E-Zigarette
Dürfen Ärzte E‑Zigaretten als Rauch­al­ter­na­tive empfeh­len? Bild: Roland Mey auf Pixabay

Risiko-Nutzen-Abwägung im Rahmen der ärztli­chen Sorgfalts­pflicht

Der Arzt hat insoweit bei der Empfeh­lung von Behand­lungs­me­tho­den bzw. ‑alter­na­ti­ven zur Schadens­mi­ni­mie­rung stets die anerkann­ten Standards der medizi­ni­schen Wissen­schaft und Forschung zu berück­sich­ti­gen. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwie­weit die Empfeh­lung einer E‑Zigarette oder eines Tabak­er­hit­zers bei dem jewei­li­gen Patien­ten als Teil einer Schadens­be­gren­zung angese­hen werden kann, wenn der Patient ohne die Produktal­ter­na­tive weiter­rau­chen würde.

Wichtig ist hierbei, dass der Arzt den Patien­ten nicht dazu ermutigt, weiter­hin zu rauchen, sondern ihm deutlich macht, dass die E‑Zigarette eine Übergangs­lö­sung sein könnte, um die mit dem Zigaret­ten­rau­chen einher­ge­hen­den gesund­heit­li­chen Risiken zu minimie­ren. Dennoch darf nicht der Eindruck entste­hen, dass die E‑Zigarette eine harmlose Alter­na­tive sei. Im Ideal­fall sollten dem Patien­ten auch weitere Mittel zur Raucher­ent­wöh­nung angebo­ten werden, wie etwa verhal­tens­the­ra­peu­ti­sche Maßnah­men oder Nikotin­er­satz­pro­dukte, um ihm langfris­tig die vollstän­dige Absti­nenz zu ermög­li­chen.

Sollte der Arzt im Rahmen dieser Abwägung zu dem Ergeb­nis kommen, dass die E‑Zigarette oder der Tabak­er­hit­zer für den Patien­ten die beste Option darstellt, ist er dennoch verpflich­tet, diese Entschei­dung regel­mä­ßig zu überprü­fen. Verän­derte gesund­heit­li­che Umstände oder neue wissen­schaft­li­che Erkennt­nisse könnten eine Neube­wer­tung erfor­der­lich machen. Versäumt der Arzt diese laufende Überwa­chung und tritt in der Folge ein Schaden ein, könnte er für diesen ggf. verant­wort­lich gemacht werden.

Gleich­zei­tig muss der Arzt sicher­stel­len, dass er umfas­send und korrekt über die Auswir­kun­gen und Risiken der Nutzung einer E‑Zigarette infor­miert hat. Was unter einer umfas­sen­den Aufklä­rung zu verste­hen ist, wird im weite­ren Verlauf disku­tiert.

Aufklä­rungs­pflich­ten des Arztes bei der Empfeh­lung einer Rauch­al­ter­na­tive

Mithin stellt die Aufklä­rungs­pflicht eine zentrale Rolle in der Haftungs­si­tua­tion des Arztes dar. Nach § 630e BGB ist der Arzt verpflich­tet, den Patien­ten umfas­send über die empfoh­lene Maßnahme, deren Risiken sowie mögli­che Alter­na­ti­ven zu infor­mie­ren. Bei der Empfeh­lung einer E‑Zigarette oder eines Tabak­er­hit­zers muss der Arzt also klar darle­gen, dass diese zwar als weniger schäd­lich im Vergleich zu herkömm­li­chen Zigaret­ten gilt, aber dennoch nicht risiko­frei sind. Ansons­ten bestünde die Gefahr, dass der Patient von der Annahme ausgeht, die Nutzung einer E‑Zigarette sei gänzlich unbedenk­lich. Eine solche Fehlein­schät­zung könnte für den Arzt haftungs­recht­li­che Konse­quen­zen haben, wenn der Patient im Nachhin­ein gesund­heit­li­che Schäden erlei­det, welche auf die Nutzung der E‑Zigarette zurück­zu­füh­ren wären.

Die Aufklä­rung muss insbe­son­dere die mögli­chen Risiken der E‑Zigarette umfas­sen, wie etwaige schäd­li­che Auswir­kun­gen auf die Atemwege oder das Herz-Kreis­lauf-System sowie die Tatsa­che, dass E‑Zigaretten ebenfalls, wie normale Zigaret­ten Nikotin enthal­ten, was abhän­gig machen kann. Da die Langzeit­fol­gen des Gebrauchs von E‑Zigaretten noch nicht vollstän­dig erforscht sind, muss der Arzt auch darauf hinwei­sen, dass die Empfeh­lung ledig­lich auf der derzei­ti­gen wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­lage basiert.

Klärt der Arzt im oben darge­stell­ten Umfang auf, können ihm keine Aufklä­rungs­ver­säum­nisse vorge­wor­fen werden, da der infor­mierte Patient nach Darle­gung der bestehen­den Risiken eine eigen­ver­ant­wort­li­che Entschei­dung „pro“ oder „contra“ Rauch­stopp treffen kann.

Kausa­li­tät und Haftung im Schadens­fall

Im Falle eines Gesund­heits­scha­dens, welcher nachweis­lich durch die Nutzung einer E‑Zigarette entstan­den ist, stellt sich die Frage, ob der Arzt hierfür haftbar gemacht werden kann. Für die Haftung des Arztes sowohl gemäß § 280 BGB (vertrag­li­che Haftung) als auch gemäß § 823 BGB (delikt­i­sche Haftung) muss der Patient nachwei­sen, dass der Arzt einen Fehler began­gen hat und dieser Fehler kausal für den einge­tre­te­nen Schaden ist. Im ersten Schritt müsste der Patient darle­gen und bewei­sen, dass der Arzt ihn bezüg­lich der Nutzung einer E‑Zigarette fehler­haft beraten und aufge­klärt hat.

Im Haftungs­fall könnte dem Arzt ferner vorge­wor­fen werden, dass er nicht alle zur Verfü­gung stehen­den Maßnah­men zur Rauch­ent­wöh­nung ausge­schöpft hat. Ein solcher Vorwurf könnte insbe­son­dere dann Gewicht haben, wenn der Patient argumen­tiert, dass er bei umfas­sen­der Aufklä­rung über alle Alter­na­ti­ven mögli­cher­weise auf die Nutzung der E‑Zigarette verzich­tet und andere Metho­den gewählt hätte. Um dieses Risiko zu minimie­ren, ist es für den Arzt entschei­dend, alle zur Verfü­gung stehen­den Optio­nen aufzu­zei­gen und dem Patien­ten dabei zu helfen, eine infor­mierte Entschei­dung zu treffen.

Neben der Fehler­haf­tig­keit des Handelns muss der Patient ferner den Kausa­li­täts­be­weis erbrin­gen. Da die Kausa­li­tät zwischen der ärztli­chen Empfeh­lung und dem einge­tre­te­nen Schaden oft schwer nachzu­wei­sen ist, insbe­son­dere wenn der Patient ohnehin starke gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gun­gen durch das Rauchen hatte, wird es häufig auf die Frage hinaus­lau­fen, ob der Arzt seiner Aufklä­rungs- und Sorgfalts­pflicht nachge­kom­men ist. Hat der Arzt korrekt und umfas­send über die Risiken aufge­klärt und eine sorgfäl­tige Risiko-Nutzen-Abwägung vorge­nom­men, wird es für den Patien­ten schwer, den Arzt haftbar zu machen. Wichtig in diesem Zusam­men­hang ist noch zu erwäh­nen, dass das Beratungs- und Aufklä­rungs­ge­spräch zwingend in der ärztli­chen Dokumen­ta­tion hinter­legt werden muss.

Produkt­haf­tung und ärztli­che Verant­wor­tung

Ein weite­res relevan­tes recht­li­ches Feld im Zusam­men­hang mit der Empfeh­lung einer E‑Zigarette ist die Produkt­haf­tung. Grund­sätz­lich haftet der Herstel­ler gemäß § 1 ProdHaftG eines Produkts für Schäden, die durch den Gebrauch dieses Produkts entste­hen, sofern das Produkt fehler­haft ist.

Der Arzt haftet nicht für die Mängel oder Defekte eines Produkts, welches er im Rahmen einer ärztli­chen Beratung empfiehlt, sofern er nicht direkt in den Verkaufs­pro­zess invol­viert ist. Seine Rolle beschränkt sich in diesem Fall auf die medizi­ni­sche Beratung, nicht auf die Verant­wor­tung für das Produkt selbst. Insoweit ist die Produkt­haf­tungs­lage vergleich­bar mit verschrie­be­nen oder empfoh­le­nen medizi­ni­schen Produk­ten oder Hilfs­mit­teln.

Der Arzt könnte nur dann für ein schad­haf­tes Produkt in die Haftung genom­men werden, wenn er ein fehler­haf­tes oder ungeeig­ne­tes Produkt empfiehlt, obwohl er Kennt­nis von dessen Mängeln hatte oder hätte haben müssen.

Fazit

Die Haftpflicht­si­tua­tion eines Arztes, der einem Patien­ten, der nicht in der Lage ist, mit dem Rauchen aufzu­hö­ren, die Nutzung einer E‑Zigarette empfiehlt, hängt entschei­dend von der Erfül­lung der ärztli­chen Aufklä­rungs­pflicht und der sorgfäl­ti­gen Risiko-Nutzen-Abwägung ab. Eine fundierte und umfas­sende Aufklä­rung über mögli­che Risiken der E‑Zigarette sowie die Darle­gung weite­rer Entwöh­nungs­mög­lich­kei­ten sind essen­zi­ell, um eine Haftung des Arztes zu vermei­den. Kommt es dennoch zu einem gesund­heit­li­chen Schaden, wird die Haftungs­frage maßgeb­lich von der Kausa­li­tät und der Beweis­lage im Einzel­fall abhän­gen. Der Arzt muss stets sicher­stel­len, dass er den Patien­ten nicht nur kurzfris­tig, sondern auch langfris­tig bestmög­lich berät und unter­stützt. Eine Haftung des Arztes aus produkt­haf­tungs­recht­li­cher Sicht ist weitest­ge­hend ausge­schlos­sen.

FAQ

Welche recht­li­chen Konse­quen­zen drohen Ärzten bei der Empfeh­lung von E‑Zigaretten zur Rauch­ent­wöh­nung?

Nach § 630e BGB besteht eine umfas­sende Aufklä­rungs­pflicht des Arztes über Risiken, Neben­wir­kun­gen und alter­na­tive Metho­den, wenn mehrere medizi­nisch gleicher­ma­ßen indizierte und übliche Maßnah­men zu wesent­lich unter­schied­li­chen Belas­tun­gen, Risiken oder Heilungs­chan­cen führen können.. Auch bei der Empfeh­lung einer E‑Zigarette kommt dieser Grund­satz zum Tragen. Die E‑Zigarette gilt zwar als weniger schäd­lich als herkömm­li­che Zigaret­ten, ist aber nicht risiko­frei. Wichtig ist, dass der Arzt gegen­über dem tabak­ab­hän­gi­gen Raucher klarstellt, dass der Konsum der E‑Zigarette im Sinne der Tabak­ent­wöh­nung eine Übergangs­lö­sung auf dem Weg zum Rauch­stopp darstellt und weitere Rauch­ent­wöh­nungs­me­tho­den, wie Verhal­tens­the­ra­pie oder Nikotin­er­satz, zu empfeh­len sind. Vernach­läs­sigt der Arzt die Aufklä­rung, über die auch bei der E‑Zigarette mögli­chen gesund­heits­schäd­li­chen Aspekte, könnte dies zu haftungs­recht­li­chen Konse­quen­zen führen.

Wer haftet, wenn ein Patient durch die Nutzung einer empfoh­le­nen E‑Zigarette gesund­heit­li­che Schäden erlei­det?

Tritt ein gesund­heit­li­cher Schaden durch die Nutzung einer E‑Zigarette ein, haftet der Arzt nur, wenn er nachweis­lich seine Sorgfalts­pflich­ten verletzt hat. Dies umfasst insbe­son­dere die ordnungs­ge­mäße Risiko­auf­klä­rung gemäß § 630e BGB. Der Patient muss jedoch nachvoll­zieh­bar darle­gen, dass er bei ordnungs­ge­mä­ßer Aufklä­rung auf das Rauchen vollum­fäng­lich verzich­tet hätte. Aus Sicht des Arztes und zur Anspruchs­ver­mei­dung ist die lücken­lose Dokumen­ta­tion des Aufklä­rungs­ge­sprächs unerläss­lich. An dieser Stelle ist aller­dings darauf hinzu­wei­sen, dass die Produkt­haf­tung grund­sätz­lich von dem Herstel­ler der E‑Zigarette zu tragen ist.

Was tun, wenn der Arzt keine vollstän­dige Aufklä­rung zur E‑Zigarette gegeben hat?

An dieser Stelle muss auf die Abhän­gig­keit durch Nikotin und die begrenzte wissen­schaft­li­che Erkennt­nis über Langzeit­fol­gen des Konsums von E‑Zigaretten hinge­wie­sen werden. Wenn der Arzt seinen Aufklä­rungs­pflich­ten nicht nachkommt und der Patient infol­ge­des­sen einen Schaden erlei­det, könnte der Arzt haftbar gemacht werden, sofern der Patient die Kausa­li­tät zwischen seinem Rauch­ver­hal­ten und dem erlit­te­nen Schaden bewei­sen kann.