Treppenlift
Ein Treppen­lift in einem Senio­ren­heim (Symbol­bild) Bild: © Daseaford | Dreamstime.com

Ein Fall, der von einem Rechts­de­pe­sche-Leser geschil­dert wurde: In dem Pflege­heim, in dem er als Pflege­dienst­lei­ter arbei­tet, ist ein Treppen­lift angebracht worden, der die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner bequem über verschie­dene Stock­werke trans­por­tie­ren soll.

Die Bewoh­ner können den Treppen­lift selbst bedie­nen, sofern ihnen der Schlüs­sel ausge­hän­digt wird. Einem Bewoh­ner, der gerne den Lift benut­zen würde, wird die Heraus­gabe des Schlüs­sels für den Treppen­lift unter­sagt. Die Hausver­wal­tung verwei­gert das, weil der Betrof­fene augen­schein­lich ein erhöh­tes Sturz­ri­siko hat. Der Pflege­dienst­lei­ter teilt diese Einschät­zung nicht.

Pflege­dienst­lei­tung vs. Heimlei­tung

Zunächst muss die Frage beant­wor­tet werden, ob Pflege­dienst­lei­tung oder Heimlei­tung hier das Sagen haben. Der Pflege­dienst­lei­ter hat nach seinem Titel die oberste fachli­che Kompe­tenz in allen pflege­ri­schen Angele­gen­hei­ten. Das nachge­ord­nete Pflege­per­so­nal muss deshalb den Anord­nun­gen der Pflege­dienst­lei­tung folgen.

Diese Anord­nungs­be­fug­nis steht der Pflege­dienst­lei­tung aber nicht gegen­über der Heimlei­tung zu. Hier ist es umgekehrt: Die Heimlei­tung hat ein Weisungs­recht gegen­über der Pflege­dienst­lei­tung. Dieses Weisungs­recht ist in § 106 Gewer­be­ord­nung geregelt:

§ 106 GewO Weisungs­recht des Arbeit­ge­bers
Der Arbeit­ge­ber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeits­leis­tung nach billi­gem Ermes­sen näher bestim­men, soweit diese Arbeits­be­din­gun­gen nicht durch den Arbeits­ver­trag, Bestim­mun­gen einer Betriebs­ver­ein­ba­rung, eines anwend­ba­ren Tarif­ver­tra­ges oder gesetz­li­che Vorschrif­ten festge­legt sind. Dies gilt auch hinsicht­lich der Ordnung und des Verhal­tens der Arbeit­neh­mer im Betrieb […].

In diesem Fall hat die Heimlei­tung zusätz­lich auch das Hausrecht. Das bedeu­tet, sollte es zu Meinungs­ver­schie­den­hei­ten zwischen Heimlei­tung und Pflege­dienst­lei­tung kommen, kann die Heimlei­tung eine entspre­chende Weisung ertei­len. Auch wenn die Einschät­zung der Pflege­dienst­lei­tung eventu­ell sogar richtig wäre.

Treppenlift
Wenn der Weg über die Treppe versperrt bleibt… Bild: © Zdenek Sasek | Dreamstime.com

Rechte des Bewoh­ners in der Einrich­tung

Bleibt die Frage, ob dem Heimbe­woh­ner überhaupt die Nutzung des Treppen­lifts aus recht­li­cher Sicht verbo­ten werden kann.

Wer ein Pflege­heim bezieht, schließt einen Wohn- und Betreu­ungs­ver­trag ab, der gesetz­li­chen Regelun­gen unter­liegt. Durch diesen Vertrag – umgangs­sprach­lich Heimver­trag – überlässt ein Unter­neh­men dem Verbrau­cher Wohnraum und verpflich­tet sich gewisse Pflege- oder Betreu­ungs­leis­tun­gen zu erbrin­gen. Als Gegen­leis­tung bekommt das Unter­neh­men Geld vom Verbrau­cher.

Diese Leistun­gen stellen die sogenann­ten Haupt­pflich­ten des Heimver­tra­ges dar. Darüber hinaus gibt es aller­dings noch vertrag­li­che Neben­pflich­ten, die sich im Detail nicht im ausge­fer­tig­ten Heimver­trag wieder­fin­den lassen.

Sofern im Heimver­trag des darge­stell­ten Falls nicht ausdrück­lich ein Nutzungs­recht des Treppen­lifts gewährt wird, stellt sich die Frage, ob die Bereit­stel­lung der vorhan­de­nen Hilfs­mit­tel auf Wunsch des Heimbe­woh­ners eine solche vertrag­li­che Neben­pflicht darstellt.

Sollte es sich tatsäch­lich um eine vertrag­li­che Neben­pflicht handeln, wäre ein Verbot der Nutzung des Treppen­lifts nicht denkbar.

Pflich­ten der Einrich­tung aus dem Heimrecht

Unabhän­gig von den konkre­ten Ausfüh­run­gen des Heimver­trags müssen beide Vertrags­par­teien aufein­an­der Rücksicht nehmen und entspre­chende Schutz- und Fürsor­ge­pflich­ten erfül­len, damit die Vertrags­in­halte bestmög­lich umgesetzt werden können.

Welche Schutz- und Fürsor­ge­pflich­ten seitens der Heimlei­tung bestehen, kann mit Blick auf das Heimrecht beant­wor­tet werden.

§ 2 des Heimge­setz (HeimG) gibt vor, dass die Würde, Inter­es­sen und Bedürf­nisse der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner zu schüt­zen sind. Außer­dem muss die Selbst­stän­dig­keit, die Selbst­be­stim­mung und die Selbst­ver­ant­wor­tung der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner gewahrt werden.

Ergän­zend in diesem Zusam­men­hang schreibt § 11 HeimG vor, dass ein Heim nur dann betrie­ben werden darf, wenn Träger und Leitung „die Würde sowie die Inter­es­sen und Bedürf­nisse der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner vor Beein­träch­ti­gun­gen schüt­zen“ und „die Einglie­de­rung behin­der­ter Menschen fördern“.

Aus diesen Ausfüh­run­gen könnten sich entspre­chende vertrag­li­che Neben­pflich­ten ergeben, die dem Bewoh­ner die Nutzung des Treppen­lifts auf seinen Wunsch ermög­li­chen.

Treppen­lift nur ohne Sicher­heits­ri­siko benut­zen

Da die Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keit in Bezug auf Pflege­heime aber bei den Ländern selbst liegt, greifen die Vorga­ben des HeimG nur, falls es keine spezi­fi­sche­ren Regelun­gen auf Länder­ebene gibt.

Im Wohn- und Teilha­be­ge­setz NRW wird in § 1 Absatz 1 ebenfalls auf die Einhal­tung von Würde, Rechten, Inter­es­sen und Bedürf­nis­sen der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner hinge­wie­sen.

Nach Absatz 4 sollen sie ein möglichst selbst­be­stimm­tes Leben führen können und in der Wahrneh­mung ihrer Selbst­ver­ant­wor­tung unter­stützt werden.

Aller­dings sollen die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner auch vor Gefah­ren für Leib und Seele geschützt werden.

Eine vertrag­li­che Neben­pflicht zur Gewäh­rung der vorhan­de­nen Hilfs­mit­tel kann für die Einrich­tung also höchs­tens so weit bestehen, dass der Bewoh­ner bei deren Benut­zung keinen Gefah­ren ausge­setzt wird.

Im Zweifel sollte die Fähig­keit des Bewoh­ners zur Bedie­nung des Treppen­lifts ärztlich geklärt und regel­mä­ßig überprüft werden.

Sollte es dann zu einem haftungs­recht­li­chen Zwischen­fall bei der Benut­zung des Treppen­lifts kommen, hat die Heimlei­tung ihre Sorgfalts­pflich­ten dennoch gewahrt und ist keiner Haftung ausge­setzt.