Die Kommunikation mit dem Patienten hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Der moderne und im Verhältnis zum Arzt emanzipierte Patient verlangt einen offenen Umgang und sachgerechte Informationen zum Stand der Behandlung. Dies gilt auch für die Nachbehandlung nach erfolgten Operationen, wie der folgende Fall aus der Schadenpraxis zeigt.
Sachverhalt
Die Patientin knickte mit dem linken Fuß um und erlitt einen Bruch des mittleren Keilbeins und der Mittelfußknochenbasen. In der erstversorgenden chirurgischen Praxis wurde die Patientin mit einem Unterschenkelgips versorgt und zur stationären Behandlung in eine spezialisierte Klinik eingeliefert. Dort wurde festgestellt, dass die Patientin unter einer diabetesassoziierten Polyneuropathie mit Ausbildung eines sogenannten Charcot-Fußes litt. Über diese erstmals gestellte Diagnose informierte man die Patientin hingegen nicht.
Es erfolgte eine operative Versorgung der Frakturen. Postoperativ war ein Gips angelegt und zur Entlastung eine Vacoped®-Orthese angepasst worden. Zudem wurde eine Wiedervorstellung zur Verlaufsuntersuchung in zwei Wochen vorgesehen. Auf die Verordnung von Unterarm-Gehstützen zur vollständigen Entlastung des Fußes war vorerst verzichtet worden. Geplant war, im Rahmen der vereinbarten Wiedervorstellung über die weitere Nachbehandlung zu entscheiden.
Die Ärzte sprachen mit der Patientin jedoch nicht über die zwingende Erforderlichkeit, den Fuß zu entlasten und zu diesem Zweck den Vacoped®-Schuh rund um die Uhr zu tragen.
Ein Wiedervorstellungstermin wurde mit der Patientin vereinbart, sie jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass die Wiedervorstellung zur Verlaufsüberwachung zwingend notwendig war. Zum vereinbarten Termin erschien die Patientin nicht, sondern stellte sich zeitlich verzögert erst wieder in der erstversorgenden Praxis vor, nachdem zusätzliche Schmerzen aufgetreten waren.
Der Sachverhalt war Gegenstand eines Gutachterverfahrens einer Landesärztekammer. Nach den gutachterlichen Feststellungen kam es infolge der mangelhaften therapeutischen Aufklärung und der dadurch bedingten verzögerten Behandlung wegen der aggressiven Grunderkrankung (Polyneuropathie mit Ausbildung eines Charcot-Fußes) zu einem Fortschreiten der knöchernen Destruktion und zu einem Zusammenbruch der Fußwölbungen. Hieraus resultiert eine dauerhafte Beeinträchtigung des Geh- und Stehvermögens des linken Fußes. Im Fall einer adäquaten Nachbehandlung mit Bettung des Fußes und mehrwöchiger Entlastung hätte ein Fortschreiten der Deformierung und damit die Einschränkung des Geh- und Stehvermögens weitestgehend verhindert werden können.
Haftungsrechtliche Beurteilung der mangelnden Aufklärung
Haftungsrechtlich unterfällt eine mangelhafte Kommunikation in der Nachbehandlung einer Operation der sogenannten Sicherungsaufklärung (= therapeutische Aufklärung). Der Arzt ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet, den Patienten über alle Umstände zu informieren, die zur Sicherung des Heilungserfolgs und zu einem therapiegerechten Verhalten erforderlich sind. Eine unterlassene Sicherungsaufklärung stellt einen zum Schadensersatzanspruch führenden Behandlungsfehler dar.
In diesem Fall haben die behandelnden Ärzte keine ausreichende Sicherungsaufklärung durchgeführt. Die Patientin wurde zunächst nicht über die erstmals gestellte Diagnose eines Charcot-Fußes informiert. Zudem unterblieb die zwingende Aufklärung über spezielle Verhaltensregeln im Hinblick auf die erforderliche postoperative Entlastung des Fußes rund um die Uhr. Die unzureichende Sicherungsaufklärung war Ursache dafür, dass die Patientin den Ernst der Lage nicht erkannte, den Fuß nicht ausreichend entlastete und nicht zum geplanten Wiedervorstellungstermin erschien.
Ein haftungsrelevantes Mitverschulden konnte der Patientin in diesem Fall nicht erfolgreich entgegengehalten werden. Zwar kann eine Nichtbefolgung ärztlicher Therapie- und Kontrollanweisungen im Einzelfall zu einem die Haftung des Arztes mindernden Mitverschulden führen. Jedoch setzt ein Mitverschuldenseinwand selbstverständlich voraus, dass entsprechende Anweisungen überhaupt erfolgt und vom Patienten auch verstanden worden sind.
Auf der Basis des ermittelten Sachverhalts kamen die Gutachter zu einem haftungsbegründenden Behandlungsfehler, welcher im Ergebnis zum Ausgleich umfangreicher Schadensersatzansprüche führte. Wegen des verursachten Dauerschadens steht ein Schmerzensgeld im hohen fünfstelligen Bereich zur Diskussion. Darüber hinaus ist die Geschädigte seit dem Eingriff erwerbsgemindert. Demzufolge sind Erwerbsschadenansprüche ebenso wie vermehrte Bedürfnisse wegen der eingeschränkten Haushaltsführung in erheblichem Umfang auszugleichen. Insgesamt stehen berechtigte Schadensersatzforderungen im sechsstelligen Bereich im Raum.
Fazit
Die besondere Sorgfalt ist nicht nur der Risikoaufklärung vor der geplanten operativen Versorgung geschuldet. Vielmehr muss der Patient in die Lage versetzt werden, den Heilverlauf durch sein richtiges Verhalten zu unterstützen. Hierzu ist erforderlich, dass der Arzt den Patienten in den Behandlungsprozess einbezieht und die notwendigen Verhaltensregeln und deren Konsequenzen verdeutlicht, um den Heilerfolg nicht unnötig zu gefährden. Ist die therapeutische Aufklärung erfolgt, sollte sie regelmäßig auch dokumentiert werden, um im Streitfall den entsprechenden Nachweis führen zu können.
Im Praxisalltag besteht die große Gefahr, dass Patienten nach Abschluss der eigentlichen operativen Versorgung routinegemäß ohne ausreichende Kommunikation „verwaltet“ werden. Insoweit sollte darauf geachtet werden, dass jedem Einzelfall die erforderliche Aufmerksamkeit im Hinblick auf das Verständnis und die Mitwirkung des Patienten zukommt.
Die Kommunikation in der Arzt-Patienten-Beziehung hat zudem stark an Bedeutung gewonnen. So steht auch im Zentrum des Patientenrechtegesetzes der mündige Patient mit seinem Anspruch auf Information und Selbstbestimmung. Mangelnde Kommunikation ist deshalb immer häufiger Ausgangspunkt für haftungsrechtliche Auseinandersetzungen. Der Patient, der sich nicht ausreichend informiert und nicht ernst genommen fühlt, neigt grundsätzlich eher dazu, vermeintliche Schadensersatzansprüche gegen den Behandler durchzusetzen.
Quelle: RA Michael Langguth, HDI