Wird eine Pflegekraft aufgrund einer Stationsschließung oder wegen akuten Personalmangels auf eine andere Station beordert, um dort auszuhelfen, so wird sie nicht selten mit neuen, unbekannten Aufgaben konfrontiert. Wer haftet eigentlich im Schadensfall, wenn die Pflegekraft auf der fremden Station einen Fehler begeht, der den fehlenden Kenntnissen der Fachkraft, beziehungsweise der fehlenden Einarbeitung geschuldet ist?
Remonstrationsrecht muss beansprucht werden, wenn die Fachkraft eine Anweisung nicht bewältigen kann
Zunächst einmal: Egal um welche Station es sich auch handeln mag, die zuständige Fachkraft muss die dort anfallende Arbeit beherrschen. Dabei gilt grundsätzlich: Mache ich einen Fehler, dann hafte ich für den Fehler.
Gerade jetzt, in Zeiten der Coronapandemie, wird so manche Aufgabe an Fachkräfte delegiert, die dafür normalerweise nicht zuständig sind. Eine solche Situation ist für die betroffene Pflegekraft häufig bizarr. Kann diese nach einer Stationsschließung nämlich nicht anderweitig eingesetzt werden, droht ihr im schlimmsten Fall eine personenbedingte Kündigung. Nicht selten kommt es deshalb vor, dass Pflegekräfte ihnen unbekannte Aufgaben dennoch übernehmen, frei nach dem Motto „Augen zu und durch“.
Grundsätzlich muss der Anweisende, zum Beispiel der Arbeitgeber, prüfen, ob die angewiesene Person – in diesem Fall die Pflegekraft – für die Durchführung der jeweiligen Maßnahme ausreichend qualifiziert ist. Ihm obliegt die sogenannte Anordnungsverantwortung. Auch die betroffene Fachkraft selbst muss für sich eine Einschätzung vornehmen, ob sie in der Lage ist, die Aufgaben sach- und fachgerecht zu bewältigen.
Bejaht sie die Anweisung, so lastet auf ihr die Durchführungsverantwortung. Es liegt nun in der Verantwortung der Pflegekraft, die ihr aufgetragene Aufgabe ordnungsgemäß durchzuführen.
Kommt sie hingegen zu dem Entschluss, dass sie dies NICHT kann, da die Tätigkeit beispielsweise nicht in ihrem Aufgabengebiet liegt, so ist sie dazu verpflichtet, die angewiesene Arbeit gemäß § 63 BGB zu verweigern und damit von ihrem sogenannten Remonstrationsrecht Gebrauch zu machen. Eine solche Eigenprüfung ist schon zum Schutze Dritter unersetzlich.
Begeht die Pflegekraft nun also einen Fehler auf einer fremden Station, wird sie dafür auch zur Haftung herangezogen. In diesem Fall hat sie ihr Remonstrationsrecht ignoriert, sie hätte die Tätigkeit verweigern müssen, da sie diese nicht beherrscht. Es gilt also: Was ich nicht kann, darf ich rechtlich nicht machen. Ich muss dagegen remonstrieren.
Im Falle eines Schadens richtet sich die zivilrechtliche Klage in der Regel an den Einrichtungsträger. Handelt es sich bei dem Fehler um eine grobe Fahrlässigkeit, so kann sich der Arbeitgeber wiederum im Innenregress schadlos halten und den Schadensersatz gemäß § 426 Absatz 2 BGB von der Pflegekraft fordern. Somit liegt auch die Beweislast bei der behandelnden Pflegekraft. Ein grober Behandlungsfehler liegt nach § 630h Absatz 5 BGB dann vor, wenn dieser geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen. Dies gilt auch bei grob fehlerhaftem Unterlassen von Behandlungsmaßnahmen.
Sonderfall Notsituation
Während die Grenze im Normalfall also beim rechlichen „Dürfen“ der Fachkraft liegt, so wird die Sachlage im Falle einer Notsituation noch einmal anders beurteilt. Liegt eine solche vor, wie zum Beispiel auch in der aktuellen Coronapandemie, so verschiebt sich die Grenze hin zum tatsächlichen „Können“. Ist eine Pflegekraft trotz fehlender Einweisung in der Lage, die Maßnahmen korrekt durchzuführen, so wird das rechtliche „Dürfen“ durch das tatsächliche „Können“ ersetzt. Ist die Pflegekraft also in der Lage eine Tätigkeit sachgemäß zu erledigen, so darf sie dies in einer Notlage auch tun. Hiermit wird noch einmal hervorgehoben, dass ausschlaggebend für das Handeln die Beherrschbarkeit der Aufgabe ist.