Die Hersteller von Corona-Impfstoffen haften nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Dagegen klagte ein Mann, der nach eigener Darstellung als Folge einer Corona-Impfung einen Hirninfarkt erlitten habe. Am 10. Oktober fand die erste Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln statt (Az.: 7 K 574/23).
Haftungsprivilegierung für Hersteller von Impfstoffen
Im Mai 2020 hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter der Leitung des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) eine Verordnung beschlossen, die einige Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes für Corona-Impfstoffe außer Kraft setzt. Darin wird unter anderem festgelegt, dass die Hersteller der Impfstoffe nur dann für Folgeschäden haftbar sind, wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann.
Im Arzneimittelgesetz gilt dagegen die sogenannte Gefährdungshaftung gemäß § 84 AMG, in der das persönliche Verschulden keine Rolle spielt. Für die Verantwortlichkeit bei Schadensersatzansprüchen würde es nach dem Arzneimittelgesetz ausreichen, dass der Hersteller ein Produkt in Umlauf gebracht hat, dass gefährliche Neben- oder Folgewirkungen haben könnte.
Der Grund für die Änderung des Haftungsanspruchs war laut BMG damals die Notwendigkeit, Impfstoffe so schnell wir möglich zu beschaffen. Das ging nur mit der Kooperation der Pharmaindustrie, für die die beschleunigte Entwicklung mit Unsicherheiten verbunden war. Um Risiken für die Industrie zu minimieren, wurden die Impfstoffe von der Gefährdungshaftung ausgenommen.
Hunderte von Klagen gegen Biontech und AstraZeneca
Nach einem Bericht der dpa sind bis Juni 2023 etwa 350 Klagen gegen die Hersteller von Impfstoffen eingereicht worden. Da die Durchsetzung von Ansprüchen durch den Ausschluss der Gefährdungshaftung deutlich erschwert ist, geht ein Kläger direkt gegen das BMG vor.
Er war im Juli 2021 mit dem Impfstoff Comirnaty von Biontech geimpft worden. Als Folge der Impfung, so der Kläger, habe er einen Hirninfarkt erlitten. Auch sein Sehvermögen und seine Feinmotorik seien bleibend geschädigt. Wie die FAZ berichtet, sei der Mann nicht mehr arbeitsfähig und bleibe auf Hilfe im Alltag angewiesen.
Der Anwalt des Klägers argumentiert, dass durch die Rechtsverordnung Prozesserschwernisse geschaffen wurden, die für Menschen mit Impfschäden unverhältnismäßig seien. Die Gesamtzahl der schweren Verläufe sowie die Todesfälle als Folge einer Coronainfektion seien zu gering, um die Haftungserleichterung für die Hersteller zu rechtfertigen.
Der Kläger hatte zunächst gegen den Hersteller Biontech geklagt, sieht sich aber aufgrund der Verordnung benachteiligt: Impfgeschädigte können zwar Ansprüche gegen den Staat geltend machen, allerdings nicht auf Schmerzensgeld klagen. Dadurch seien ihnen – so der Kläger – die finanziellen Mittel verwehrt, um alle Therapiemöglichkeiten für eine vollständige Genesung auszuschöpfen. Das widerspreche der Argumentation, der Schutz der Impfstoffhersteller vor Haftung diene auch dem Schutz der Volksgesundheit.
Des Weiteren bringt der Klägeranwalt auch die gerechte Verteilung von Risiken und Kosten ins Spiel: Durch den Wegfall der Gefährdungshaftung liege ein unverhältnismäßiges Risiko beim Bürger, während die Gewinne der Impfkampagne ausschließlich den Pharmaunternehmen zugute komme. Auch die Kosten eventueller Schadensersatzansprüche werde aufgrund einer EU-Vereinbarung mit der Pharmaindustrie aus dem Bundeshaushalt finanziert, gehe also zulasten des Sozialsystems.
Symptome nach Impfung sind allein noch kein Beweis
Zwar sind Nebenwirkungen und Komplikationen von Impfungen keine Seltenheit. Laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) lagen bis zum 31.3.2023 insgesamt 340.282 Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen beziehungsweise Impfkomplikationen nach einer Impfung gegen COVID-19 vor, 56.432 davon schwerwiegend.
Allerdings weist das PEI darauf hin, dass „aus der Anzahl der Verdachtsmeldungen nicht darauf geschlossen werden kann, dass es sich um eine Nebenwirkung handelt“: Dass bestimmte Symptome kurz nach der Impfung auftreten, ist noch kein Beweis dafür, dass sie durch den Impfstoff verursacht wurden.
Bekannte Nebenwirkungen gelten als hinnehmbar
Selbst wenn der Kläger Arztberichte vorlegen kann, die für einen Impfschaden sprechen, könnten Gutachter in der Verhandlung zu anderen Ergebnissen kommen.
Außerdem gelten zum Zeitpunkt der Impfung bekannte Nebenwirkungen nach der gängigen Rechtssprechung als hinnehmbar. So hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, das aus Schäden, die „nach der Nutzen-Risiko-Bewertung als sozialadäquat eingeordnet werden,“ keine Ansprüche entstehen.
Trotzdem ist der Ausgang der Verfahrens von weitreichender Bedeutung. Sollte das VG Köln entscheiden, dass die Haftungsprivilegierung der Impfstoffhersteller grundsätzlich rechtswidrig ist, sind die Kläger einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Am Ende könnten hohe Forderungen auf die Hersteller zukommen.