Am Montag (26.06.23) hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu einem Auftaktgespräch über einen nationalen Hitzeplan eingeladen. Gemeinsam mit Fachleuten aus Pflege, Ärzteschaft, Kommunen, Verbänden und Wissenschaft soll der Plan entwickelt werden, der Verantwortlichen in den Kommunen die Werkzeuge an die Hand geben soll, sich kurz‑, mittel- und langfristig besser auf Hitzewellen vorzubereiten.
Arbeit am Hitzeschutzplan Deutschland. Bin gerade in einer Schalte mit Francois Braun, dem Gesundheitsminister in Frankreich. Frankreich hat mit dem vorbildlichen Hitzeschutzplan in den letzten Jahren Tausende Menschen jeden Sommer gerettet. Seit 2004. Jetzt ziehen wir nach.
Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) June 26, 2023
Konkrete Konzepte für Kommunen
Der Bundesgesundheitsminister will dafür Pflegeheimen, Kommunen und Krankenhäusern konkrete Konzepte zur Verfügung stellen, die je nach Außentemperatur bestimmte Maßnahmen vorschlagen. „Zum Auftakttreffen legen wir bereits konkrete Ideen vor und informieren über unsere Projekte, die zum Hochsommer anlaufen,“ sagte Lauterbach. „Es muss aufhören, dass jedes Jahr tausende Menschen den Hitzetod sterben.“
Neben einer bundeseinheitlichen Empfehlung für Hitzeschutzpläne in Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten will Lauterbach auch die Ärzteschaft einbinden: Sie soll besonders hitzeanfällige Patientengruppen wie Kinder, Schwangere, Ältere und Vorerkrankte in Hitzewellen zu warnen. „Hitzeschutz ist Lebensschutz,“ so Lauterbach.
„Alte Menschen, Pflegebedürftige, Vorerkrankte, aber auch Kinder, Schwangere und Menschen, die sich beruflich oder privat viel im Freien aufhalten, sind gefährdet, wenn Hitzewellen über Deutschland rollen. Darüber werden wir informieren, wir werden warnen und wir werden reagieren. Hitzeschutz wird vor Ort konkret.“
Bereits freigeschaltet ist die neue Website hitzeservice.de. Das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geförderte Projekt der LMU München bietet Kommunen praktische Tipps für Maßnahmen, erklärt, wie Notfallpläne in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aussehen können oder wie man Gebäude vor Wärme schützt. Auch Fakten zu den gesundheitlichen Folgen von Hitzephasen sind hier zu finden.
Risikogruppen leiden besonders unter Hitze
Die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutschland spürbar: Immer öfter kommt es zu Hitzeperioden mit heißen Tagen über 30 Grad. Für Kinder, kranke und alte Menschen sind diese Temperaturen besonders gefährlich. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, wies darauf hin, dass allein im vergangenen Jahr 4.500 Menschen wegen großer Hitze gestorben seien.
Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) sind in den drei Sommern 2018 bis 2020 in Deutschland mehr als 19.000 Menschen aufgrund von Hitze gestorben.
Die Initiative zu Lauterbachs Plänen kommt aus dem Gesundheitswesen: Mit einem Hitzeaktionstag am 14. Juni 2023 hatte die die Bundesärztekammer gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) darauf aufmerksam gemacht, dass das deutsche Gesundheitswesen unzureichend auf zunehmende Hitzeperioden vorbereitet ist.
Sie fordern einen klaren gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz. Dazu gehören Hitzeaktionspläne für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ebenso wie eine ressortübergreifende Planung und klare Zuständigkeiten. Jana Luntz, Präsidiumsmitglied Deutscher Pflegerat: „Machen wir weiter so wie bisher, werden wir die Klimakatastrophe in vollem Ausmaß erleben und parallel dazu auch eine Gesundheitskatastrophe. Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegenden.“
Auch die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen Lauterbachs Pläne. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, betonte, dass ein Viertel der rund 18 Millionen Menschen im Alter 65 plus überdurchschnittlich ‚hitzevulnerabel‘ seien: „Hitze macht ihnen besonders zu schaffen.
An Hitzetagen mit über 30 Grad Celsius kam es hitzebedingt zu drei Prozent mehr Krankenhauseinweisungen in dieser Altersgruppe. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.“
Kommt der Hitzeschutzplan zu spät?
Eine große Herausforderung des Hitzeschutzplans dürfte das Tempo bei der Umsetzung sein. Denn die Temperaturen steigen seit Jahrzehnten, wie das Umweltbundesamt bestätigt. Viele Maßnahmen, wie etwa die Berücksichtigung des Hitzeschutzes bei der Stadtplanung, sind aber nur mittel- bis langfristig umsetzbar.
Aus dieser Richtung kommt auch die Kritik am Vorgehen Lauterbachs: Der Aktionsplan sei deutlich zu spät, sagte der Sozialverband VdK. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wies darauf hin, dass viele Krankenhausgebäude sehr alt seien, so dass sich Klimaanlagen nicht ohne großen Aufwand einbauen ließen. „Die Politik muss sich hier bewusst sein, dass diese notwendigen Modernisierungen nicht zum Nulltarif zu haben sind,“ so der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß.
„Die Krankenhäuser benötigen ein umfassendes Investitionsprogramm, um mit dem Klimawandel umgehen zu können. Die extrem angespannte wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser, ausbleibender Inflationsausgleich und nach wie vor viel zu geringe Investitionskostenfinanzierung zeigen aber eine gegenteilige Entwicklung.“
Quellen: BMG, AOK, DKG u.a.