNA-Impfstoffe leichte Hoffnung. Zum Welt-Aids-Tag veröffentlichen Forscherinnen und Forscher im Fachmagazin „Science“ eine kleine Phase-1-Studie, die vielversprechende Ergebnisse eines HIV-Impfstoffkandidaten enthielt. Demnach konnten 97 Prozent (35 von 36) der untersuchten Personen Anti-Körper entwickeln. Grund zum Aufatmen ist das allerdings noch nicht.
Das Problem, vor dem die Forschung bei der Erzeugung von Impfstoffen steht, ist die Wandelbarkeit der HI-Viren. Sie neigen zu starken Mutationen und die zahlreichen Subtypen machen es schwer, einen Impfstoff für alle Virusvarianten zu finden. Sollten sich also Antikörper im Menschen bilden, können die meist nur eine bestimmte Variante des HI-Virus bekämpfen, eine Mutation aber schon nicht mehr.
Zudem sind die Andockstellen für Antikörper auf den Oberflächen der HI-Viren gut versteckt. Einen Impfstoff zu entwickeln, der gegen eine große Menge an Mutationen wirkt, ist somit eine große Herausforderung – und bislang noch nicht geglückt.